Experte über Kölner Verkehrswende„Der Autoverkehr auf der Rheinpromenade muss weg“

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Autos im abendlichen Berufsverkehr in Köln-Deutz.

„Köln steht im Vergleich der Millionenstädte ganz hinten“, sagt Andreas Knie mit Blick auf die Verkehrswende.

Andreas Knie ist Professor für Soziologie an der TU Berlin. Seit Jahrzehnten ist er spezialisiert auf die Gestaltung von Verkehr in Großstädten und erklärt, was in Köln gut läuft– und was besser werden muss.

Wo steht die Stadt Köln bei der Verkehrswende?

Köln steht im Vergleich der Millionenstädte ganz hinten. Die Stadt ist sehr kompakt und ringt immer noch mit zu vielen Autos. Man gönnt sich zu viel Straßenraum. Der Rhein ist kaum zugänglich, weil Straßen an ihm entlangführen. Düsseldorf ist hier tatsächlich viel weiter, am Rheinufer gibt es hier inzwischen eine deutlich höhere Qualität. Köln gibt dem Auto schlicht zu viel Platz.

Was muss passieren, um den klimapolitischen Notwendigkeiten gerecht zu werden? Bis 2035 will die Stadt klimaneutral sein.

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Die Gretchenfrage ist tatsächlich: Wie hält es eine Stadt mit dem Auto? Das Auto ist mit grundsätzlich 80 Prozent der Verkehrsleistung das Maß aller Dinge. Entscheidend ist, wie es einer Stadt gelingt, das zu verändern. Mit einer Zurückdrängung des Autos kann man perspektivisch große Fortschritte für den Einzelhandel und die Aufenthaltsqualität erreichen. In der Folge ist man auch klimapolitisch wesentlich besser aufgestellt.

Andreas Knie, TU Berlin

Verkehrsexperte Andreas Knie von der TU Berlin

Welche Autostraßen sind verzichtbar?

Wenn man europäische Städte zum Vergleich nimmt wie Paris, Brüssel, Antwerpen, London und alle niederländischen Städte etwa, dann ist eine Maßnahme vordergründig: Man entzieht alle Auto-Parkplätze aus dem öffentlichen Raum. Man braucht dazu Parkangebote und Sharing-Fahrzeuge am Rand der Stadt, ab dort sollte es zu Fuß, mit dem Rad oder der Bahn weitergehen. Der Autoverkehr auf der Rheinpromenade, wo sich die Stadt zum Wasser öffnet, muss weg. Diese Verkehrsader muss aus- oder umgelagert werden.

Das Anwohnerparken soll zumindest deutlich teurer werden. Ein richtiger Schritt?

Ja, immerhin, es ist ein erster Schritt, die Stadt Freiburg hat es nun mit 380 Euro pro Jahr vorgemacht. Man muss jedoch wissen, dass ein Parkplatz, wenn man die Vollkostenrechnung ansetzt, pro Jahr zwischen 3000 und 5000 Euro kostet. Es ist gut, wenn Köln jetzt nachzieht, 600 Euro wären aber noch sehr günstig. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt klarstellt, dass es innerhalb des Rings mittelfristig keine Parkflächen auf öffentlichem Grund mehr geben wird. Andere Städte machen das seit Jahren vor.

Warum hängt Köln hinterher? Mit den Grünen ist eine Partei die stärkste Macht im Stadtrat, die sich die Verkehrswende selbst auf die Fahne schreibt.

Mein Eindruck ist, dass die Kölner eine Unlust bei Einschränkungen entwickeln. In Köln möchte man gerne jedem alles gönnen. Das ist auch schön. Aber um dies auch im Verkehr der Zukunft zu schaffen, muss man jetzt  wirklich neue Prioritäten setzen. Es  wird dann zu massiven Protesten von Anwohnern, Gastronomen und Betrieben kommen.  Da muss man dann eben durch und langfristig an neuen Visionen entwickeln, die allen helfen .

Der städtische Haushalt ist, krisenbedingt umso mehr, knapp. Wie viel Spielraum haben die Kommunen überhaupt, wenn es um die Verkehrswende geht?

