Kölner OB im InterviewHenriette Reker will Impfpflicht für das Gesundheitswesen

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„Wir brauchen eigentlich hauptamtliche Politiker“, sagt Henriette Reker über Köln.

Frau Reker, auch wenn es sich anders anfühlt – die Corona-Lage spitzt sich aktuell wieder zu. Welche Sorgen macht Ihnen die vierte Welle?

Ich mache mir schon Sorgen, dass die Menschen zu sorglos sind. Und dass sie meinen, sie können jetzt als Geimpfte wieder alles tun. Sie vergessen dabei, dass die Herdenimmunität ja noch lange nicht hergestellt ist. Auch die Virusvarianten bringen ja nochmal neue Gefahrensituationen.

Die Uniklinik warnt bereits wieder vor vollen Intensivstationen.

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Natürlich blicken wir auch auf die Intensivstationen. Aber das haben wir immer getan. Wir haben nie nur auf die Inzidenz geschaut, sondern immer auch auf die Belegungszahlen. Bei jeder zusätzlichen Maßnahme in Köln ist sowohl die Inzidenz als auch der Belegungsstand der Intensivstationen berücksichtigt worden. Das war und ist für uns völlig normal.

Die Neu-Infizierten sind inzwischen zum größten Teil Ungeimpfte. Was können Sie noch tun, um mehr Menschen zum Impfen zu bringen?

Das stimmt, wir haben inzwischen überwiegend eine Pandemie der Ungeimpften. Wir können da nur immer weiter informieren und Angebote machen, und zwar möglichst niederschwellig. Wir müssen so schnell wie möglich an die Kölnerinnen und Kölner herangehen, die noch nicht geimpft sind – und mit ihnen sprechen. Das tue ich auch. Und da wundere ich mich schon manchmal, wer sich nicht impfen lässt und warum nicht

Sie sind eine Befürworterin der 2G-Regel. Gibt es Bereiche, in denen Sie künftig nur noch Geimpfte oder Genesene zulassen würden?

Ganz sicher im Gesundheitsbereich und in den Pflegeeinrichtungen.

Auch in Schulen und Kindertagesstätten?

Dort, wo naturgemäß kein Abstand gehalten werden kann und auch für die kleinen Kinder noch kein Impfstoff vorhanden ist, also in den Kitas, kann ich mir das auch vorstellen.

Bei dem schönen Wetter der letzten Tage war auch die Außengastronomie überall in der Innenstadt so voll, als hätte es nie eine Pandemie gegeben.

Was sagen Sie, wenn Sie das sehen?

Da fühle ich mich teilweise noch sehr unbehaglich. Ich meine, wir sprechen hier noch darüber, ob wir demnächst wieder Karneval feiern können. Das funktioniert aber nur, wenn wir jetzt alle aufpassen und die Impfangebote angenommen werden.

Zuletzt ist es ja nicht nur beim friedlichen Ausgehen geblieben, es kam erneut zu Ausschreitungen.

Diese Gewalt gegen Polizisten und Ordnungskräfte, die wir auch in Köln gesehen haben, ist für mich absolut nicht nachvollziehbar, auch nicht nach der langen Zeit ohne Ausgehmöglichkeiten. Das ist doch kein Umgang miteinander. Ich weiß auch nicht, was die Menschen antreibt, die so etwas machen.

Und wie blicken Sie auf die Lage in den Schulen? In Köln sind schon jetzt mehr als 3000 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne.

Das Land hat ja jetzt unseren Vorschlag übernommen, nur noch die infizierten Schüler selbst und nicht mehr auch deren Sitznachbarn oder gar ganze Klassen in Quarantäne zu schicken. Das begrüße ich sehr.

Insgesamt waren die Abstimmungen zwischen dem Land und den Kommunen gerade in der Corona-Krise oft zäh und zeitraubend. Müsste sich dieses Verhältnis nicht grundlegend ändern?

Natürlich sind das oft komplizierte Abstimmungsprozesse. Und das Land kann wahrscheinlich auch nicht jeder Kommune alles weitgehend selbst überlassen. Was bei uns wegen unserer Größe gut funktioniert, muss ja nicht in allen Städten und Gemeinden so klappen. Was aber hervorragend funktioniert, sind die Abstimmungen der Kommunen untereinander.

Aber braucht eine Millionenstadt wie Köln dann nicht auch andere Befugnisse?

Ja, das würde ich schon sagen. Eine Millionenstadt ist halt etwas anderes als eine Kleinstadt oder eine mittelgroße Stadt. Wir brauchen zum Beispiel eigentlich auch hauptamtliche Politiker. Unser ehrenamtlicher Stadtrat muss über weitreichendere Dinge entscheiden als ein Bundesland wie das Saarland. Ich würde mir hier eine Reform der Kommunalverfassung deutlich wünschen.

Die Stadt wandelt sich nur sehr langsam. Wo werden die Kölnerinnen und Kölner denn merken, dass sich die Stadt zum Positiven verändert?

Da gibt es eine ganze Menge. Das Verkehrskonzept Altstadt, das Projekt „Ring frei“, der Eigelstein wird autofrei, auf der Venloer Straße wird einiges passieren. Auch die großen Baustellen gehen voran. Ich gehe davon aus, dass ich die Oper eröffnen werde. Wir werden im Deutzer Hafen mit dem Bau beginnen. In Kreuzfeld geht es endlich voran. Und dass ich hier Strukturen verändert habe, wird man dann sehen, wenn sich zum Beispiel die Baugenehmigungsverfahren beschleunigen. Oder wenn die Schulbaupakete umgesetzt sind. Es bewegt sich also sehr vieles. Wir müssen in dieser Stadt ja endlich auch mal Dinge fertig bekommen.

