Kölner Giesberts-Lewin-PreisShoah-Überlebende Tamar Dreifuss geehrt

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Giesberts_Preis

Tamar Dreifuss (M.) und Ursula Reuter mit  Jürgen Wilhelm

Köln – Im Jahr 1942 wurden 1163 Kölner Juden, darunter 315 Kinder und Jugendliche, vom Deutzer Bahnhof aus in die Nähe von Minsk deportiert und dort ermordet. Der damalige Leiter des jüdischen Gymnasiums Jawne, Erich Klibansky, hatte die Gefahr des Massenmords der Nationalsozialisten früh erkannt und die Ausreise von 130 Kindern nach England organisiert. Im Gegensatz zu Klibansky selbst überlebten diese Kinder. Einige von ihnen haben ihre Geschichte später erzählt.

Preis auch für Gedenkort Jawne

Weil sie sich seit vielen Jahren vorbildlich für Aufklärung und Erinnerung engagieren, haben die Holocaust-Überlebende Tamar Dreifuss und der nach dem früheren Gymnasium benannte Lern- und Gedenkort Jawne am Montagabend im Käthe-Kollwitz-Museum den Giesberts-Lewin-Preis der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erhalten. Laudator Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der Gesellschaft, lobte die  Geehrten als „feste Anker erinnerungskultureller Arbeit der Kölner Stadtgesellschaft und darüber hinaus“.

Erster Schüleraustausch Ende der 1950er Jahre

Der Preis geht zurück auf Johannes Giesberts und Shaul Lewin, die Ende der 1950er Jahre von Köln und Tel Aviv aus den ersten deutsch-israelischen Schüleraustausch organisierten. Bis heute gibt es regelmäßige Besuche von Schülern beider Städte. Den Preis erhielten bislang Ralph Giordano, Gunter Demnig, Günter Wallraff, Heiner Lichtenstein, Gerhart Baum, Beate Klarsfeld, Rolly Brings, Lale Äkgün, Ester Bejarano und Microphone Mafia, die AG Arsch Huh, Barbara Becker-Jakli, Volker Beck, Roswitha und Heinrich Bethe sowie die Begegnungszentren Chorweiler und Porz.

„Ich musste mich selber kneifen, ob ich mit den Auszeichnungen gemeint bin“, sagte Tamar Dreifuss, die am Tag zuvor von Oberbürgermeisterin Henriette Reker schon den Bundesverdienstorden erhalten hatte. „Meine Mutter hätte sich sehr über die Auszeichnungen gefreut. Mein im vergangenen Jahr verstorbener Mann auch.“

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Tamar Dreifuss hat es sich seit dem Tod ihrer Mutter vor 23 Jahren zur Aufgabe gemacht, Kinder und Jugendliche über den Holocaust aufzuklären. Seitdem hat sie in Dutzenden Schulen und Jugendeinrichtungen als Shoah-Überlebende ihre Geschichte erzählt. In Zusammenarbeit mit dem Lern- und Gedenkort Jawne veröffentlichte sie im Jahr 2010 das Kinderbuch „Die wundersame Rettung der kleinen Tamar 1944“, das jüngst von der Schauspielerin Iris Berben als Hörbuch eingelesen wurde. Dreifuss trat in vielen Zeitzeugen-Theaterprojekten auf und erzählte immer wieder, wie ihr nur dank der Entschlossenheit ihrer Mutter und mit viel Glück die Flucht aus dem Konzentrationslager gelang. 

Gedenkort wird ehrenamtlich betrieben

Der Lern- und Gedenkort Jawne, der von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern betrieben wird, rückt seit 2007 die Geschichten von Überlebenden in den Fokus seiner Arbeit. In einem Galerieraum, der an den ehemaligen Schulhof des Gymnasiums an der Albertusstraße 26 angrenzt, veranstaltet der Förderverein Ausstellungen, Vorträge, Buchvorstellungen, Gedenkveranstaltungen, Diskussionen und Gespräche mit Zeitzeuginnen und deren Nachkommen. Der Verein erforscht auch Initiativen zur Rettung von Kindern und Jugendlichen während der Nazi-Zeit – wie jene von Erich Klibansky.

Ursula Reuter vom Förderverein wies in ihrer Dankesrede auch darauf hin, wie schwierig es sei, die Erinnerung allein mit ehrenamtlicher Arbeit aufrecht zu erhalten. Sie dankte der Stadt Köln, die erstmalig seit Bestehen des Vereins einen Zuschuss für eine halbe Stelle bewilligt habe, um Projekte zu koordinieren.

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