„Wir leiden sehr“Kölner Gastronomen erleben dritte Regeländerung in nur wenigen Tagen

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(Symbolbild)

  • Restaurants, Kneipen und Bars dürfen künftig nur noch bis 23 Uhr öffnen – eine Hiobsbotschaft für viele Gastronomen.
  • Es ist bereits die dritte Regeländerung in nur wenigen Tagen, die Existenzen bedroht und Gäste verunsichert.
  • Welche Regelungen nun genau gelten und wie die Gastronomen auf die Sperrstunde reagieren, lesen Sie hier.

Köln – Angesichts der steigenden Infektionen mit dem Coronavirus wird es nun definitiv eine frühere Sperrstunde für die Gastronomie geben. Restaurants, Kneipen und Bars sollen täglich nur noch bis 23 Uhr öffnen. Das haben Bund und Länder beim Corona-Gipfel im Kanzleramt am Mittwoch beschlossen.

Für die Gastronomen in Köln ist das bereits die dritte Regeländerung innerhalb weniger Tage. „Wir sind komplett verwirrt und wissen gar nicht mehr, was, wo, wie gilt. Das ist ein riesengroßes Problem“, sagt Till Riekenbrauk, der in der Südstadt das Brauhaus „Johann Schäfer“ betreibt und als Vorstand der IG Kölner Gastro rund 200 Kneipen-, Bar- und Restaurantbetreiber vertritt.

Immer wieder neue Corona-Regeln

Kein Wunder, schließlich werden die Corona-Maßnahmen für die Gastronomie von Stadt, Land und Bund immer wieder neu beschlossen. Vor einer Woche betonte Oberbürgermeisterin Henriette Reker noch, dass es keine Sperrstunde geben soll und sie damit der Gastronomie eine „besondere Verantwortung“ übergeben wolle. Nur zwei Tage später sah das aber schon wieder ganz anders aus.

Alles zum Thema Henriette Reker

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet verkündete, dass ab einem Inzidenzwert von 50 – dieser Wert misst die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb eines Sieben-Tage-Zeitraums – die Öffnungszeiten in der Gastronomie reduziert werden müssen. In Köln lag die Inzidenzzahl zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich über der kritischen Grenze. Also verkündete die Stadt eine Sperrstunde zwischen 1 Uhr und 6 Uhr.

Malte Böttges

Malte Böttges

Doch auch diese Regelung blieb nicht lange gültig. Nach dem Corona-Gipfel im Kanzleramt sollen die Gastronomen nun ab 23 Uhr ihre Läden schließen. Natürlich seien Maßnahmen wichtig, sagt Kölschbar-Betreiber Malte Böttges. „Wir wollen das Virus alle nicht mehr und müssen es bekämpfen. Aber die Art und Weise, wie uns die Verordnungen alle 24 Stunden um die Ohren fliegen, führt zu Chaos und immer weniger Akzeptanz“, sagt er.

Neue Sperrstunde gilt bisher nicht

Ab wann genau die neue Sperrstunden-Regelung gilt, weiß bisher noch nicht einmal die Stadt. „Wir müssen auf den entsprechenden Erlass des Landes warten und diesen dann in die Allgemeinverfügung gießen“, so ein Stadtsprecher. Erst wenn das geschehen ist, tritt die neue Regelung in Kraft. Bis dahin gilt, was in der aktuellen Corona-Schutzverordnung steht: Restaurants, Kneipen und Bars dürfen bis 1 Uhr öffnen. Außerdem dürfen an einem Tisch bis zu fünf Personen aus verschiedenen Haushalten sitzen. Die Anzahl darf überschritten werden, sollten die Personen aus zwei Haushalten stammen oder in gerader Linie verwandt sein – etwa Kinder, Eltern und Großeltern.