Beim Thema Baugenehmigung sind die Klagen von Bauherren und Firmen über die Verwaltung nicht zu überhören. Wann ändert sich das?

Sie dürfen nicht vergessen, dass Genehmigungsverfahren in Städten, die eigentlich fertig gebaut sind, viel komplizierter sind, als wenn man irgendwo auf der grünen Wiese baut. Allerdings wird mir berichtet, dass immer mehr Anträge unvollständig eingereicht werden, was dann wieder zu Verzögerungen führt.

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Aber das sind nur Erklärungen, keine Entschuldigungen. Wir brauchen jetzt die digitale Bauakte. Und ich bin wirklich hinterher, dass sie im Frühjahr 2022 kommt. Insgesamt hat die Digitalisierung der Verwaltung durch Corona aber einen unglaublichen Schub gemacht.

Aber das reicht doch noch nicht. Es muss doch viel mehr passieren.

Auf jeden Fall! Und das muss jetzt schnell gehen. Wir erleben gerade, wie wir die Digitalisierung unserer Dienstleistungen priorisieren. Und dann wird das zügig abgearbeitet. Auch die Verwaltungsreform kommt weiter voran. Ich möchte ja, dass Verwaltung im nächsten Jahr ein lernendes System ist. Dazu gehört nicht nur die Digitalisierung, dazu gehören auch neue Leitlinien, eine neue Führungskultur und die Attraktivierung der Stadtverwaltung als Arbeitgeberin.

Und wann kommt die Fusion der städtischen Kliniken mit der Uniklinik? Auch hier scheint nichts mehr zu passieren.

Das liegt jetzt beim Land. Dort wird gerade ja nochmal geprüft. Aber die Fusion muss spätestens nach der Landtagswahl 2022 in einem Koalitionsvertrag enthalten sein.

Aktuell ist die Via Culturalis wieder ins Blickfeld gerückt. Wie finden Sie das Projekt?

Das ist ganz wichtig. Wir brauchen auch solche Alleinstellungsmerkmale. Bisher sind unsere Alleinstellungsmerkmale neben dem Dom vor allem Herzlichkeit und Offenheit.

Die Bergung der E-Scooter aus dem Rhein verläuft nur sehr schleppend. Was erwarten Sie von den Betreiberfirmen?

Ich erwarte hier deutlich mehr Engagement, und zwar sehr zeitnah.

Nach dem Rückzug von Niklas Kienitz kurz nach seiner Wahl muss die Stelle des Stadtentwicklungsdezernenten neu besetzt werden. Köln steht dabei einmal mehr in schlechtem Licht.

Das hat insgesamt schon Stimmung gemacht gegen die Stadt. Manche haben auch zu mir gesagt, die Kritik an Niklas Kienitz sei reines Wahlkampfgetöse.

Sie haben das Auswahlverfahren für den Stadtentwicklungsdezernenten selbst geleitet. Ist das denn wirklich ordnungsgemäß abgelaufen?

Es war doch nach der Vorgeschichte zu erwarten, dass hier ein Eindruck entstehen würde, dass hier möglicherweise jemand privilegiert wird. Dem kann man doch nur entgehen, indem man ein besonders regelgerechtes Verfahren macht. Niklas Kienitz hat nun mal die Bestenauslese bestanden. Hätten wir dann den Besten nicht nehmen sollen? Das ist mit mir nicht zu machen.

Halten Sie denn die Einwände der Bezirksregierung gegen die Befähigung von Niklas Kienitz auch für politisch motiviert?

Ich mag so etwas immer gar nicht glauben. Es muss doch eigentlich allen Verantwortungsträgern auf allen Ebenen in erster Linie um die Stadt geben. Und ich mag es mir gar nicht vorstellen, dass hier Menschen ihre Ideologie über die Interessen der Stadt stellen. Dass so etwas der Stadt schadet, ist doch klar.

War es aber bei all dem nicht vielleicht doch etwas naiv zu glauben, dass die Beteiligung von Niklas Kienitz an der Stadtwerke-Affäre bei der Dezernentenwahl gar keine Rolle mehr spielen würde?

Er hat ja keine entscheidende Rolle gespielt. Anders als seine damaligen Geschäftsführer-Kollegen von Grünen und SPD saß er ja nicht im Aufsichtsrat der Stadtwerke und hätte die Hand für Herrn Börschel heben können.

Auch gegen das Bewerbungsverfahren für das Kulturdezernat gibt es nun eine Beschwerde, die von der Bezirksregierung geprüft wird. Danach soll die Besetzung der Auswahlkommission fehlerhaft gewesen sein. Droht neuer Ärger für die Stadt?

Alle vier Verfahren der vergangenen Wochen sind identisch abgelaufen und entsprechend der Vorschriften der Gemeindeordnung. Bis auf das Verfahren zu Herrn Kienitz, das ja nicht zu Ende geführt wurde, sind die Verfahren zu Herrn Wolfgramm und Herrn Egerer offiziell von der Bezirksregierung bestätigt worden. Auch das Verfahren zu Herrn Charles wurde vergangene Woche bereits von der Bezirksregierung bestätigt, jedoch erhielten wir am Montag die Mitteilung, dass die Bezirksregierung doch noch weiterprüfen möchte. Ich hoffe, dass hier nun schnell die bereits erfolgte Bestätigung bekräftigt wird.

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