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„Loss mer singe“Wie eine Schnapsidee Kölns Kneipen-Kultur prägte

3 min
Jecke feiern im Lapidarium

„Loss mer singe“: Im Lapidarium startete die Mitsingbewegung, die heute auch außerhalb Kölns viele Fans hat.

Was vor 25 Jahren entstand, hat die Kölner Kneipen-Kultur und Musiklandschaft nachhaltig beeinflusst: „Loss mer singe“.

Es war die Zeit, als im Kölner Karneval auch Lieder gespielt wurden, die heute wohl nur noch am Ballermann Gehör finden würden. „Ich bin der Hans, ich habe einen großen Fuß“ und andere Unfälle aus der lokalen Musikszene sorgten beim damaligen Festkomitee-Präsidenten Hans-Horst Engels für Unmut.

Auch bei Georg Hinz fielen derartige Werke unten durch, aber als DJ hatte er sich schon seit Jugendjahren eine gewisse Toleranz anerzogen. Letztendlich stimmte das Publikum über Erfolg oder Misserfolg ab. Bei dem heute 60-jährigen Kulturreferenten beim Domforum standen die Entscheider schunkelnd in der heimischen Küche: Alljährlich trafen sich Familie und Freunde, um die neuen Sessions-Lieder zu singen. Dass daraus eine Mitsingbewegung entsteht, die den Kneipenkarneval und die Kölner Musiklandschaft nachhaltig beeinflusst hat, war damals noch nicht absehbar: „Loss mer singe“ feiert am 3. Oktober 25-jähriges Bestehen.

„Loss mer singe“ wird 25 Jahre alt

„Mir sind Kölsche us Kölle am Rhing“ von den Paveiern macht das Rennen 1999, ein Jahr später gewinnt „Unsere Stammbaum“ von den Bläck Fööss – die letzte Abstimmung in der Hinz-Küche. Ein Jahr später findet in der Eigelstein-Kneipe Lapidarium das erste öffentliche „Einsingen in den Karneval“ statt. Georg Hinz moderiert vor 35 Freundinnen und Freunden sowie 80 Zufallsgästen. Mit Lutz Langel, der inzwischen bei „Deine Sitzung“ aktiv ist, findet er im Jahr darauf einen Mitstreiter, Kafi Biermann, Bömmel Lückerath und Hartmut Priess engagieren sich; 2003 findet eine erste Kneipentour in sechs Lokalen statt, im „Stüsser“ sind die Höhner mit dabei, in der Kleingartensiedlung Kletterrose wird Sommerfest gefeiert.

So sahen die Anfänge in der Wohnküche von Georg Hinz aus.

So sahen die Anfänge in der Wohnküche von Georg Hinz aus.

Der Spaß beim Mitsingen und Schunkeln in rappelvollen Lokalen boomt: Aufgrund der Nachfrage wird die Anzahl der „Einsing-Termine“ stetig erhöht. Auch an die Exil-Rheinländer wird gedacht: „Loss mer singe“ fährt nach Berlin und sorgt in der „Ständigen Vertretung“ für Jubel und Tränen der Rührung. Längst ist auch eine „Loss mer singe“-Sitzung etabliert. In der kommenden Session sind mehr als 60 Veranstaltungen geplant, erstmals wird dabei auch in Stuttgart das kölsche Liedgut gefeiert.

Georg Hinz startete vor 25 Jahren die Mitsinginitiative.

Georg Hinz startete vor 25 Jahren die Mitsinginitiative.

Der Erfolg von „Loss mer singe“ hat auch das Wirken zahlreicher Musiker beeinflusst. Immer mehr setzen auf kölsche Tön, allerdings ist auch die Qualität gestiegen. Die Ergebnisse der jährlichen Abstimmungen zeigen: Das Kneipen-Publikum will Lieder, die man sich nicht erst schöntrinken muss. „Sobald du Leute mit Textzetteln versorgst, werden sie sensibler“, sagt Hinz. Songs wie „Nit alles, wat e Loch hät, es kapott“ würden es heute erst gar nicht in die Auswahl schaffen. Auch „Dicke Mädchen haben schöne Namen“, 2001 auf Platz zwei gewählt, würde heute vielleicht kritischer gesehen, mutmaßt Hinz. Er habe den Höhner-Song damals eher als positives Statement gegen das Mode-Diktat und abgemagerte Top-Models interpretiert.

„Wer hätte gedacht, dass eine Schnapsidee mit einem Kulturpreis ausgezeichnet wird?“

„Fakt ist, dass man heute noch genauer hinhört. Und das wissen auch die Bands“, sagt Hinz. 2008 wurde ein Verein gegründet, aus der wachsenden Büroarbeit entstand eine Halbtagsstelle – ansonsten sind alle Aktiven weiterhin ehrenamtlich unterwegs. Die Erlöse aus Veranstaltungen kommen Sozial- oder Hilfsprojekten zugute.

„Wer hätte gedacht, dass eine Schnapsidee einmal mit einem Kulturpreis ausgezeichnet wird?“, fragte 2017 Jürgen Wilhelm, damals Vorsitzender der Landschaftsversammlung Rheinland, in seiner Rede, als „Loss mer singe“ mit dem Rheinlandtaler ausgezeichnet wurde.

Das 25-jährige Bestehen wird am 3. Oktober im Herbrand’s gefeiert. Ab 17 Uhr gibt es unter anderem eine Talkrunde mit zahlreichen Musikern wie Brings, Björn Heuser und Basti Campmann. Für die anschließende Party ab 19.30 Uhr mit Auftritten von Lupo und Fiasko gibt es noch Restkarten für 15 Euro, zuzüglich Gebühren unter lossmersinge.de.