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Auch Rechtsextreme nahmen teilLindenthaler JU-Vorsitzender veranstaltete „patriotische Wanderung“

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Teilnehmer der „patriotischen Wanderung“ am 3. Oktober 2025 in Detmold

Teilnehmer der „patriotischen Wanderung“ am 3. Oktober 2025 in Detmold

Die Demonstration habe das Ziel verfolgt, ein Zeichen für verbindenden Patriotismus zu setzen, so Doege. Seinem Aufruf folgten aber auch Rechtsextremisten.

Rund 200 Männer und Frauen, in Deutschland-Fahnen gehüllt, machen sich am 3. Oktober – dem Tag der Deutschen Einheit – vom Bahnhof Detmold aus auf den Weg zu einer „patriotischen Wanderung“. Sie skandierten „Deutschland, Deutschland“ und „Heimatliebe ist kein Verbrechen“. Ziel ihres Marsches ist das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald.

Aufgerufen zu der Aktion hatte Benedict Doege, seit Juli dieses Jahres Stadtbezirksvorsitzender der Jungen Union (JU) Lindenthal, der Jugendvereinigung der CDU. Neben seinem Amt betreibt Doege die Internetseite „Gegen das Gendern“ samt Online-Shop. Dort verkauft er eine „Patriotische Kollektion“, unter anderem T-Shirts, Aufkleber und andere Artikel mit nationalen Symbolen und Slogans wie „Smash Ideology“ – auf einem Motiv zerquetscht eine Hand eine LGBTQ-Fahne. Angeboten werden auch T-Shirts mit der Aufschrift „Pro Patria“ („Für das Vaterland“) und einem Emblem mit einem schwarz-rot-gold umrandeten und durchgestrichenen Gender-Stern.

Am Bahnhof in Detmold traf die Gruppe auf rund 300 Gegendemonstranten, die unter dem Motto „Kein brauner Aufmarsch unterm Hermannsdenkmal“ gekommen waren. Die Polizei trennte die Lager, laut einem Sprecher verliefen beide Demonstrationen friedlich. „Lächelt das linke Gesocks einfach weg, das euch verbieten will, zum Hermann zu gehen“, soll Initiator Benedict Doege am Bahnhof laut der „Lippischen Landes-Zeitung“ ins Megafon gerufen haben.

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Wo verläuft die Grenze zwischen Patriotismus und Rechtsextremismus?

Das 50 Meter hohe Hermannsdenkmal, im 19. Jahrhundert als Symbol des aufkommenden deutschen Nationalismus errichtet, wurde in der NS-Zeit ideologisch vereinnahmt. Bis heute versuchen rechtsextreme Gruppen, den Ort für ihre Zwecke zu nutzen. Der Landesverband Lippe betont daher auf seiner Website: „Wir möchten daher klarstellen, dass wir jegliche Form von Extremismus und Intoleranz auf unserem Gelände nicht dulden. Vielmehr verstehen wir das Hermannsdenkmal als Ort des Lernens und der Begegnung, die allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion oder Weltanschauung offenstehen“, heißt es auf deren Webseite.

Und auch Doege selbst bemühte sich im Vorfeld der Veranstaltung um Abgrenzung: In einem Instagram-Beitrag erklärte er, man habe „keinen Bock auf Extremisten, weder von links noch von rechts“. Wer die Veranstaltung für seine Ideologie missbrauchen wolle, werde „konsequent ausgeschlossen“.

Fest steht aber: Dennoch waren unter den Teilnehmenden auch Rechtsextremisten. Eine Sprecherin des NRW-Verfassungsschutzes bestätigte, dass „einige Rechtsextremisten aus der Region Ostwestfalen-Lippe als Teilnehmer identifiziert“ wurden. Zudem habe die rechtsextreme Gruppierung „Freischar Westfalen“ in sozialen Medien zur Teilnahme aufgerufen. Rechtsextreme Parolen oder Symbole habe es nach Erkenntnissen des Staatsschutzes Bielefeld auf der Demonstration jedoch nicht gegeben. Laut der „Lippischen Landes-Zeitung“ nahmen auch Mitglieder der AfD Lippe teil.

