Köln – Es gibt Lokalitäten, in denen man den Blick besser nicht in die Höhe wandern lässt, weil dort allenfalls Nikotinschleier oder Spinnweben zu entdecken wären. Das ist im Feynsinn anders. Dort schaut man zu den aus Glasscherben bestehenden Leuchten, die von einem wolkenverhangenen Himmel herabhängen; einem Deckengemälde, das im Vergleich zur Naturvorlage ausgesprochen freundlich wirkt.
Draußen ist der Grauanteil erheblich höher. Aber wer hätte denn damit rechnen können, dass selbst in der zweiten Aprilwoche vom tatsächlichen Frühlingsanfang noch nichts zu spüren sein würde?
Eine tolle Infrastruktur
Sybille Schedwill betritt das Café mit einem Lächeln – trotz Regen und Kälte. Den Termin aufgrund der Begleitumstände zu verschieben, „auf die Idee bin ich gar nicht gekommen“. Würde es ihr nichts ausmachen, mit verfrorenem Gesicht und vom Wind zerzausten Haaren fotografiert zu werden? – „Doch!“ Natürlich wäre ihr das nicht so lieb. So ganz uneitel sei doch keiner, sagt die Schauspielerin, die ihr langes Haar bewusst grau belässt und nicht färbt. „Weil ich es auch gut finde mitzukriegen, wie man sich verändert.“
Aktuell ist sie in „Das Leben ist nichts für Feiglinge“ (Regie: André Erkau) im Kino zu sehen, einer Tragikomödie, in der ihr Kollege Wotan Wilke Möhring die Hauptrolle spielt. Darüber hinaus dreht Schedwill zurzeit hier. Für die ZDF-Produktion „Kückückskind“ schlägt sie sich als Lehrerin an einer Gesamtschule mit einer Horde türkischstämmiger Halbwüchsiger herum. Sie selber ist kinderlos und lebt allein. Ihre Wohnung in der Heinsbergstraße markiert die Mitte zwischen Rathenauplatz und Zülpicher Straße.
Ein Glas Wein im Innenhof
Als sie vor 18 Jahren ins Veedel zog, war der Kabarettist Thomas Freitag ihr Vermieter. Später änderten sich die Besitzverhältnisse, und als der neue Hausherr 2011 Eigenbedarf anmeldete, musste sie raus. Zufällig wurde da gerade drei Häuser weiter eine Wohnung frei. „Und ich konnte quasi mit dem Einkaufskarren umziehen.“ Nun habe sie eine Nachbarin, die ihren Innenhof wie ein Zimmer hergerichtet habe. Dort säßen sie manchmal abends – im Winter dick eingemummelt – bei einem Glas Wein.
Längst betrachtet Schedwill ihr Veedel als das für sie perfekte Terrain. „Ich bin sehr viel unterwegs, und das ist meine Homebase“, betont sie und spielt darauf an, dass sie neben ihrer Schauspielerei inzwischen auch als Dozentin tätig ist und zwischen Hannover beziehungsweise Essen und Köln pendelt. In einem Außenbezirk zu leben – weit entfernt vom Bahnhof – könne sie sich nicht vorstellen. Der Rathenauplatz sei zudem von der Bausubstanz besonders schön und biete eine tolle Infrastruktur. „Man kann praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit essen gehen.“
Fernsehen machte man nur wegen Geld
Bevor wir Schedwills Lieblingslokale heimsuchen, statten wir der Inhaberin des entzückenden Geschäfts „Tatora“ einen Besuch ab, einer Frau, die eigentlich Karin heißt, aufgrund ihrer Haarfarbe und ihres Mädchennamens Juhl jedoch von klein auf „fussich Julchen“ genannt wurde. „Sie macht das mit so viel Liebe hier“, sagt Schedwill und bezieht das nicht nur auf die Wohnaccessoires und den Schmuck, sondern auf die Herzenswärme, die von der lebenserfahrenen Frau ausgeht.
