Studie zu den VeedelnDie Vielfalt Kölns ist gefährdet – auch wegen steigender Mieten

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Das Birlikte-Festival in Mülheim 2016 sollte die Veedel und unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen. 

  • Wie steht es um die soziale Mischung in den Kölner Veedeln? Mit dieser Fragen hat sich die Kölner Studentin Caroline Guckes in ihrer sozialwissenschaftlichen Bachelor-Arbeit befasst.
  • Menschen aus 140 Nationen leben in Köln, fast 40 Prozent der Kölner sind Migranten.
  • Der Zusammenhalt ist allerdings zunehmend gefährdet. Die Ergebnisse der Studie im Überblick.

Köln – Das Ziel einer bunt gemischten Stadt, wo verschiedene Bevölkerungsgruppen friedlich zusammen leben, ist das Ideal von Stadtplanung in der ganzen Welt. In Köln macht man gerne kölsche Lieder übers Veedel, in dem alle zusammen halten – auch wenn die Wirklichkeit schon mal anders aussieht. Wenn sich Sozialwissenschaftler dieser Wirklichkeit annehmen, sprechen sie von „Segregation“. Der Begriff beschreibt die ungleiche Verteilung der Wohnbevölkerung in den Vierteln einer Stadt. Es geht dabei um Unterschiede beim Einkommen, aber auch um die Frage, in welchem Maße Menschen unterschiedlicher Herkunft in einer gemeinsamen Nachbarschaft leben. Aktuelle Zahlen der Stadt und eine sozialwissenschaftliche Bachelorarbeit an der Universität zu Köln geben Aufschluss über die Lage in Köln: Obwohl die Zahl der Kölner mit einer internationalen Geschichte – also Ausländer, Deutsche mit Migrationshintergrund oder Flüchtlinge, deren Status ungeklärt ist – insgesamt weiter steigt, nimmt die Segregation nicht zu. Dass sich Stadtviertel teils deutlich bei der Zusammensetzung ihrer Bevölkerung unterscheiden, gebe es in jeder Stadt, sagt die Sozialwissenschaftlerin Caroline Guckes. Doch der Grad der Segregation sei in Köln „im internationalen Vergleich eher niedrig“.

Für ihre Bachelor-Arbeit an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät hat sie das Datenmaterial der Stadt ausgewertet. Es gebe viele gemischte Viertel in der Stadt, aber auch Quartiere, die weit vom Ideal der bunten Mischung entfernt sind.

Wichtig zu wissen: Die Wissenschaft macht in dieser Frage keinen Unterschied zwischen Deutschen und Menschen mit familiären Wurzeln im Ausland. „Ethnische Segregation haben wir ganz häufig, aber nur dann, wenn sich Deutsche ohne Migrationshintergrund in einem Stadtteil konzentrieren“, sagt der Soziologe Aladin El-Mafaalani, der sich für die Landesregierung um die Koordination der Integrationspolitik kümmert. In Köln sind das Viertel wie der Hahnwald, Porz-Libur, Sülz oder Weiß, wo der Anteil von Einwohnern mit familiären Wurzeln im Ausland nur knapp über 20 Prozent liegt.

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Caroline Guckes

Caroline Guckes

In einigen anderen Vierteln ist es umgekehrt – doch das ist aus Sicht der Wissenschaftler erst einmal kein Grund zur Beunruhigung, weil keine einzelne Migrantengruppe dominiert. Sie seien keine Einheit. Und selbst dort, wo viele Türkeistämmige wohnen, herrscht Vielfalt, weil auch diese Gruppe alles andere als homogen sei. Die Türkei ist faktisch ein Vielvölkerstaat. El-Mafaalani diagnostiziert „Superdiversität“. „Das ist das Gegenteil von Segregation.“ So leben in der südlichen Altstadt, der Südstadt oder in Ehrenfeld Ausländer aus 130 Nationen. In Mülheim sind es sogar 140.

Carolin Guckes hat für ihre Arbeit die großen Einwanderer-Gruppen genauer unter die Lupe genommen und für jede den Grad der Segregation ausgerechnet. Durch den Vergleich der Zahlen von 2012 und 2017 kann sie auch Entwicklungen beschreiben. Am geringsten ist die räumliche Distanz zwischen Deutschen und Griechen. Bei Italienern, Portugiesen und Polen ist der Wert etwas schlechter. Ein deutlicher Unterschied lässt sich bei den türkeistämmigen Kölnern feststellen. Hier ist die räumliche Distanz zu Deutschstämmigen, aber auch zu den anderen ethnischen Gruppen – vor allem zu den Griechen – viel größer. Hier klappt es mit der sozialen Mischung nicht so gut: Während der Grad der Segregation bei fast allen Gruppen kleiner wird, nimmt er bei Türkeistämmigen sogar zu.

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Nach Einschätzung des Soziologen Jürgen Friedrichs, der Guckes Arbeit betreut hat, taugen solche Messwerte durchaus, um Rückschlüsse auf den Grad der Integration einer einzelnen Bevölkerungsgruppe zu ziehen – allerdings „mit Vorbehalten“, wie er sagt. Guckes weist auf diese Vorbehalte ausdrücklich hin. Es ist vor allem der Wohnungsmangel in Köln, der die von den Stadtplanern erwünschten Entwicklungen hin zu einer guten Mischung bremst oder sogar ganz verhindert.

Natürlich spiele es eine Rolle, dass zahlreiche Migranten gern dort wohnen, wo auch viele andere mit gleicher Herkunft leben, so Guckes. Dort gibt es eine Infrastruktur mit Geschäften, Dienstleistern oder auch religiösen Angeboten, die das Leben leichter machen. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt und die hohen Mietpreise in vielen Vierteln würden jedoch all denen, die gern woanders leben wollen, den Umzug deutlich erschweren. So verstärkt sich eine Verbindung, die es immer gab: „Soziale und ethnische Segregation hängen zusammen. In Stadtteilen mit vielen Arbeitslosen, Alleinerziehenden und armen Menschen leben auch viele Migranten und Ausländer“, so Guckes, die auch die Mietpreisentwicklung in Köln analysiert hat. Und bei denen, die sich einen Umzug in ein sozial besser gestelltes Viertel vielleicht leisten, komme eine weitere Hürde hinzu: Weil der Druck auf dem Wohnungsmarkt so stark ist, haben Vermieter eine große Auswahl, bei der die Chancen von Menschen mit ausländischen Namen häufig geringer sein dürften als von Bewerbern mit deutschen Namen, so Guckes. Segregation werde auch durch alltägliche Diskriminierung verstärkt.

Fast 40 Prozent der Kölner sind Migranten

Ende 2017 lebten in Köln 209 520 Ausländer und  205 269 Migranten mit einem deutschen Pass.  Mit dem Begriff  „Migranten“  werden Eingebürgerte, Aussiedler und in Deutschland geborene Kinder von aus dem Ausland zugewanderten Eltern  zusammengefasst.

Rechnet man alle  mit einem sogenannten „Migrationshintergrund“ zusammen, kommt man auf eine Zahl von 414 789 Kölner. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 38,2 Prozent. Bei den Unter-18-Jährigen lag der Anteil bereits bei 53,8 Prozent. Die Enkelgeneration der Gastarbeiter der ersten Stunde wird bei diesen Berechnungen  nicht mehr mitgezählt. Wenn ihre Eltern in Deutschland geboren sind und die deutsche Staatsbürgerschaft haben, tauchen sie in der Statistik nicht mehr als Migranten auf. 

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