Köln ist im Gegensatz zu Berlin oder Hamburg kein Stadtstaat und hat dadurch weniger rechtliche Möglichkeiten.  Köln kann jedoch  selbst über Parkplätze entscheiden, das ist schon mal viel wert. Und gemeinsam mit dem Land kann man grundlegende verkehrliche Umgestaltungen beschließen. Wir sollten uns schon die Frage erlauben, wohin die Stadt Köln einmal will. Köln hat ein riesiges Potenzial, ist eine tolerante Stadt mit internationalem Flair. Wir müssen dieses Potenzial bloß nutzen, indem wir die Stadt entsprechend gestalten und den Verkehr endlich modernisieren.

Verkehrspolitik ist auch die Chance, eine Stadt zukunftsfähig zu machen, wirtschaftlich, aber auch raumtechnisch und klimapolitisch. Hier kann man praktisch mit seinem Auto noch immer überall hinfahren und parken,  Das folgt einer Logik der 70er-Jahre, heute ist das zu laut, zu dreckig und macht die Stadt schäbig. Auch die Zeit der großen Messen geht vorbei, die Stadt selbst wird zur Messe, zur permanenten Ausstellung über sich selbst. Das muss verstanden werden. Köln hat alle Möglichkeiten. Es geht nicht primär um die Frage des Geldes, sondern darum, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

Was halten Sie von der Idee, den Neumarkt zu untertunneln?

Wenn eine Stadt mit Tunneln viele Erfahrungen gemacht hat und nicht nur gute, dann doch Köln. Tunnel kommen immer dann ins Spiel, wenn man die eigentlichen Probleme nicht lösen will. Haben wir oberirdisch kein Platz mehr, bauen wir unterirdisch. Doch die Baukosten, der Aufwand und die klimatischen Folgen sind gigantisch. Köln hat trotz vieler Bombenschäden einen kompakten Grundaufbau. Der äußere Gürtel der Stadt ist verglichen mit vielen anderen Städten mit vielen Möglichkeiten zur Anbindung ausgestattet. Es braucht  keinen Kilometer Untergrund mehr. Die Stadt sollte dringend darauf verzichten.

Die CDU argumentiert gerne damit, dass die Grünen in München einen Tunnel befürworten…

München ist was  völlig anderes. München hat eine Achillesferse, die so genannte Stammstrecke mitten durch die Stadt. Und die ist für die Verkehrswende tatsächlich zu knapp, es ist ein echter Infarktpunkt mit deutlich mehr Verkehrsaufkommen als um den Neumarkt. Tatsächlich ist München aus meiner Sicht die einzige Stadt in Deutschland, in der wir noch einen Tunnel benötigen, ein absoluter Ausnahmefall.

Durch das 49-Euro-Ticket dürften wieder mehr Menschen auf die Bahn umsteigen. Ist die KVB darauf vorbereitet?

Durchaus. Wir hatten nach der 9-Euro-Phase immer noch nicht die Menge an Passagieren, die wir vor der Pandemie hatten. Wir müssen davon ausgehen, dass zwei Drittel aller Beschäftigten ein Drittel ihrer Wege nicht mehr zur Arbeit zurücklegen. Dadurch fallen die großen Peaks raus. Wir sollten uns auch  dran erinnern, dass wir in Deutschland tendenziell weniger Menschen werden. Und wir werden älter und bewegen uns dann tendenziell weniger. Es geht um eine Umverteilung des Verkehrs, nicht um die großen Kapazitätserweiterungen. Die Zeiten des kontinuierlichen Wachstums sind vorbei, wir müssen künftig von Stagnation und leichtem Rückgang  der Verkehrsleistungen ausgehen.

Der neue Kölner Verkehrsdezernent Ascan Egerer ist seit anderthalb Jahren im Amt. Wie schlägt er sich aus Ihrer Sicht?

Köln ist dabei, eine Entwicklung nachzuziehen, die in anderen großen Städten längst passiert. In Berlin, in  Frankfurt wurden ganze Gebiete verkehrlich neu organisiert, Darmstadt und Freiburg erfinden sich praktisch völlig neu. Köln ist gerade mal dabei, sich in der Verwaltung langsam auf dem Stand der Dinge zu bewegen. Dass schon diese Entwicklung von der CDU kritisch begleitet wird, ist bedenklich. Herr Egerer hat es daher schwer, er gibt aber die richtige Richtung vor. Aus meiner Sicht müsste er noch mutiger, noch einfordernder sein. Mir fehlt von ihm noch ein Projekt zum Abfangen der Pendler am Stadtrand.

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