Unwetter-Bilanz in KölnZwei Tote in vollgelaufenen Kellern – 3000 Feuerwehr-Einsätze

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Geldernstraße Köln

Köln – Die Anwohner der Graseggerstraße in Longerich sind geschockt. Auf der Tür eines Einfamilienhauses mit zwei geparkten Autos davor klebt am Donnerstagvormittag ein Siegel der Polizei. Viele haben den Rettungseinsatz in der Nacht mitbekommen. Dass ihr 54 Jahre alter Nachbar vermutlich während des heftigen Regens im Keller seines Einfamilienhauses gestorben ist, hatte sich schnell herumgesprochen. Die genaue Todesursache war auch nach der Obduktion am Nachmittag noch nicht endgültig geklärt, steht aber laut Polizei mit dem Unwetter in Zusammenhang. Eine zweite Leiche barg die Feuerwehr ebenfalls in der Nacht zum Donnerstag aus dem Keller eines Mehrfamilienhauses in Bocklemünd. Bei dem Opfer handelt es sich um eine 72 Jahre alte Frau, die nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ womöglich einen Stromschlag erlitten hatte, als sie im Keller nach dem Rechten sehen wollte.

Umgeknickte Bäume RAKOCZY 150721

 Auf dem Militärring ist nahe der Friedrich-Schmidt-Straße sind viele Bäume umgefallen.

Die Feuerwehr erlebte Mittwoch und Donnerstag sicher einige der arbeitsreichsten Schichten in den vergangenen Jahren. Allein in der Nacht gingen etwa 9000 Notrufe in der Leitstelle ein – üblich sind weniger als 100. Insgesamt übernahm die Feuerwehr an beiden Tagen etwa 3000 Regen-Einsätze, die meisten davon wegen vollgelaufener Keller und überspülter Straßen und Unterführungen. Am frühen Donnerstagabend waren noch etwa 1000 Einsätze offen, die priorisiert abgearbeitet werden sollten. „So etwas haben wir noch nie erlebt“, sagte Stabsleiter Dennis Richmann. Weil wegen der Überlastung zwischenzeitlich nicht alle Anliegen sofort bearbeitet werden konnten, bat die Feuerwehr darum, die 112 nur in wirklichen Notfällen zu wählen. Für alle Wasserschadens-Meldungen wurde die Sonderrufnummer 0800/2210001 eingerichtet.

Schlafzimmer unter Wasser

Über fast zwei Stunden habe die Haustür des 54-jährigen, allein lebenden Mannes in Longerich am Abend offen gestanden, das Licht sei angeschaltet gewesen, ehe Angehörige gekommen seien, um nachzusehen, schildert eine Anwohnerin. Die Angehörigen alarmierten dann den Rettungsdienst, der dem 54-Jährigen nicht mehr helfen konnte. In der ganzen Umgebung seien nach dem starken Regen gestern Abend die Keller vollgelaufen, erzählt ein Anwohner.

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Das Wasser an der Kreuzung Subbelrather Straße / Teichstraße fließt in der Nacht langsam ab. Dauerregen seit dem Morgen führt in der Stadt zu zahlreichen Schäden. 

In der Unteren Dorfstraße in Bocklemünd, wo die 72-Jährige starb, liegen am Donnerstagvormittag Schläuche auf den Gehwegen, Pumpen in den Kellern befördern Regenwasser auf die Straße, Menschen schütten Eimer voll Wasser in die Gullys. Das Wohngebiet nahe der Autobahn A1 ist besonders schwer vom Unwetter getroffen worden. „Unser Schlafzimmer liegt im Souterrain, das Wasser stand dort heute bis zum Bauchnabel“, schildert eine Frau. Ausreichend versichert sei sie leider wohl auch nicht. Aber das sei nichts im Vergleich zum Schicksal der Menschen, die durch das Unwetter ihr Leben verloren hätten.

Damm in Esch gebrochen

Von dem tödlichen Unglück nur eine Straße weiter habe sie – wie die meisten anderen hier auch – noch in der Nacht erfahren, sagt die Anwohnerin. Ein Rettungshubschrauber kreiste plötzlich über dem Ort und landete schließlich auf dem großen Parkplatz einer Firma in der Nähe. In einem Mehrfamilienhaus in der Unteren Dorfstraße war die 72-Jährige in ihren Keller hinuntergestiegen, vermutlich um nachzuschauen, ob alles in Ordnung ist. Auch ihr konnte ein Notarzt nicht mehr helfen. Ihr Mann, mit dem sie seit über 20 Jahren in dem Haus lebte, sei ins Krankenhaus gebracht worden, berichtet eine Nachbarin.

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Weitaus glimpflicher liefen andere wetterbedingte Unglücke in der Stadt ab. In Esch etwa brach nur ein Damm eines Kanals. Die Wassermassen ergossen sich über ein Feld. Eine andere Wand in Richtung einer Siedlung stabilisierten Feuerwehr, Stadtentwässerungsbetriebe und Technisches Hilfswerk. Einige größere Straßen wie der Militärring in Junkersdorf blieben zwar lange Zeit für Aufräumarbeiten gesperrt. Schlamm, Geröll und umgekippte Bäume hatten aber niemanden verletzt. Das Autobahnkreuz Köln-Süd wurde nach der nächtlichen Sperrung durch die Polizei wieder freigegeben.

Störungen bei der KVB

In den Keller des Museums für Ostasiatische Kunst am Aachener Weiher lief zwar durch ein zerbrochenes Fenster Wasser in den Keller. Kunstgegenstände wurden aber nicht beschädigt. Wegen eines Wasserschadens im Trauzimmer des Historischen Rathauses mussten die Brautpaare einen Tag lang in andere Räume ausweichen. In Brück trat der Flehbach über die Ufer und überflutete ein Wildgehege überflutet. Tiere sind nicht entwichen. Im Deutzer Stadthaus lief Wasser in die Aufzugsschächte und legte die Lifte lahm.

Ärgerlich für viele waren zahlreiche stundenlange Stromausfälle. Laut Versorger Rhein-Energie waren die größten davon am Nachmittag behoben, 80 kleinere wurden noch bearbeitet.

Hochwasserwarnung_am_64226215

Symbolbild

Noch länger werden wohl die Störungen bei der KVB andauern. Die Haltestelle Geldernstraße/Parkgürtel etwa ist – wie schon häufiger in ihrer Geschichte – komplett überflutet worden. Die Linie 13 ist daher zwischen Slabystraße und Nußbaumerstraße getrennt. Man hoffe, die Haltestelle Geldernstraße möglichst bald wieder zumindest ohne Halt durchfahren zu können. Wann hier wieder Fahrgäste ein- und aussteigen können, war am Donnerstag noch unklar.

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