Tötungsdelikt am EbertplatzGastronom des „African Drum“ wirft Reul Rassismus vor

Lesezeit 5 Minuten
TodesfallEbertplatz

Nach dem tödlichen Streit auf dem Ebertplatz ist am Montag eine 25-jähriger Mann aus Somalia der Tat verdächtig. 

  • Auf die tödliche Messer-Attacke am Ebertplatz gibt es viele Reaktionen aus der Politik, von der Polizei, aber auch von Kriminologen. Wir haben die wichtigsten Statements hier zusammengefasst.
  • Der Wirt des Restaurants „African Drum”, Samuel Obode, ist verärgert über Innenminister Herbert Reul, der öffentlich erklärt hat, das Restaurant sei ein Anziehungspunkt für die Dealer.
  • Was sagen die Künstler am Ebertplatz, die den Platz mit Ausstellungen und Veranstaltungen belebt haben?

Köln – Nach der tödlichen Auseinandersetzung auf dem Ebertplatz haben Staatsanwaltschaft und Polizei am Montagabend einen 25 Jahre alten Mann aus Somalia dem Haftrichter vorgeführt. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Das sagt die Polizei

Dem tatverdächtigen Afrikaner wird Totschlag vorgeworfen. Er soll einen gleichaltrigen Landsmann in der Nacht zum Sonntag im Streit um Marihuana mit einem Stich in den Hals getötet zu haben.

Laut „Express“ handelt es sich bei der Waffe um eine abgebrochene Flasche. Worum es bei dem Drogengeschäft genau ging, stehe noch nicht fest, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.

Alles zum Thema Herbert Reul

Neun weitere Männer, die die Polizei kurz nach der Tat im Umfeld des Ebertplatzes vorläufig festgenommen hatte, sind dagegen wieder frei. Sie waren nicht an der direkten Tat beteiligt, heißt es.

Der Streit habe sich vielmehr zwischen dem späteren Opfer, das in Linnich bei Düren gemeldet war, dem Tatverdächtigen aus Paderborn sowie zwei weiteren jungen Männern entwickelt. Er sei mehrfach in der Nacht wieder aufgeflammt, bis er schließlich gegen 4.45 Uhr in einer Tragödie endete.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ soll der mutmaßliche Täter zwar nicht wegen Drogenstraftaten polizeibekannt gewesen sein, wohl aber wegen Körperverletzung und Widerstands gegen Polizisten. Deswegen soll er auch vor Gericht gestanden haben. Der 25-Jährige sei jeweils zu Geldstrafen verurteilt worden.

Das sagen die Anlieger

Samuel Obode betreibt das Restaurant „African Drum“ in der Passage am Ebertplatz seit 13 Jahren. NRW-Innenminister Herbert Reul hatte am Sonntag gesagt, dass man aus seiner Sicht überlegen müsse, ob der Weiterbetrieb der Kneipe auf der unteren Ebene, die ein Anziehungspunkt für eine bestimmte Klientel zu sein scheine, wirklich klug sei.

Obode zeigte sich entsetzt über diese Aussage. „Die Dealer dürfen mein Restaurant nicht einmal betreten und machen mir Probleme“, sagte er. „Das ist Rassismus und geschäftsschädigend, wenn der Minister behauptet, ich hätte etwas mit Dealern zu tun“, so Obode.

Samuel_Obode

Samuel Obode, Wirt im „African Drum“ am Ebertplatz, ist verärgert über Äußerungen des Innenministers Herbert Reul. 

Der einzige Zusammenhang bestehe darin, dass die Dealer und er eine schwarze Hautfarbe hätten und aus Afrika stammten. „Ich würde gerne mit dem Minister reden, damit ich weiß, warum er so etwas sagt“, so Obode.

Aus seiner Sicht sei die Polizei zu selten auf dem Ebertplatz unterwegs. Die Gruppe der Dealer bestehe aus etwa 20 jungen Afrikanern. Es handele sich nicht immer um dieselben Personen – es kämen öfters neue hinzu.

