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Premiere der „Stunksitzung“Hatice lädt zum „Döner for one“

Lesezeit 5 Minuten

Martina Klinke und Ozan Akhan haben ein „Döner for one“ im Keupstraßen-Imbiss.

Köln – Vermutlich ahnt der ehemalige Kölner Oberhirte Kardinal Joachim Meisner nicht einmal, welch große Lücke er im Kabarett hinterlassen hat. Bei der Premiere der Stunksitzung am Donnerstagabend im E-Werk wurde es jedoch überdeutlich: Wo sich früher die Stunker mit schöner Zuverlässigkeit und drastischer Satire am Kardinal abarbeiteten, wo der WDR nicht davor zurückschreckte, derbe Sprüche mit einem „Piep“ zu kaschieren, ging es diesmal geradezu altersmilde zu.

Da Stunk ohne Kölner Klerus nur eine halbe Sache ist, nahm sich die Hausband Köbes Underground eben des bislang nicht wirklich negativ aufgefallenen Meisner-Nachfolgers Rainer Maria Woelki an, und Frontmann Ecki Pieper sang schon beinahe versöhnlich zu Reinhard Meys Klassiker „Über den Wolken“: „Über den Woelki kann man bisher nichts Schlechtes erzähl’n.“ Damit aber dieser Song nicht sorgenfrei auf dem nächsten Kirchentag gesungen werden kann, gab es dann doch noch einen ansatzweise kritischen Schluss-Vers: „Aber egal, was er sonst noch so kann – Woelki bleibt Kirchenmann.“

Dabei hatte es in der „Helene-Fischer- und Pegida-freien Zone“, so Sitzungspräsidentin Biggi Wanninger, durchaus knackig-aktuell begonnen: mit Flüchtlingen. „Schön, dass ihr da seid – aber…“ hieß die Begrüßungsfloskel in Hamburg, Berlin, München, Appelhülsen – und eben auch in Köln, wo das „Aber“ frei nach den Fööss so weiterging: „Dat schönste wat mer han es unser Gewerbegebiet… im Baumarkt schön weit weg von unsrem Veedel“.

Alles zum Thema Rainer Maria Woelki

In der Köln-Abteilung, Unter-Abteilung Karneval, wurde die Entstehung des Fasteleers kurzerhand in die Zeit der Römer verlegt, ganz authentisch in allerdings nicht ganz oberstufen-tauglichem Latein. Die Raketen wurden angezählt „Commando unum, duum, tres“, Bühnenstars, die „Stellas fastelorum“, so angekündigt: „Hic sunt galli“, also „Hier sin de Höhner“. Ehrengäste durften auch im alten Rom auf Sitzungen nicht fehlen: „Morituri te salutant“ wurde da frei übersetzt mit „Die Langweiler sind auch da – mit anderen Worten: Jürgen Roters ist da.“ Dass Bernardus Steltus den Löwen zum Fraß vorgeworfen wurde, sei nur am Rande vermerkt.

Bleiben wir in Köln. Im Festival „Phil.Cologne“, ausgetragen in der Kaffeebud, kamen die wahren köln-philosophischen Fragen auf den Tisch. „Warum läuft die Nase und die Füße riechen?“ Oder „Warum jeit et Trömmelche – et weed doch jetrage?“ Dazu passte dann die alltags-philosophische Anmerkung von Frau Präsidentin zum 100. Jahrestag der BH-Erfindung: „Mein Busen hängt nicht – er chillt!“

„Krawallmöhne“ im Burka-Outfit

Aber Köln ist entgegen weit verbreiteter Meinung eben doch nicht alles. Und so darf Verteidigungs-Uschi von der Leyen die Rolle Deutschlands in der Nato mit der Bereitstellung Tausender Bobby-Cars im Blumen-Design stärken. Und im Himmel über Köln feiert der Internationale TV-Frühschoppen mit Werner Höfer pfiffig-fröhliche Urständ. Als Gäste sind Gott, Allah und Peter Scholl-Latour dabei. Und Loki Schmidt, die als Frau nur mitmachen darf, weil sie wie ein Schlot paffen kann. Hart an der Grenze zum Platten dagegen „die löstige moslemische Krawallmöhne“ im Burka-Outfit, die uns ihre Frauensicht erklären: „Was ist ein Salafist zwischen zwei Frauen? Eine Bildungslücke“ oder „Seit es Tretminen gibt, haben wir kein Problem mehr damit, fünf Meter hinter den Männern herzulaufen.“

