Museum Ludwig zeigt frühe WerkeKölner Fotograf Benjamin Katz wird 80 Jahre alt

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Benjamin Katz wird am Freitag 80 Jahre alt.

Benjamin Katz wird am Freitag 80 Jahre alt.

  • Der Kölner Fotograf Benjamin Katz hat Kunstgeschichte geschrieben mit seinen Bildern über die postnazistische Gesellschaft, aber auch seinen Künstlerkollegen wie Gerhard Richter und Georg Baselitz.
  • Zu seinem 80. Geburtstag zeigt das Museum Ludwig eine Schau seiner Werke.
  • Von der aktuellen Kunstszene hält der damals durch einen Zufall in Köln gelandete Fotograf nicht viel. Lieber digitalisiert er seine Sammlung: eine halbe Million Negative bislang.
  • Ein Porträt zum Geburtstag – und die wichtigsten Infos zur Ausstellung.

Köln – Es zeugt von einem besonderen Gespür, Chronist und Freund der Kunstwelt zu sein und zugleich selbst als Künstlerpersönlichkeit herauszuragen. Benjamin Katz zögerte nicht lange, als er zur Kamera griff und Künstler wie Georg Baselitz, Gerhard Richter, Cindy Sherman, Joseph Beuys und A.R. Penck fotografierte. Katz ahnte, sie würden Kunstgeschichte schreiben.

Und porträtierte Protagonisten einer Szene, mit denen ihn auch jahrzehntelange Freundschaften verbinden wie mit Baselitz oder Richter. Er erhielt intime Einblicke in ihre Ateliers, begleitete das Entstehen ihrer Werke und dokumentierte Großausstellungen wie die „Westkunst“ in Köln (1981) oder die „documenta 7“ in Kassel (1982).

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Die Bilder entstanden in den 60er Jahren in Berlin.

„Anstatt zu reden habe ich fotografiert. Das war meine Beschäftigung“, sagt der Fotograf, der 1939 in Antwerpen geboren wurde. Sein Vater kam 1941 im französischen Internierungslager Gurs um. 1972 schließlich landete Benjamin Katz per Zufall in Köln und blieb, um als Galerist zu arbeiten.

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Aus der Szene zurückgezogen

Als lebendiges Kunstzentrum sei Köln in den 70ern und 80ern in Europa tonangebend gewesen. „Es gab Köln und New York“, sagt Katz. „Die Sammlung Ludwig und Wolfgang Hahn waren sehr aktiv sowie die Galerieszene um Rudolf Zwirner. Der Katholik ist wahrscheinlich ein Kunstliebhaber“, sagt der Künstler, der sich von der Vergangenheitsform nicht zu lösen vermag. Von der aktuellen Kunstszene halte er nicht so viel. „Ich habe mich herausgezogen, gehe viel spazieren. Und ich digitalisiere lieber meine Arbeiten. Derzeit sind es eine halbe Million Negative. Etwa die Hälfte haben meine Frau und ich in drei Jahren bereits geschafft“. In seinem Archiv zu stöbern so wie in einem alten Tagebuch zu blättern und Besondere s herauszufischen – das bereitet ihm Freude.

Schattenspiele auf fast menschenleerer Straße – Aufnahme aus der Reihe „Berlin Havelhöhe“

Schattenspiele auf fast menschenleerer Straße – Aufnahme aus der Reihe „Berlin Havelhöhe“

Anlässlich seines 80. Geburtstages hat auch das Museum Ludwig Kostbares aus dem Archiv des Künstlers erworben, um es erstmals der Öffentlichkeit zu präsentieren: die Fotoreihe „Berlin Havelhöhe“.

Noch bevor Katz sich 1976 ganz der Fotografie verschrieb, hatte er 1960 während eines anderthalbjährigen Aufenthalts im Berliner Krankenhaus Havelhöhe seine Umgebung aufgenommen: Mit 21 Jahren an Tuberkulose erkrankt, war er als Patient dort und verewigte den Alltag – die Mitpatienten, das Personal und die Gebäude, die Joseph Goebbels 1936 für die nationalsozialistische Luftkriegsakademie hatte errichten lassen.

„Für mich war dieser Aufenthalt im Krankenhaus eine nötige Bremse in einem bislang unsoliden Leben: Die Kunstakademie, der Tod meiner Mutter, dann die Depression und die Nächte, die man mit Freunden feierte“, resümiert Katz seine Zeit als Kunststudent in Berlin. Das Frühwerk zeigt den Besuchern den Katz vor dem eigentlichen Katz – neben der Verarbeitung von Eindrücken verdichten die Bilder auch Zeitgeschichte einer postnazistischen Gesellschaft. „Ich habe die vom Gebäude abgeschlagenen Naziskulpturen fotografiert, die noch in einer Ecke rumlagen“. Es war die Zeit des Mauerbaus, aber über Politik habe man nicht viel geredet.

Der junge Künstler zückte die Kamera nicht bloß zu dokumentarischen Zwecken. Die modernistische Fotografie spielte für ihn eine große Rolle. In diesen frühen Bildern drückt sich ein künstlerisches Bewusstsein für abstrakte Kompositionen und atmosphärische Situationen aus: „Eine Aufnahme zeigt zum Beispiel zwei über Eck stehende Gebäude mit ihren Schlagschatten. Nur ein Mann steht auf der sonst menschenleeren Straße. Sie erinnert mich an Giorgio de Chirico“. Ein anderes Bild eines jungen Mannes auf einer Treppe, den Katz von oben aufnahm, nimmt bewusst Bezug auf den russischen Künstler Alexander Rodtschenko. Für Benjamin Katz steht die Fotografie der Malerei in nichts nach. „Sie sind für mich gleichwertig. Bis das alle begriffen haben, vergehen vielleicht noch 100 Jahre“.

Die Ausstellung

Das Museum Ludwig zeigt die Ausstellung „Benjamin Katz. Berlin Havelhöhe, 1960/1961“ anlässlich des 80. Geburtstags des Künstlers am 14. Juni. Präsentiert wird die gesamte Serie mit Schwarz-Weiß-Fotografien in Form von 41 Motiven in unterschiedlichen Größen sowie 318 Vintageprints. Ergänzend zeigt das Museum bekannte Künstlerporträts von Katz, die er während seiner Atelierbesuche seit den 1980er Jahren aufnahm. Die Ausstellung ist bis 22. September zu sehen. Der Katalog erscheint im Hirmer-Verlag (160 Seiten, 73 Abbildungen, deutsch und englisch, 22 Euro).

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