Kölner Ordnungsamt„Den Menschen reißt viel leichter der Geduldsfaden“

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Rundgang Ordnungsamt

Ordnungsamtmitarbeiter bei einer Kontrolle

  • Lärmbeschwerden, Wildpinkler, Drogenszene: Die Liste der Aufgabenbereiche des Ordnungsamts ist lang. Seit Corona kommen noch einige Punkte hinzu.
  • Doch die Menschen haben immer weniger Verständnis dafür, sich an Corona-Regeln halten zu müssen.
  • Eine Nacht mit den Ordnungshütern in Köln zeigt: Der Ton ist rauer geworden.

Köln – Aus einer Kneipe auf der Mauthgasse kommt laute Musik. Im Inneren tanzen und singen einige Menschen ausgelassen vor der Bar. Das Treiben stoppt, als die Mitarbeiter des Ordnungsamts den Raum betreten. Die Ordnungshüter weisen den Besitzer auf die Corona-Regeln hin und überprüfen die Kontaktlisten der Gäste. Eine Frau filmt das Geschehen, ein Paar an einem Tisch beschwert sich lautstark. Das sei doch nur Schikane. Der Barbetreiber hat seinen Ausweis in seinem Auto gelassen, die Ordnungshüter begleiten ihn dorthin. Als sie gehen, beginnen die Gäste wieder laut zu singen.

Die Mitarbeiter des Ordnungsamtes sind die Reaktionen gewohnt. In den vergangenen Wochen sei der Ton wieder deutlich rauer geworden. „Den Menschen reißt viel leichter der Geduldsfaden“, sagt Florian Klein. Obwohl die Fallzahlen in Köln wieder steigen, sei es, als ob das Thema die Menschen immer weniger interessiere. Seit Ende März hat das Ordnungsamt über 6000 Verstöße gegen Corona-Vorschriften festgestellt, Pöbeleien und aufgebrachte Reaktionen häufen sich.

Florian Klein, Sarah Ackermann und Philipp Herten sind an diesem Abend in der Altstadt und in der südlichen Neustadt unterwegs. Ackermann und Klein sind seit mehreren Jahren im Dienst, Herten hat im September seine Ausbildung begonnen.

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Am Wochenende gibt es viele Feiern, die aus dem Ruder laufen. Hinzu kommen Verstöße gegen die Abstandsregeln in Kneipen. Der Fall des Barbetreibers an diesem Abend ist beispielhaft: Er sieht kein Problem an dem Tanzen der Gäste. Der Kneipe geht es durch Corona schlecht, er befürchtet, dass er bald schließen muss. „Daher nimmt er in Kauf, ein Bußgeld zu zahlen, wenn dafür die Gäste besserer Stimmung sind und länger bleiben“, sagt Ackermann. Das sei auf menschlicher Ebene verständlich, aber die Regeln müssten trotzdem eingehalten werden. Die Bußgelder für Verstöße in Gaststätten reichen von 1000 bis 2000 Euro. Bei erneutem Verstoß verdoppelt sich die Strafe. Der Barbetreiber weiß nicht, was er tun muss, um die Abstände zu gewährleisten. Ackermann erklärt sich bereit, in der nächsten Woche tagsüber vorbeizukommen, um mit ihm über die Vorschriften zu gehen.

Der Barbesitzer ist nicht der einzige, der die Übersicht über die Corona-Regeln verloren hat. Eine junge Frau spricht die Ordnungshüter an. Sie möchte in der nächsten Woche in einer Bar einen privaten Geburtstag mit knapp 25 Personen feiern, aber sie weiß nicht, ob sie das anmelden muss. Selbst die Mitarbeiter des Ordnungsamts können ihr keine Garantie geben. „Das Problem ist, dass sich die Vorschriften bis nächste Woche schon wieder geändert haben können“, sagt Ackermann. Sie rät der Frau, die Veranstaltung vorsichtshalber anzumelden. Damit sei sie auf der sicheren Seite. „Wir haben aufgehört zu zählen, wie viele ‚neue‘ Corona-Verordnungen es in den vergangenen Monaten gegeben hat“, sagt Ackermann.

Maskenpflicht gilt auch an Bahnsteigen und in Unterführungen

Ein weiterer Aspekt der Corona-Regeln: Die Maskenpflicht. Sie gilt nicht nur für die Mitarbeiter von Bars oder in den Straßenbahnen, sondern auch auf den Bahnsteigen und in den Unterführungen. Als die drei Ordnungshüter die Treppen am Neumarkt hinuntergehen, kommt ihnen ein Mann entgegen. Seine Maske sitzt unter dem Kinn, er versucht noch hastig sie hochzuziehen – zu spät. Die Mitarbeiter nehmen seine Personalien auf, er muss ein Verwarngeld von 50 Euro zahlen. In der Bahn oder am Bahnsteig wären es 150 Euro gewesen. Kaum sind die Ordnungshüter fertig, sehen sie schon die Nächsten ohne Maske. Noch vor ein paar Wochen sei das anders gewesen. „Wir könnten ohne Probleme den ganzen Abend hier verbringen“, sagt Ackermann, „aber dann würden wir andere Aufgaben vernachlässigen.“

