Kölner BauprojekteWarum muss neue Architektur so scheußlich sein?

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An das künftige Geschäftshaus am Habsburgerring schließen im Bild links die „Wallarkaden“ an.

An das künftige Geschäftshaus am Habsburgerring schließen im Bild links die „Wallarkaden“ an.

  • Quaderförmige Bauten, stehend oder liegend, auf jeden Fall mit deckenhohen schmalen, schießschartenartigen Fenstern bestimmen das Bild der Städte in Zentraleuropa.
  • Auch in Köln. Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner kritisiert unter anderem die Neubaupläne am Rudolfplatz und des Laurenz-Carré.
  • Unsere Kolumnistin fragt sich, welches Virus Architekten aller Regionen angesteckt hat, dass ihnen fast nur noch ein Gebäudetypus einfällt.

Köln – Architekturhistoriker künftiger Epochen werden es mit ihrer Aufarbeitung der ersten Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts einfach haben. Quaderförmige Bauten, stehend oder liegend, auf jeden Fall mit deckenhohen schmalen, schießschartenartigen Fenstern bestimmen das Bild der Städte in Zentraleuropa. Wenn man in Berlin aus dem Hauptbahnhof auf den Europaplatz tritt und das neue Verwaltungs- und Hotelviertel sieht, möchte man nur noch weinen.

Aber man braucht gar nicht bis in die Hauptstadt zu gehen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ großformatig berichtete, wächst am Rudolfplatz eine Bebauung in die Höhe, die einem in gleicher Weise Schrecken einjagen kann (hier erfahren Sie mehr). Derzeit entstehen dort zwei riesige Bauten, und zwar zum einen vom Architekten Max Dudler zum Habsburgerring und zur Hahnenstraße hin, zum anderen nach Osten und Süden hin vom Büro Caruso St. John. Man fragt sich, welches Virus Architekten aller Regionen angesteckt hat, dass ihnen fast nur noch ein Gebäudetypus einfällt. Oder ist es einfach nur die maximale Verwertbarkeit des Raums, die diesem engen Raster zugrunde liegt? Was machen wir da nur mit unseren Städten?

Kölner Ex-Baudezernent spricht von idiotischer Klötzediskussion

Schon als das Wettbewerbs-Ergebnis für das Kölner Projekt veröffentlicht wurde, fragten „Stadt-Anzeiger“-Leser, warum es denn solche klobigen Blöcke sein müssten. Der damalige Baudezernent Franz-Josef Höing nannte das eine idiotische Klötzediskussion. Doch je deutlicher die Massen sich nun aus der Grube erheben, desto verstörender wirkt das Projekt. Auch wiederholtes Betrachten der – überdies sicher geschönten – Bilder auf der Website des Investors und an den Bauzäunen schmälert den desolaten Eindruck nicht. Die Fenster sind zwar breiter geworden, die Quader sind geblieben.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Immer wieder bin ich darauf angesprochen worden, warum ich mich denn nicht gegen diese scheußliche Architektur wende. Jetzt tue ich es. Zum ersten verwundert es, dass zwei Architekten dafür verantwortlich sein sollen. Beide Teile sind einander nämlich zum Verwechseln ähnlich. Max Dudler ist ein vielbeschäftigter Architekt mit Büros in Zürich, Berlin, Frankfurt und München, nachgerade ein Architekturfabrikant. Auf einem Kolloquium zu Ehren des Architekten Josef Paul Kleihues (1933-2004) und dessen These „Architektur ist selten“ fiel Dudler nichts anderes ein, als sich darüber auszulassen, wie man Fassadenplatten richtig anschraubt. Wie Dudler ist auch das Büro Caruso St. John international (Zürich, London) aufgestellt. Der namensgebende Architekt, das wusste in Köln die ganze Szene, ist zudem mit dem damaligen Baudezernenten befreundet.

Kölner „Wallarkaden“ entstehen an städtebaulich wichtiger Ecke

Nun entstehen also an dieser städtebaulich wichtigen Ecke die „Wallarkaden“. Schon der Name ist völlig irreführend. Eine Arkade – in der Bezeichnung steckt das lateinische „arcus“, Bogen – bezeichnet eine Reihe von Säulen oder Pfeiler, die durch Bögen verbunden sind. Dahinter liegt zumeist ein offener, beschatteter Bereich. Eine Bogenreihe ist aber an der Kölner Architektur nirgends zu finden. Ach, was sage ich! Nicht mal einen einzigen Bogen gibt es. Da sage ich mir doch: Architekten, die die wichtigsten architektonischen Grundbegriffe nicht beherrschen oder sie nur zur Tarnung verwenden, sollten eigentlich nicht bauen dürfen.