Michael Nowottny vom Kunstraum Labor am Ebertplatz nimmt das Restaurant „African Drum“ in Schutz. „Der Inhaber geht selbst gegen die Drogendealer vor. Andere Behauptungen sind existenzgefährdend für ihn“, sagte er.

Die Künstler hätten in den vergangenen Wochen bereits Veränderungen in der Dealerszene festgestellt. „Es kamen viele neue Gesichter hinzu, und im Gegensatz zu vorher haben auch einige Afrikaner auf dem Platz übernachtet“, so Nowottny.

Er halte das Konzept, den Ebertplatz zu beleben, weiterhin für den richtigen Weg. „Wir sind sauer, dass es der Polizei nicht möglich ist, so etwas wie diese Tat zu verhindern“, sagte Nowottny. In den kommenden Wochen würden diejenigen, die sich am Ebertplatz engagieren, ihre Arbeit fortsetzen.

Das sagt die Oberbürgermeisterin

„Die Tat stimmt uns alle traurig und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen des Opfers“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker am Montag. Der Ebertplatz habe dank des bürgerschaftlichen Engagements und aufgrund der tatkräftigen Unterstützung der Stadt eine allgemein anerkannte positive Entwicklung in den vergangenen Monaten genommen.

„Umso tragischer ist eine solch furchtbare Tat“, so Reker. Es gehe jetzt darum, innezuhalten und mit Überzeugung die Bemühungen um die Weiterentwicklung des Platzes intensivieren und auch den geplanten Umbau weiter vorantreiben.

„Auch wenn es in solchen Stunden schwer fällt, den Blick auf das Erreichte zu richten – wir dürfen nicht nachlassen, weiter an diesem für Köln so wichtigen Platz zu arbeiten“, so Reker.

Das sagt die Kölner Politik

„Diese schreckliche Tat hat gezeigt, dass wir unsere Bemühungen um den Ebertplatz uneingeschränkt fortsetzen müssen“, sagte Ralph Elster, stellvertretender Fraktionschef der CDU. Die bürgerschaftliche und künstlerische Belebung des Platzes im Zusammenspiel mit erhöhten Sicherheitsvorkehrungen sei der richtige Weg. „Gleichzeitig begrüßen wir, die geplante Einrichtung einer Videoüberwachung“,so Elster. Diese müsse aber schneller kommen als geplant.

Dealer_Ebertplatz

Mutmaßliche Dealer am Ebertplatz

„Wir sind schockiert, weil wir nicht damit gerechnet hatten, dass so etwas am Ebertplatz noch einmal passieren würde“, sagte Brigitta von Bülow, Fraktionschefin der Grünen. Das Konzept zur Verbesserung des Ebertplatzes sei dennoch ein Erfolg und müsse jetzt fortgesetzt werden.

Das sagt ein Kriminologe

„Beim Straßenhandel mit Drogen wie Cannabis dominieren oft Menschen mit einem Migrationshintergrund“, sagte Bernd Werse vom Centre for Drug Research an der Goethe-Universität Frankfurt. Das liege daran, dass viele keine andere Möglichkeit sehen würden, Geld zu verdienen – insbesondere, wenn sie sich illegal in Deutschland aufhalten. „Das kann eine Eigendynamik entwickeln, wenn einer dem anderen erzählt, dass man so an Geld kommen kann“, so Werse.

Es sei nicht unüblich, dass Konflikte zwischen Dealern entstehen, die zuweilen in Gewalt münden. Auf der Straße Cannabis zu verkaufen sei nicht besonders lukrativ. „Wenn so eine Szene aus 20 und mehr Dealern besteht, dann nimmt der Konkurrenzdruck untereinander zu“, sagte Werse.

Um entgegenzuwirken, könnten Sozialarbeiter versuchen, mit den Dealern ins Gespräch zu kommen – das sei aber schwierig. Ein massiver Polizeieinsatz verdränge die Dealer nur in die Umgebung, löse aber das Problem nicht. „Wenn Cannabis nicht illegal wäre, wären die Straßendealer gar nicht da“, sagte Werse.

KStA abonnieren