KommentarKöln kann mehr – Die Stadt muss das jetzt zeigen!

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Bis heute Großbaustelle: Die Kölner Oper (Archivfoto)

  • Die wachsenden Zweifel an der Fertigstellung der Oper im Jahr 2023 sind lediglich ein Beispiel für das bekannte Umsetzungsproblem der Stadt Köln.
  • Wer auch immer das kommende Stadtoberhaupt sein wird, muss bei der Bewältigung der Kölner Zustände neue Ansätze verfolgen.
  • Vielleicht ist ein Begriff des Schriftstellers Navid Kermani die richtige Perspektive für einen echten Wandel.

Der Schriftzug „Liebe Deine Stadt“ leuchtet in vier Meter hohen Lettern über der Nord-Süd-Fahrt. Eine Aussage, die man unterschreiben kann. Nur nicht an einem Adventssamstag, wenn man sich mit dem Auto durch das Verkehrschaos im Tunnel quält. Da fällt das Lieben schwer.

Zum Glück gibt es in Köln die Mahner, die wollen, dass die Stadt mehr ist, als sie jetzt ist. Der Schriftsteller Navid Kermani gehört zu ihnen. In einem Interview mit dieser Zeitung kritisierte er zuletzt die Kölner „Selbstbesoffenheit“. Ganz offenkundig stehe Köln in vielen Bereichen schlechter da als andere vergleichbare Städte. Die Leutseligkeit, die Köln sympathisch mache, sei gleichzeitig ein Problem. Köln brauche daher eine Ansprache aus „liebender Wut“.

Der frühere IHK-Chef Paul Bauwens-Adenauer sagt, er teile Kermanis Leiden am Geschehen in der Stadt. Köln sei im öffentlichen Raum nachlässig und lieblos. Er vermisse den Glanz, aber auch einfach ein gutes Gefühl, wenn man durch die Stadt gehe.

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Köln hat kein Problem der Erkenntnis

Behördenversagen, Bauskandale und Klüngeleien werden in Köln immer wieder angeprangert, natürlich auch an dieser Stelle. Es ist also kein Problem der Erkenntnis, das Köln hat. Die Stadt weiß um ihre Schwächen, tut aber zu wenig, um sie zu beseitigen. Köln hat ein gravierendes Umsetzungsproblem.

Man kann Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht vorwerfen, dass sie nicht versucht, die eingefahrenen Strukturen aufzubrechen und die kölsche Krankheit des „Wie können wir es tun, ohne es zu machen“ zu bekämpfen. Dennoch gibt es für die Bürgerinnen und Bürger kaum sichtbare Verbesserungen und spürbare Erleichterungen.

60.000 Wohneinheiten müssen in Köln gebaut werden

Ein Beispiel dafür ist die manchmal bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauernde Erteilung von Baugenehmigungen. Völlig zu Recht fragt sich der Architekt Kaspar Kraemer, der sich um die Kölner Stadtentwicklung verdient gemacht hat, warum das nicht schneller geht. Schließlich müssen in den nächsten Jahren dringend 60.000 Wohneinheiten gebaut werden. Wieso steht dieses Problem nicht ganz oben auf der Prioritätenliste? Wieso gibt es keine Taskforce aus Verwaltung und externen Experten, die dieses Dauerärgernis endlich beendet? Und zwar mit kreativen und agilen Ansätzen, wie sie in der digitalen Arbeitswelt längst angewendet werden?

Zu wenige Schulen, verwahrloste Plätze, zu wenige Kita-Angebote und fehlender Wohnraum, Sanierungsstau bei den Museen und bislang nur Stückwerk bei Verkehr und Klimaschutz. Die Mängelliste, die OB Reker in einer zweiten Amtszeit angehen möchte, ist lang. Kürzer ist sie in den letzten vier Jahren nicht geworden. Ein Gegenkandidat der SPD, der versucht, bessere oder zumindest andere Antworten auf die Probleme zu geben, ist nicht in Sicht – ein Armutszeugnis für die einst stolze Partei, die die Geschicke der Stadt mitbestimmte.

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Wer auch immer das kommende Stadtoberhaupt sein wird, muss bei der Bewältigung der Kölner Zustände neue Ansätze verfolgen. Das zeigen ganz aktuell auch die wachsenden Zweifel an der Fertigstellung der Oper im Jahr 2023. Wird jetzt wirklich alles Menschenmögliche getan, damit nicht der schlimmste Fall eintritt und die Sanierung scheitert? Bürger müssen erwarten können, dass Städte zur Lösung ihrer Probleme alle zulässigen Mittel ausschöpfen. Dazu gehört auch die Bündelung aller Kräfte und Expertise von außen.

Köln wird sehr anstrengenden Mentalitätswandel bewältigen müssen

Köln wird, um seine Probleme zu lösen, einen für alle Beteiligten sehr anstrengenden Mentalitätswandel bewältigen müssen. Übergreifende Teams müssen gebildet, lähmende Zuständigkeitsgrenzen der Ämter überwunden werden. Es muss dringend mehr Verbindlichkeit her. Im Wissen, dass die perfekte Lösung so gut wie nie erreichbar ist, müssen die Dinge konsequent vorangetrieben werden. Nach dem Grundsatz: „Wenn es besser wird, ist es gut für die Stadt.“

Wichtig ist aber auch: Verantwortung für einen solchen Prozess trägt nicht der oder die OB alleine. Die wichtigen Kraftzentren der Stadt – von IHK bis zur Messe, von Hoher Domkirche bis zur Handwerkskammer, vom Festkomitee bis zu den großen Unternehmen – müssen bereit sein, einen Beitrag zu leisten und ihre Verantwortung in konkreten Projekten wahrnehmen.

Masterplan Innenstadt als Regiebuch für Entwicklung der Stadt Köln

Wie zum Beispiel beim Masterplan Innenstadt, der seit 2009 so etwas wie ein Regiebuch für die Entwicklung der Stadt ist. Allein: Vieles von dem durch die Kölner Wirtschaft initiierten Plan ist Papier geblieben. Das Problem ist, siehe oben: die Umsetzung. Dabei gibt es längst Faktoren wie Klimawandel und Digitalisierung, die ein Update des Masterplans oder gar einen neuen Zukunftspakt erfordern.

Die Stadt aus ihrer Selbstzufriedenheit herauszuholen ist die Aufgabe vieler. Kermani sieht es so: Die Probleme ließen sich nicht einzelnen Politikern in die Schuhe schieben. Das komme aus der Stadt selbst.

Es wäre schade, wenn es in Köln beim immer wiederkehrenden Liebesgesang und gleichzeitigem Genöle bliebe. Köln kann mehr. Vielleicht ist Kermanis Begriff der „Liebenden Wut“ die richtige Perspektive für einen echten Wandel.

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