Schlagerparty in KölnAlles, was zu dumm ist, um gesagt zu werden, wird gesungen

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Florian Silbereisen

Florian Silbereisen

  • Florian Silbereisen feiert mit Gästen eine Schlagerparty in der Lanxess-Arena in Köln.
  • Es ist ein Abend voller dünner Stimmen und Halbplaybacks. Mit zu vielen Medleys, zu viele Wiederholungen.

Köln – Klassische Musikinstrumente fristen mitunter ein einsames Dasein, und die Schlagerwelt ist eine musikalische Wüste der besonderen Art: Die einzige instrumentale Erscheinung an diesem Abend ist eine Akustik-Gitarre, die Schlagersänger Florian Silbereisen bei der Herzschmerz-Ballade „Waun I Daun Ala Bin“ („Wenn ich dann allein bin“) anstimmt.

Ob sich auch eine Gitarre verlassen fühlt, wenn sogar das gezupfte Solo schon fertig vom Band kommt, bleibt am Ende offen. Sicher ist dagegen, dass sich die Lanxess-Arena am Samstagabend in einen Partytempel verwandelt: Die 9000 Besucher des Schlagerfestes singen emphatisch, die fehlende musikalische Virtuosität wird durch die Intensität des kollektiven Beisammenseins ausgeglichen. Liegt darin nicht das Geheimnis der Volksmusik?

Publikum springt von den Stühlen

Gleich zu Beginn fährt TV-Moderator Silbereisen mit einem Medley auf, der „Kracher“ wie „Wahnsinn“, „1000 Mal berührt“ und „Verdammt ich lieb’ dich“ enthält. Da springt das Publikum im Nu von den Stühlen, die Texte werden ohnehin eingeblendet. Sicher ist sicher.

Mit dem „großen Schlagerfest“ tourt Silbereisen durch Deutschland: Mit dabei sind seine Band Klubbb3, Eloy de Jong, Voxxclub, Michelle und Matthias Reim sowie die jungen Sternchen Julia Lindholm und Linda Fäh. Dazu heizen die Jungs der Tanzgruppe „DDC Breakdancer“ den Saal ein. Auch die Burschen von Voxxclub erobern das kölsche Herz mit ihrem Cover von „Leev Marie“ und bescheren dem Publikum eine Kerneinsicht des Abends: Lederhosen und Fußballtrikot schließen sich nicht aus.

Die dreistündige Show wirkt mit bunter Lichtshow, Pyrotechnik und wechselnden Kostümen teilweise überfrachtet. Silbereisen schlüpft in fünf oder sechs verschiedene Outfits – vom Cowboy bis hin zum Bademantel – und sämtliche Requisiten sollen von dünnen Stimmen und dem Halbplayback ablenken. Es rollen bunte Riesenballons über die Bühne und mehrfach ergießt sich ein Glitzerregen über den Köpfen der ersten Reihen.

Ausflüge in die Welt der Musicals und des Abba-Werks sollen die Show noch aufpeppen, doch der Verdacht der Einfallslosigkeit erhärtet sich weiter: Zu viele Medleys mit den immer gleichen Hits werden gespielt. „Mit 66 Jahren“ allein tönt gleich drei Mal durch die Boxen. Immerhin singt Matthias Reim am Ende „Verdammt ich lieb Dich“ noch selbst.

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Für die einen ist der Schlager Inbegriff der guten Laune auf Mallorca oder großer Gefühle im Heimatverein. Oder überhaupt großer Gefühle, wenn man kitschigen Zeilen wie „Wer Liebe lebt, wird unsterblich sein“ Glauben schenken will. Den anderen mag dabei ein Zitat von Voltaire dazu einfallen: Alles, was zu dumm ist, um gesagt zu werden, wird – gesungen.

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