Prozess um „Bubble Lounge“-SchüsseViele Rocker ohne Führerschein

Lesezeit 3 Minuten
Ein Mann hat mit einer Pumpgun mehrere Schüsse auf die Fenster eines Lokals am Hildeboldplatz abgegeben.

Ein Mann hat mit einer Pumpgun mehrere Schüsse auf die Fenster eines Lokals am Hildeboldplatz abgegeben.

Köln – Die Hinweise verdichten sich immer mehr, dass die beinah tödlichen Schüsse auf die Bar „Bubble Lounge“ in der Innenstadt ein Racheakt der Hells Angels waren. „In der Rockerszene sind Schüsse auf ein Vereinslokal szenetypisch“, sagte Kriminalhauptkommissar Udo Greven (53) im Zeugenstand vor Gericht. Er muss es wissen. Seit mehr als zehn Jahren ist Greven bei der Kölner Polizei Rockerbeauftragter und intensiver Beobachter der Szene. Im Prozess um die Schüsse auf die Kölner Bar gab er am Dienstag sein Insiderwissen zu Protokoll.

Jeder in der Szene weiß, wer das war, aber es wird uns nie einer was erzählen

Dass es in der Rockerszene bei weitem nicht mehr um Motorrad fahren, Treffen am Lagerfeuer und gesellige Bierabende geht, sondern um Geschäfte im Drogen-, Rotlicht- und Türstehermilieu, um Netzwerke und Kontakte knüpfen, daran ließ Greven keinen Zweifel: „Die meisten der Mitglieder haben ja gar keinen Führerschein.“

Alles zum Thema Polizei Köln

Köln sei seit Jahren in Hells Angels Hand, obwohl die Gruppierung im Mai vergangenen Jahres verboten wurde. „Wenn sich da kleinere Vereine an den Kölner Ringen etablieren wollen, um auch etwas vom Kuchen abzubekommen, dann geht das gar nicht“, erinnerte der Polizist an die Vorgeschichte des Tatgeschehens.

Eine Zecke am Pelz

Barchef Azimi, dem offensichtlich die Schüsse im November vergangenen Jahres galten, hatte sich mit den Hells Angels überworfen, da er mit der von ihm gegründeten Rockergruppierung „MC Median Empire“ eigene Geschäfte machen wollte. Obwohl sein Gefolge aus gerade mal zehn, zwölf Mann bestanden habe, galt Azimi für die Hells Angels als „eine Zecke im Pelz“, den etablierten Rockern drohte ein „Gesichtsverlust“.

Die Schüsse seien ein ebenso „gängiges Drohmittel wie Handgranaten werfen oder andere Straftaten begehen, ohne Rücksicht auf Personenschaden, den nimmt man selbstverständlich in kauf“, schilderte Greven die allseits bekannte Konsequenz der rivalisierenden Rockergruppe.

Greven erläuterte auch, warum die Beweisführung in dem Kölner Prozess so schwierig ist: „Jeder in der Szene weiß, wer das war, aber es wird uns nie einer was erzählen.“ Grundsätzlich gelte bei den Rockern zum Thema Aussageverhalten die Regel: „Absolutes Redeverbot, sowohl bei Polizei wie bei Gericht.“

Die zeitliche Übereinstimmung zwischen den Schüssen und dem Wechsel von einigen Mitgliedern des „Median Empire“ zu den Hells Angels spreche ebenfalls eine eindeutige Sprache. Noch in der selben Nacht, in der Barchef Azimi von einem Bandido-Mitglied erfuhr, dass dieser und mit ihm weitere Rocker die Fronten wechseln würden, war auf Azimi mit einer Pumpgun geschossen worden. „Das war nicht überraschend, sondern folgerichtig“, kommentierte Greven den Zusammenhang. Offensichtlich habe sich Azimi geweigert, die Seiten zu wechseln und habe dies dann zu spüren bekommen.

Der wegen versuchten Mordes angeklagte Olaf P. (38) hatte die Schüsse zwar zugegeben, eine Tötungsabsicht allerdings immer vehement bestritten. Auch will er nicht im Auftrag der heimischen Rocker, sondern auf Anweisung russischer Zigarettenschmuggler gehandelt haben. Eine Auswertung seiner Handydaten hatte keinerlei Kontakte zur Rockerszene bestätigt. Der Prozess soll am 10. Oktober fortgesetzt werden.

KStA abonnieren