Kölns erste PolizistinAuf Patrouille gegen den Sittenverfall

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Erkens Wohlfahrtspolizei in Uniform

In Uniform, aber unbewaffnet: Beamtinnen der Frauen-Wohlfahrtspolizei

  • In der Serie „Frauen Voran“ stellt der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Frauen vor, die in der Geschichte der Stadt eine besondere Rolle gespielt haben.
  • Viele von ihnen sind heutzutage in Vergessenheit geraten, obwohl sie zu ihrer Zeit Pionierarbeit geleistet haben.
  • Diesmal geht es um Josephine Erkens, Deutschlands erste Kriminalkommissarin überhaupt. In Köln kümmerte sie sich als Leiterin der Frauen-Wohlfahrtspolizei um sogenannte „gefallene Mädchen“.

Köln – „Einige Minuten vor Mitternacht. Ein junges Mädchen, desen Kleidung Zeichen beginnender äußerlicher Verwahrlosung trägt, in der die Polizeibeamtin, als erfahrene Gefährdetenfürsorgerin, sofort das obdachlose, sich umhertreibende Mädchen erkennt, löst eilig eine Karte am Schalter des Bahnhofs und passiert mit dieser die Sperre.“ So steht es in einem Tätigkeitsbericht der Frauen-Wohlfahrtspolizei aus den 1920er Jahren. Diese erste weibliche Polizeieinheit in Deutschland hatte im Sommer 1923 ihre Arbeit aufgenommen – nach britischem Vorbild. Ihre Leiterin: Josephine Erkens.

Eine Nachfrage der Polizistin nach Dauer und Zweck des Kölner Aufenthalts, so heißt es dort weiter, „ergibt das spontane Geständnis, daß die 17-jährige Christine S. sich heimlich von zu Hause entfernt hat, »weil sie daheim es nicht mehr habe aushalten können« und weil der Arzt bei ihr eine Schwangerschaft im dritten Monat festgestellt habe!“

Dass weibliche Polizeibeamte in Uniform zu später Stunde auf den Straßen der Großstadt patrouillieren, noch dazu im berüchtigten Bahnhofsviertel, war zu Beginn des vorigen Jahrhunderts alles andere als üblich – und sorgte national und international für Diskussionsstoff. Galt die Arbeit der Polizei im allgemeinen Bewusstsein bis dato doch als etwas zutiefst unweibliches.

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Englische Polizistinnen als Vorbild

Die erste weibliche Polizei in Deutschland hatte im Sommer 1923 ihre Arbeit aufgenommen – nach britischem Vorbild. Sechs Engländerinnen waren im Juli des Jahres nach Köln gereist, um ihre drei deutschen Kolleginnen auszubilden und in gemischten Teams ihren Dienst zu versehen. Zur Leiterin der deutschen Abteilung der „Cölner Frauen-Wohlfahrtspolizei“ wurde Josephine Erkens berufen, die bereits zuvor als Fürsorgerin im Polizeipräsidium tätig war. Erkens sollte wenige Jahre später die erste deutsche Frau sein, die nach bestandenem Examen zur Kriminalkommissarin ernannt wurde, dies allerdings in Frankfurt.

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Frauen im Gewahrsam der Wohlfahrtspolizei

Dass es im britisch besetzten Köln überhaupt zur Einrichtung einer weibliche Polizei kam, hatte vor allem mit der besonderen Nachkriegssituation zu tun: „Auf der einen Seite eine weibliche jugendliche Bevölkerung mit einem durch die Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit hochgesteigerten Lebenshunger, auf der anderen die gut genährte, wenig beschäftigte Besatzungsarmee“ – so die Schilderung in einem 1925 von Erkens herausgegebenen Buch zur „Weiblichen Polizei“. Die Anwesenheit der Soldaten ließ die Prostitution anschwellen, die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten in der Besatzungsarmee nahm ein Ausmaß an, das die Militärbehörden auf den Plan rief.

Mit der „Ordonnanz 83“ , erlassen von der Interalliierten Rheinlandkommission, kam es zu einer Verschärfung der bis dahin geltenden Gesetze zur Prostitution. „Musste bisher für die Festnahme einer Frau der (auch nur recht vage formulierte) Verdacht auf »gewerbliche Unzucht« bestehen, reichte nun schon der Verdacht auf »Umhertreiben«“, heißt es in dem vom Kölner Frauengeschichtsverein herausgegebenen Buch „10 Uhr pünktlich Gürzenich“.

In der Folge kam es zu zahlreichen Missgriffen gegen „relativ harmlose, oft sogar unbescholtene Frauen und Mädchen“, berichtete die damalige Polizeifürsorgerin Josephine Erkens, die das „summarische, oft willkürlichen Vorgehen der Militärpolizei“ beklagte. Erkens und mit ihr die bereits damals bestehenden Frauenverbände kritisierten die für Prostitution zuständige Sittenpolizei wegen ihrer kriminalisierenden, oft rüden, Methoden und forderten eine Veränderung des Systems.

Mit Uniform im Bahnhofsviertel unterwegs

Statt männlicher Beamter sollte sich eine „sozialgeschulte, weibliche Polizei“ um die gefährdeten Frauen kümmern – mit einem Fokus auf vorbeugende und fürsorgerische Maßnahmen. Zur Ausführung einer derartig organisierten „psychologischen Frauenarbeit sind ganz besonders geeignete Kräfte erforderlich“, glaubte Erkens. „Es handelt sich hier um ein der Frau ureigenstes Gebiet, um den Einsatz von seelischen Frauenkräften, die dem mütterlich helfenden und schützenden Prinzip weiblicher Eigenart im tiefsten Sinne entsprechen.“

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Das Transportauto der damaligen Zeit

Die Idee einer weiblichen Polizei, wenn auch einer Hilfspolizei, war geboren und wurde im August 1923 schließlich auch umgesetzt. Die Beamtinnen wurden mit einer Uniform ausgestattet, die Autorität ausstrahlen sollte, wenn diese im Bahnhofsviertel unterwegs waren, wo sich Prostituierte, Obdachlose und „gewissenlose Elemente“ wie „Schlepper, Hoteldiener und aller der Kuppelei und verwandten Gewerben nahestehende Zimmervermieter tummelten. Für den Notfall erhielten sie eine Polizeipfeife, nicht jedoch eine Waffe wie ihre männlichen Kollegen. 

Auf der Domstraße 11 richtete die Frauen-Wohlfahrtspolizei im beschlagnahmten Hotel Rheinland ein Schutzheim ein, das die von ihr aufgegriffenen Mädchen und Frauen vor dem Gewahrsam der Sittenpolizei bewahren sollte. Dort blieben sie einige wenige Tage, um anschließend mit Transportern zur Gesundheitsuntersuchung, zu Gerichtsterminen oder zur konfessionellen Fürsorge gebracht zu werden.

Bereits zwei Jahre später, im Jahr 1925, fand das Kölner Experiment allerdings ein jähes Ende. Das Deutsche Reich weigerte sich, das Projekt nach dem Ende der Besatzung weiter zu finanzieren. Hinzu kam, dass sich Leiterin Josephine Erkens mit ihrer Kritik an der Sittenpolizei in Köln viele Feinde geschaffen hatte. Die Idee einer weiblichen Polizei aber überlebte, in den folgenden Jahren bildeten viele Länder Frauen als Kriminalpolizistinnen aus. Erkens ging zunächst zur Kripo nach Frankfurt, im Jahr 1927 wurde sie die Leiterin der weiblichen Kriminalpolizei in Hamburg.

Die Serie entstand in Zusammenarbeit mit dem Kölner Frauengeschichtsverein.

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