Ein paar Schritte weiter auf der Zülpicher Straße liegt eines ihrer Lieblingskinos, das Off Broadway, wo „fast alle wichtigen Filme laufen“, außer den Blockbustern, die sie eh selten reizen. Heute lacht sie, wenn sie daran denkt, was sie 1991 – damals ganz aufs Theater fokussiert – Regisseur Dieter Wedel entgegnete, als dieser sie nach ihrem Drehtag für „Der große Bellheim“ fragte, ob sie sich weitere Rollen vorstellen könne. Sie habe ein Engagement in Rudolstadt am Theater und sei dort „telefonisch nicht erreichbar!“ Fernsehen sei damals keine Option gewesen. „Das war etwas, das machte man wegen Geld.“
Köln entspannt
An diesem Nachmittag ist wenig los im Veedel, ein schöner Kontrast zum Fastelovend, wenn auf der Zülpicher Straße die Erde bebt. „Verheerend“, nennt es die Schauspielerin, die schon als Kind „nicht viel für Karneval übrig“ hatte. Schedwill kam in Heilbronn zur Welt, zog aber schon nach wenigen Lebensmonaten nach Oberfranken, wo die Großeltern mütterlicherseits lebten und ihr „eine tolle Kindheit“ bescherten. Krefeld, die Stadt ihrer Schulzeit, erscheint ihr rückblickend „dröge und ungastlich“, und Düsseldorf, ihre Wohn-Stadt während ihres Theaterengagements in Neuss, war ohnehin nur als Übergangslösung gedacht. Köln ist für sie die Stadt, „die mich entspannt und mir nicht viel Stress abverlangt“. Den Rathenauplatz mit seinen Boule-Spielern im Sommer und dem Biergarten empfindet sie als „angenehm lebendig“. Es sei nie so, dass man sich gestört fühle. Ihr gefalle auch die Nähe zur Synagoge, weil Gotteshäuser verschiedener Religionen für sie „was Spirituelles und Weltoffenes“ haben.
Unsere nächste Zwischenstation trägt den schönen Namen „Où j'ai grande“ (Wo ich aufwuchs) und ist ein kleines, außergewöhnliches Blumengeschäft, das Isabelle Niehsen seit Dezember 2011 betreibt. Anstelle von Blattgrün und konventionellen Füllmitteln entstehen hier Sträuße, in die sie vielfach Kräuter – etwa falschen Thymian, Rosmarin oder Salbei – einbindet.
Angebot mit Nacktszenen
Während wir auf Kölns einziges Restaurant für peruanische Spezialitäten zulaufen, erzählt Schedwill von ihrer Leidenschaft für gutes Essen. Wenn ihr danach ist, auch Austern. „Ja, ich bin da ganz bescheuert und gebe viel Geld dafür aus.“ Juan Oswaldo Urquizo begrüßt seinen Gast herzlich und erklärt die Besonderheit der peruanischen Küche: „Bei uns haben sich alle Kulturen harmonisch gemischt, wobei das Wetter möglicherweise geholfen hat.“ Schedwill isst hier gerne Cebiche – in Limettensaft marinierten Fisch.
Sie kocht auch selber begeistert, vor allem für Gäste. Dabei ist es ihr ein Anliegen, den Inhaber geführten Einzelhandel zu unterstützen; wozu auch Axel Gerhard mit seinem seit 1988 bestehenden Weinladen AOC zählt. Schedwill hat ein Faible für Grauburgunder, den sie in guter Qualität auch in ihrem „zweiten Wohnzimmer“bekommt.
Arbeit mit Film-Größen
Dieses liegt ebenfalls am Rathenauplatz und trägt seit 14 Jahren den Namen „Fischermanns“. Abgesehen von der Qualität der Speisen und dem „hervorragenden Service“ ist die Schauspielerin deshalb von diesem Lokal begeistert, weil hier ein ganz selbstverständlicher, ungekünstelter Umgang mit den Gästen gepflegt werde und man sich auch als Frau alleine nie blöd vorkäme. Außerdem könne es passieren, dass man dort Hollywoodstars wie US-Schauspieler Adrien Brody begegne.
Dass sie selber mit international bekannten Größen zusammengearbeitet hat (etwa mit Regisseur Tom Tykwer in „Krieger und Kaiserin“), erwähnt sie gar nicht oder nur am Rande. Im vergangenen Jahr kam auch eine Anfrage von Lars von Trier. Um in seinem Film über eine Nymphomanin mitzuwirken, hätte auch Sybille Schedwill die Hüllen fallenlassen müssen. Die Frage eines Nackt-Auftritts stellte sich schlussendlich jedoch schon deshalb nicht, weil sie in der Zeit ein Theater-Engagement in Hamburg hatte. „Wer weiß, wofür das gut war“, sagt sie rückblickend und lächelt wieder.
Gäbe es denn Dinge, die sie grundsätzlich ablehnen würde? – „Zähne ziehen!“, entgegnet sie sofort. Massive Eingriffe, wie sich „die Haare ganz kurz schneiden zu lassen oder extrem zu färben“, das müsste schon im Verhältnis stehen. „Für zwei, drei Drehtage macht man das bestimmt nicht.“