OB Henriette Reker findet die ausgelöste Diskussion zur Verwahrlosung in Köln gut, ruft den Stadtrat aber zu Sachlichkeit auf.
Nach viel beachtetem InterviewOB Reker äußert sich erneut zu Debatte um Verwahrlosung in Köln

Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (Parteilos) sieht in Köln an vielen Stellen eine Verwahrlosung, die es zu bekämpfen gilt. (Archivbild)
Copyright: Christoph Reichwein/dpa
Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat in der Diskussion um die zunehmende Verwahrlosung in Köln vom Stadtrat eine stärkere Aufmerksamkeit für die Themen „Aufenthaltsqualität, Sauberkeit, Bekämpfung von Obdachlosigkeit und Drogenkonsum“ gefordert. Angesichts der „desolaten Haushaltslage“ sagte Reker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Der Rat wird Entscheidungen treffen müssen, in welche Maßnahmen finanzielle und personelle Ressourcen gesteckt werden sollen.“
Wie berichtet, geht die Stadt allein diesem und nächsten Jahr von rund 850 Millionen Euro Verluste aus und hat Auflagen bekommen zu sparen. Am 14. September wählt Köln einen neuen Stadtrat und einen neuen Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin. Reker tritt nach zehn Jahren im Amt nicht mehr an.
Natürlich gab es auch kritische Rückmeldungen, die insbesondere forderten, dass die Stadtverwaltung mehr unternehmen müsse.
Reker äußerte sich gegenüber dieser Zeitung auch zu ihrem Interview am 31. Januar mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sie sagte jetzt: „Ich habe viele positive Rückmeldungen auf mein Interview bekommen. Meine Beobachtung, dass unser Stadtbild an vielen Stellen zu verwahrlosen droht, scheinen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger zu teilen.“
Alles zum Thema Henriette Reker
- Extremismusklausel Grüne in Erftstadt wollen politischen Spielraum für die AfD einschränken
- „Kann Unmut nachempfinden“ Kölner OB Reker will nach AfD-Debatte keine Parteien mehr in Schulen
- Härte gegen Obdachlose So reagiert die Stadtgesellschaft auf den Vorstoß der Kölner CDU-Fraktion
- Halbes Jahrhundert Eingemeindung Kölner Westen blickt auf 50 Jahre als Großstadt-Vororte zurück
- Einstimmiger Beschluss Städtische Räume in Köln sollen nicht an AfD vermietet werden
- Kölner OB-Kandidaten „Geht es Ihnen vor allem um die Süchtigen oder um die Allgemeinheit?“
- Über eine Milliarde Euro mehr benötigt Köln stellt dieses Jahr 19 Schulbauprojekte fertig
Sie sagte aber auch: „Natürlich gab es auch kritische Rückmeldungen, die insbesondere forderten, dass die Stadtverwaltung mehr unternehmen müsse.“
Reker stellt Verwahrlosung in Köln fest
In dem Gespräch vor dreieinhalb Monaten hatte sie „eine zunehmende Verwahrlosung“ in Köln festgestellt, danach entstand eine öffentliche Debatte über die Zustände und ob und wie sie beseitigt werden können.

Henriette Reker bei einem Rundgang über den Ebertplatz im Jahr 2022 (Archivbild)
Copyright: Michael Bause
Doch vor allem die Antwort auf Rekers eigene Verantwortung für die Zustände nach zehn Jahren im Amt hatte damals einige Menschen irritiert. Auf die Frage, wer Ordnung herstellen könne, wenn nicht die Oberbürgermeisterin, sagte Reker vor gut 100 Tagen: „Mit den Mitteln, die uns aktuell zur Verfügung stehen, niemand.“
Beschluss des Kölner Stadtrates
Betroffene der Zustände bezeichneten hinter vorgehaltener Hand Rekers Aussage als „unfassbar“. Jetzt verteidigte Reker sich: „Die Kommunen können gesamtgesellschaftliche Entwicklungen nicht in Gänze auflösen, sondern deren negative Effekte nur abmildern oder dämpfen.“
In dem Gespräch Ende Januar hatte sie auch gesagt, für die Vertreibung von Obdachlosen und Drogenabhängigen gebe es im Stadtrat keine Mehrheit. Die Situation ließe sich aber ändern, wenn man „viel mehr Geld“ in die Hand nehme.
Zuletzt hatte der Stadtrat am 3. April unter anderem beschlossen, die „offene Drogenkonsumszene mit besonderem Augenmerk in den Blick zu nehmen“. Dafür soll die Verwaltung prüfen, ob sie eine neue Einheit für „Sicherheit, Intervention, Prävention“ gründet.
Reker fordert sachliche Debatte
Und die CDU-Fraktion hat in einem Positionspapier die Räumung von Plätzen gefordert, aber auch hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen – eine konkrete Finanzstrategie im Detail zur Umsetzung nannte sie aber nicht und verwies auf Bundesmittel sowie mögliche Priorisierungen im Haushalt (wir berichteten).
Reker sagte: „Am Ende des Tages bedarf es aber auch politischer Initiativen und Unterstützung. Daher finde ich es gut, dass ich eine Debatte auch in der Kölner Politik auslösen konnte und verfolge mit großem Interesse die Initiativen aus der Politik.“ Sie forderte aber, „sachlich und konstruktiv“ zu bleiben in den Debatten und Entscheidungen.
Notfallknopf in Kölner Kirche
Diese Woche hatten die Kirchen in der Innenstadt gesamtgesellschaftliche Initiativen und Konzepte gefordert. Die Verantwortlichen der evangelischen Antoniterkirche auf der Schildergasse beispielsweise haben einen Notknopf eingeführt, um ihr ehrenamtlich arbeitendes Team zu schützen vor Kriminellen oder Menschen unter Drogeneinfluss (wir berichteten).
Pfarrer Markus Herzberg sprach von einer „überaus ambivalenten Situation“, weil die Kirche auch eine soziale Verantwortung habe gegenüber „den Menschen, die im Abseits unserer Gesellschaft stehen“.
Reker betont ihr Engagement
Auch Reker forderte jetzt das Engagement vieler Akteure ein: „Mir ist wichtig, dass die Debatte und die damit verbundene Erwartung an die Verwaltung ehrlich ist. Europäische Metropolen teilen in vielerlei Hinsicht ähnliche Herausforderungen.“
Reker nannte auf Anfrage, was die Verwaltung in ihrer Amtszeit gemacht hat, um die Situation laut ihrer Aussage zu verbessern, etwa die Reaktivierung der Brunnen am Ebertplatz und auf dem Neumarkt.
Laut Reker hat der Neumarkt durch etwa ein Kulturprogramm oder eine Gastronomie, häufigere Kontrollen und Reinigungen sowie „insgesamt eine neue Aufmerksamkeit durch die Stadtverwaltung erfahren, die er vor meiner Amtszeit leider nicht hatte. Viele Probleme, die wir heute dort sehen, sind bereits vor Jahren entstanden. Heute können wir an vielen Stellen nur noch reparieren, was man schon vor Jahren hätte lösen müssen.“