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Till Riekenbrauk

Doch warum werden die Maßnahmen für die Gastronomie nun immer weiter verschärft? Auf diese Frage hat Till Riekenbrauk keine Antwort. „Wir sind nicht die Super-Spreader.“ Vielmehr sei der Anteil der Menschen, die sich nachweislich während eines normalen Betriebs in der Gastronomie infiziert haben, laut Robert-Koch-Institut minimal. In Köln gibt es aktuell 921 Personen, die akut und bestätigt mit Covid-19 infiziert sind – das sind 63 mehr als am Vortag. Zudem meldet das Gesundheitsamt am Donnerstag den 131. Todesfall. Zuletzt sei ein 84-jähriger Mann mit Vorerkrankungen gestorben. Der Inzidenzwert ist von 70,4 auf 69,2 leicht gesunken. 115 der Infizierten befinden sich derzeit im Krankenhaus, 27 von ihnen werden auf der Intensivstation behandelt. 

Menschen infizieren sich größtenteils durch soziale Kontakte

Laut Stadt infiziert sich der Großteil der Menschen aktuell durch soziale Kontakte – wie etwa in der Familie oder auf privaten Feiern. Diese Art der Infektionsquelle mache rund 40 Prozent aus. Zehn Prozent seien auf das Arbeitsumfeld zurückzuführen, weitere zehn Prozent auf Reisen und andere, nicht genauer benannte Gründe. In rund 40 Prozent der Fälle sei die Infektionsquelle nicht einmal rückverfolgbar. Die Gastronomie wird in dieser Aufzählung der Ansteckungsgründe nicht einmal genannt.

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„Wir werden zurzeit öffentlich als das Problem für die steigenden Infektionszahlen dargestellt, obwohl wir es gar nicht sind“, so Till Riekenbrauk. Das habe vor allem auf die Gäste einen negativen Effekt. Durch die verschärften Einschränkungen würden viele denken, dass es aktuell gefährlich sei, außerhalb der eigenen Wohnung essen zu gehen. „Das letzte Wochenende war katastrophal. Viele Gäste haben ihre Reservierungen storniert“, sagt Riekenbrauk.

Gäste wegen wechselnder Regeln verunsichert

Latif's Köln1

Latif Arraf

Das kann auch Latif Arraf bestätigen, der auf dem Hohenzollernring sein Restaurant „Latif’s“ betreibt. „Die Leute sind unsicher, weil sie nicht mehr genau wissen, welche Regeln nun aktuell gelten.“ Die neue Sperrstunde treffe ihn besonders am Wochenende, an dem er seinen Hauptumsatz mache, hart: „Auf den Ringen geht es erst ab 23 Uhr los, daher leiden wir unter den Einschränkungen sehr.“

Malte Böttges müsste die Kölschbar auf der Lindenstraße mit der neuen Sperrstunde-Regelung sogar komplett schließen. Im Gegensatz zu den andere beiden ist er auf das Abend- und Nachtgeschäft angewiesen, da er keine Speisen anbietet. Dabei habe er sich immer wieder an die neuen Angaben der Stadt angepasst, zuletzt erneut den Laden umgebaut, da nur noch fünf anstatt wie bisher zehn Personen an einem Tisch sitzen dürfen.

Existenzen durch Corona-Maßnahmen bedroht

Viele Existenzen seien bedroht, doch darum alleine gehe es nicht. „Es geht darum, dass die Maßnahmen für uns nicht mehr nachvollziehbar sind“, so Böttges. Denn die Sperrstunde würde dazu führen, dass die Leute sich unkontrolliert in ihren Wohnungen treffen. Ohne Hygienekonzept, ohne Mindestabstand und Plexigläser, ohne Tische, die nach jedem Gast desinfiziert werden. Davon ist auch Till Riekenbrauk überzeugt. 

Die Bundesregierung will dagegen mit einer weiteren verstärkten Maßnahme vorgehen. Feiern in privaten Räumen sollen ab einem Inzidenzwert von 50 künftig nur noch mit maximal zehn Personen aus zwei Haushalten zulässig sein. Doch auch hier sei laut Stadt unklar, wann diese Regelung in Kraft tritt.

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