Zurück in die Südstadt. Ein tolles Solo lieferte Bruno Schmitz als genervter Lehrer ab. Er haute den Eltern ihren „genetischen Sondermüll“ um die Ohren, raunzte die Mutter von Charlotte-Sophie an „Dein Kind braucht beim Purzelbaum keinen Helm“ und entlarvte, wer sich wegen seiner Periode vor dem Turnen drücken will: „Jetzt mal unter uns, Malte – du bist ein Junge!“ Und noch ein schönes Solo, diesmal von Biggi Wanninger als „Stivvels Jupp“, seines Zeichens Think Tank des Karnevals, der statt Kölle alaaf ein „Kölle am Arsch“ einführen will und an allem in der Stadt etwas zu bekritteln hat. Sein Fazit: „Aus einem Pisspott kann man einfach kein Mokkatässchen machen.“ Etwas arg kitschig hingegen die Geschichte vom kölschen Jung Stief, der Jobs sucht, auf ein Tablett einen angebissenen Apfel klebt und fortan eine „Wischen“, also eine Vision, hat. Da fliegen zum Schluss die Herzen auf dem iPad, und die kölsche Cloud heißt – Woelki.

Einer der Höhepunkt in diesem Jahr ist die Vermarktung der Parteien im Fußball-Format. Da lassen sich Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn über Ursula von der Leyen „in der zentralen Verteidigung“ aus, fragen sich, ob eine Taktik mit „Doppel-Mutti“ die bessere sein kann, und unverkennbar als Live-Reporterin Sabine Töpperwien lässt sich Anne Rixmann über „Altmeier, die hängende Doppelspitze“ aus. Und noch ein optisches Highlight: Rixmann als Plastiktüten-Meerjungfrau.

Über Köbes Underground muss man nicht viele Worte machen: Die Band glänzt auch diesmal wieder mit vielen Ideen, etwa dem Song über schwule Spielermänner, die eigentlich die besseren Spielerfrauen sind. Prima auch die Belafonte-Adaption von „Mathilda“, die hier „Nacktbilder“ heißt und die Flut von privaten Fotos im Internet aufs Korn nimmt. Und ganz toll: Die Percussion-Orgie der Flaschensammler.

Der Mann für alle Fälle - und brodelnde Stimmung

Tja, und dann ist da noch Ozan Akhan. Er ist mittlerweile der Mann für alle Fälle, Garant für brodelnde Stimmung und sehnsüchtig-glänzende Frauenaugen. Als türkischer Schützenkönig mit Bauchtanz-Schimmi klettert er auf die Biertische im E-Werk, legt ein Luftschlagzeug-Solo hin – und brilliert gemeinsam mit Martina Klinke in „Döner for one“. Man kennt die Handlung: Tante Hatice hat zum Geburtstag geladen, die Gäste können nicht kommen, und Murat, Inhaber des Imbisses in der Keupstraße, übernimmt deren Rollen. Er stolpert über ein Schaf, kippt etliche Raki – und das Chaos nimmt seinen Lauf. Herrlich, wie Ozan Akhan mit immenser Spielfreude glänzt und das Publikum zum Toben bringt.

Und das Fazit von vier Stunden Stunk? Kein Skandal und keine Nummer, über die man noch in zehn Jahren sprechen wird. Aber abwechslungsreiche Unterhaltung mit Pfiff, die die kölsche Welt und das kleine Bisschen drumherum auf die Schippe nimmt. Der Wermutstropen: Alle Sitzungen bis Karnevalsdienstag sind ausverkauft. Tickets gibt es eventuell noch online über die Kartenbörse.