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Wo sind die Zeiten geblieben, da Gebäude noch gegliedert oder mit Dachlandschaften versehen waren? Das kurze Stück Zick-Zack-Wand im Staffelgeschoss gegen das Hahnentor kann man nicht wirklich als Gliederung bezeichnen. Die Gebäude werden acht Stockwerke hoch. Neben ihnen wird das ehrwürdige Hahnentor aussehen wie eine Spielzeugburg. Wenn diese Bauriesen nicht als denkmalschädigend eingestuft worden sind, fragt man sich, warum der Ehrengarde der bescheidene Anbau verweigert wurde, den Kaspar Kraemer entworfen hat, um der Karnevalsgesellschaft die weitere Nutzung und damit die Erhaltung des Stadttores zu ermöglichen.

Kölner Rudolfplatz soll architektonisch aufgewertet werden

Auf der Website der „Wallarkaden“ ist zu lesen: „Mit den Wallarkaden erfährt der historisch bedeutsame Rudolfplatz im Herzen der Kölner Innenstadt eine exklusive architektonische Aufwertung. Es entsteht ein markanter Neubaukomplex mit hohem Wiedererkennungswert.“ In Wirklichkeit entstehen Nutzbauten, die aussehen wie Tausende andere auch. Von wegen Ortsbezug, von wegen Individualität! Zum Wiedererkennen gibt es da rein gar nichts. Das Motiv, warum diese Architektur so aussehen muss, kann im Grunde nur eines sein: Allein mit solchen Klötzen ohne Gliederung lässt sich ein Grundstück so bebauen, dass nicht ein Quadratmeter unnötig verschenkt wird. Diesem Wunsch nach totaler Kommerzialisierung beugen sich manche Architekten anscheinend ohne Widerstand.

Doch alles Klagen ist nutzlos. Der Fall Rudolfplatz ist entschieden, mit dem schlimmen Ergebnis werden wir leben müssen. Ein anderes Bauvorhaben aber ist vielleicht doch noch zu beeinflussen: das sogenannte Laurenz-Carré. Zwischen Roncalliplatz und Laurenzplatz, Marspfortengasse und Unter Goldschmied soll ein neues, wichtiges innenstädtisches Quartier entstehen (hier lesen Sie mehr). Seit 2010 leergezogen, verwahrlost der Bereich mehr und mehr. Das Gelände ist durch die Hände von mindestens drei Investoren gegangen, nun will die Düsseldorfer Gerch-Group als Bauherr tätig werden.

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Vorentwurf für ein Gebäude des Laurenz-Carré

Nach den letzten Plänen wird auch hier keine innerstädtisch-kleinteilige Altstadtbebauung entstehen. Stattdessen stehen uns die nächsten Klötze bevor. Die Pläne sind schon gezeichnet, das Projekt konzipiert. Nachrichten aus dem vorigen Sommer lauteten, der Investor wünsche keine Mitbestimmung der Stadt. Gerüchte sagen sogar, dass auch Gerch nur weiterverkaufen möchte. Neues Spiel mit dem nächsten Investor. Der Bereich, der schon 2018 bezugsfertig sein sollte, würde dann weitere Jahre brachliegen.

Warum kann sich die Stadt Köln nicht selber um ihr Herz sorgen?

Warum eigentlich kann sich die Stadt nicht wenigstens um ihr Herz selber sorgen, die Gestaltung des innersten Stadtkerns in der eigenen Hand behalten? Warum müssen die Häuser, die hier entstehen sollen, auch wieder nur an Profitinteressen orientierte Quader sein? Was wurde nicht vor Jahren in Frankfurt über die Bebauung des Römerbergs gespottet, bei der die Stadtplaner eine Mischung aus rekonstruierten und modernen, aber kleinteiligen Häusern gewagt hatten! Von Disney-Architektur war die Rede. Als aber die neue Altstadt fertiggestellt war und bezogen wurde, waren nahezu alle Kommentatoren und Kritiker erstaunt bis begeistert, wie gut dieses Quartier gelungen war. Warum kann Köln so etwas nicht? Es müssten ja noch nicht einmal rekonstruierte Fachwerkhäuser sein!

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Die zum Teil rekonstruierte Frankfurter Altstadt

Einzelne Ratsmitglieder verschiedener Parteien hegen inzwischen den Wunsch, für das Laurenz-Carré doch eine andere Lösung zu finden – eine Altstadt-Architektur, die diesen Namen auch verdient. Viele Kölner – und ich würde sogar sagen, sie sind deutlich in der Mehrheit – würden es dem Rat, der Stadtregierung und insbesondere dem Baudezernenten danken.

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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