Es folgen weitere Passanten, die beim Anblick der Beamten versuchen, eine Maske aufzusetzen. Einer widersetzt sich. „Ich zeige Ihnen bestimmt nicht meinen Ausweis!“, sagt er, „rufen Sie doch die Polizei, ich habe Zeit.“ Erst als die Ordnungshüter in Aussicht stellen, ihn an die Wand zu stellen und zu durchsuchen, gibt er nach. „Vielen ist nicht klar, dass wir das Recht haben, die Personalien zu kontrollieren“, sagt Klein. Häufig beschweren sich Passanten, dass andere währenddessen ohne Maske vorbeigehen würden. Die Ordnungshüter bearbeiten nicht mehrere Fälle gleichzeitig, um die eigene Sicherheit gewährleisten zu können, falls eine Situation eskaliert. „Natürlich wäre es besser, wenn wir alle Personen gleichzeitig kontrollieren könnten“, sagt Klein, „aber wir können uns nicht zehnteilen.“

Mit der Corona-Krise sind für das Ordnungsamt zahlreiche Aufgaben dazugekommen. Dabei ist die Behörde unterbesetzt. In Köln arbeiten 180 Menschen im Außen- und Innendienst, nötig wären 234. Nach Wünschen der Politik soll das Ordnungsamt auf 300 Mitarbeiter aufgestockt werden. Doch dafür fehlen qualifizierte Bewerber. Für die vorhandenen Mitarbeiter bedeutet das Überstunden, denn die übrigen Aufgaben bleiben bestehen. Wildpinkler, Lärmbeschwerden und die Kontrolle der Drogen-Szene, die zuletzt wieder stark wächst, sind nur einige Beispiele. Allem gerecht zu werden, ist für das Ordnungsamt nicht möglich. „Irgendetwas bleibt auf der Strecke“, sagt Klein.

Ordnungsamt stellt sich auf stressigen Winter ein

Im Normalfall ist der Winter für das Ordnungsamt ruhiger. Doch die Normalität ist in Corona-Zeiten ausgesetzt. „Wir rechnen damit, dass auch der Winter stressig wird“, sagt Ackermann. Denn dann werden sich mehr Menschen innen aufhalten, die Abstände in Bars werden umso schwieriger einzuhalten sein.

An einem bekannten Hotspot von Junkies in der Altstadt finden die Ordnungshüter nur noch Aluminiumfolie, die Überreste eines Heroinkonsums. Am Parkhaus an der Cäcilienstraße treffen sie auf ein halbes Dutzend Junkies und schicken sie weg. In den vergangenen Tagen seien hier 30 versammelt gewesen. Heute sei eher ein ruhiger Abend.

Mann liegt mit Stichwunden in Domnähe

Doch die Schicht ist noch nicht vorbei. Kurz vor Mitternacht: Die Ordnungshüter sind auf dem Weg zu ihrem Auto, um etwas zu trinken, als von der Domplatte hinter dem Römisch Germanischen Museum Schreie zu hören sind. „Da sollten Sie mal hingehen“, sagt ein Paar, das aus der Richtung kommt, „da ist eine Massenschlägerei.“ Die Mitarbeiter verlieren keine Zeit.

Als sie ankommen, zeigt sich ein düsteres Bild: Ein junger Mann liegt mit mehreren Stichwunden auf dem Boden, seine Kleidung und der Boden rund um ihn sind blutverschmiert. Rund ein Dutzend Menschen laufen konfus umher, einige knien bei dem Opfer und drücken Kleidungsstücke auf die Wunden. Die Ordnungsamtsmitarbeiter wissen was zu tun ist. Der Notarzt wird alarmiert, Ackermann und Klein haben beide vor dem Ordnungsamt beim Rettungsdienst gearbeitet und leisten erste Hilfe.

Ordnungsamt am Dom

Bei einer Messerstecherei am Kölner Dom sind die Ordnungsdienstmitarbeiter zufällig die ersten Helfer.

Wenige Minuten später trifft die Polizei ein. Der Bereich wird abgesperrt, Polizisten schwärmen in alle Richtungen aus, der Täter kann noch immer in der Nähe sein. Weitere Beamte sprechen Passanten und mögliche Zeugen an. Dann trifft der Rettungsdienst ein. Sie laden den Verwundeten auf eine Trage und fahren mit Sirene und Blaulicht ab. Die Mitarbeiter des Ordnungsamts müssen noch eine Weile bleiben, die Polizei nimmt ihre Namen und Kontaktdaten auf und befragt sie zu ihren Beobachtungen. Nach anderthalb Stunden können sie gehen. Es war ein normaler Abend für das Ordnungsamt.

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