„Schalke 05“ und „Morgenurin Mittelstrahl“Kölner Journalistin Carmen Thomas wird 75

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In einem Yoga-Studio: die Journalistin Carmen ThomasFoto: dpa/Oliver Berg

In einem Yoga-Studio: die Journalistin Carmen ThomasFoto: dpa/Oliver Berg

Köln – Es gibt zwei Zitate, mit denen die Journalistin Carmen Thomas für viele immer im Gedächtnis bleiben wird: „Schalke 05“ und „Morgenurin Mittelstrahl“. Das erste war ein Versprecher 1973 im „Aktuellen Sportstudio“ – sie moderierte als erste Frau im Deutschen Fernsehen eine Sportsendung, und das fast zwei Jahre lang trotz permanenter Anfeindungen vor allem der Boulevardzeitungen. Das zweite bezieht sich auf ihr Buch „Ein ganz besonderer Saft – Urin“ (1993), das erfolgreichste ihrer 15 Bücher, in dem es unter anderem um das Thema Eigenurinbehandlung geht.

Dabei ist die große Lebensleistung der in Düsseldorf geborenen und im Kölner Westen lebenden Journalistin die WDR-Radiosendung „Hallo Ü-Wagen“, die sie 1974 übernahm und 20 Jahre behielt. Thomas brachte ganz normale Hörer und Hörerinnen mit Politikern und Experten zusammen, und zwar nicht in der damals üblichen Manier von „Bürger fragen - Politiker antworten“, sondern eher nach dem Motto: „Jetzt reden wir Tacheles!“ Das war neu. Und hat sie, zumindest im Sendegebiet des WDR, zu einer wirklichen Kultfigur und zu einem Vorbild vor allem für Frauen gemacht.

Carmen Thomas sorgt sich um Langzeitfolgen von Corona

Ihren Fans sei gesagt: Carmen Thomas geht es gut. Allerdings macht sie sich im Augenblick große Sorgen über die Langzeitfolgen von Corona. „Ich befürchte, dass das unser aller Leben ganz nachhaltig und dauerhaft verändern wird“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur in Köln. „Und zwar auf eine Weise, die ich ganz problematisch finde.“ Carmen Thomas sieht es so: Menschen brauchen Nähe, Berührung, Kontakt, aber all das ist nun schon so lange reduziert. Für ein Kind im Kindergartenalter dürfte es inzwischen ganz normal sein, dass die Leute auf der Straße Masken tragen und man darauf bedacht ist, niemandem zu nahe zu kommen. Das Kind kann sich an nichts anderes erinnern. „Dass die ganz Kleinen das jetzt als Normalität kennenlernen, halte ich für schrecklich.“

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Wenn sich Menschen für nun schon mehr als ein Jahr systematisch aus dem Weg gehen, kann das nicht ohne Folgen bleiben, ist ihre Überzeugung. „Diese - jetzt berechtigte - Angst, dieses Misstrauen, dass Menschen einen Bogen umeinander machen, dass sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr zusammenstehen und dass die Masken dazu führen, dass ich die Gesichter der Menschen nicht mehr lesen kann, das hat ganz furchtbare Folgen.“ Sie befürchtet bei vielen eine über die Pandemie hinaus andauernde innere Verunsicherung. „Physischer Abstand schafft auch Distanz im Herzen. Und dann fühlt man sich nicht mehr zuständig für andere.“

Schon zeichnet sich ab, dass viele Unternehmen weiterhin bei Video-Konferenzen bleiben wollen. Praktisch und billig, so die vorherrschende Meinung. Carmen Thomas sieht es anders: „90 Prozent der Kommunikation läuft über unbewusste Stränge.“ Nuancen im Gesicht, Körperhaltung - solche Dinge. Das aber bekomme man in Videoschalten nur bedingt mit. Die Folge von all dem: Die Gesellschaft bleibt dauerhaft auf Distanz - auch wenn die Pandemie hoffentlich bald mal überstanden ist. „Ich glaube, dass sich ganz viele Menschen, die sowieso schon Angst vor Fremdem und Unbekanntem haben, auch weiterhin mit Masken schützen werden.“

Pandemie birgt auch Vorzüge

Neben diesen großen Nachteilen kann sich auch einige Vorzüge erkennen. „Die Nachbarschaften wachsen mehr zusammen und nehmen sich ernster“, ist ihr aufgefallen. „Wir wissen die Natur mehr zu schätzen, zum ersten Mal sehen wir, was da Wunderbares wächst. Und wir merken, wie schön es ist, ins Kino zu gehen und essen zu gehen, und was wegbricht, wenn die ganzen sozialen Kontakte beendet sind. Erst durch das Fehlen wird die Wertschätzung gesteigert.“

Carmen Thomas, die an diesem Freitag 75 Jahre alt wird, hält es bis heute so, dass sie die Zahl ihrer Geburtstagsgäste vom Alter abhängig macht. „Wie beim Kindergeburtstag.“ Was Corona verhindert. Kleiner Trost: Freunde haben ihr ein virtuelles Podium zu ihrem Lieblingsthema „Vom Publikum lernen 5.0“ geschenkt. Mit dabei neben der moderierenden Jubilarin u.a. Valerie Weber (WDR-Programmdirektorin), Eckart von Hirschhausen, Rita Süssmuth (Bundestagspräsidentin a. D.) und Janus Fröhlich, (Höhner emeritus). (stef, dpa)

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