Wie glaubwürdig ist Doeges Distanzierung also? Wo verläuft die Grenze zwischen Patriotismus und Extremismus? Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wehrt sich Doege gegen den Verdacht, er würde mit Rechtsextremen paktieren: „Ziel des Events war es, am Tag der Deutschen Einheit ein Zeichen für positiv verbindenden Patriotismus zu setzen.“ Ihm sei bewusst, dass Rechtsextreme versuchen, „historische Denkmäler“ für ihre Zwecke zu missbrauchen. „Meiner Meinung nach darf man diese Denkmäler nicht den Rechtsextremen überlassen“, so Doege weiter. Er distanziere sich „von jeglichem Extremismus“.  Er verweist außerdem darauf, die Demonstration nicht in Funktion als JUler veranstaltet zu haben, sondern „im Rahmen meines privaten Engagements durch den Instagram-Account“.

Doege beteuert, die Rechtsextremisten auf seiner Demo nicht gekannt zu haben. „Diese betreffenden Personen haben sich nicht als Mitglieder der ehemaligen Jungen Alternative oder sonstiger Organisationen zu erkennen gegeben.“ Eine Kontrolle der Teilnehmer sei „weder praktisch möglich noch rechtlich geboten“ gewesen. Während der Demo habe es aber keine extremistischen Äußerungen oder Handlungen gegeben. 

Die Sprecherin des NRW-Verfassungsschutzes spricht in Bezug auf die Veranstalter von „Patriotischen Gruppierungen“. Diese seien zwar „nicht per se rechtsextremistisch ideologisiert“, könnten aber eine „Brückenfunktion zum Rechtsextremismus übernehmen, wenn sie die nationale Identität gegen andere definieren und überhöhen“.

Auch der NRW-Landtag beschäftigt sich inzwischen mit dem Thema. Der SPD-Landtagsabgeordnete Dennis Maelzer aus dem Kreis Lippe hat eine Kleine Anfrage dazu gestellt. Er fragt die Landesregierung unter anderem, welche rechtsextremen oder rechtspopulistischen Gruppierungen oder Einzelpersonen nach Kenntnis der Sicherheitsbehörden an der Veranstaltung teilgenommen haben. Außerdem will er wissen, ob Erkenntnisse über eine Vernetzung zwischen dem Instagram-Account „Gegen das Gendern“ und rechtsextremen oder rechtspopulistischen Gruppen oder Akteuren vorliegen.

Doeges Plattform bereits im Blickpunkt

Doeges Plattform „Gegen das Gendern“ hatte bereits im Mai dieses Jahres eine Rolle gespielt. Andreas Bohl, stellvertretender Vorsitzender der Kölner CDU und Vorsitzender des CDU-Stadtbezirksverbandes Innenstadt, hatte sich dort damals unter einem Beitrag menschenfeindlich geäußert. Zu sehen war die Kinderbuchfigur Conni, die mit ausgestreckter Faust einem schwarz gekleideten und vermummten Mann hinterherläuft, der eine Fahne der Antifaschistischen Aktion in der Hand hält.

Bohl, der als Pressestabsoffizier bei der Bundeswehr arbeitet, kommentierte das Bild mit dem Satz: „Jeder sollte die Antifa jagen!“, und fügte die grafische Darstellung eines angespannten Bizeps hinzu. Später löschte er seinen Beitrag. Die Kölner CDU-Parteichefin Serap Güler rügte ihren Stellvertreter damals öffentlich. Bohl räumte ein, einen Fehler begangen zu haben und entschuldigte sich. Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Bohl, dass er auf den Instagram-Kanal „Gegen das Gendern“ aufmerksam geworden war, weil er den aus Köln stammenden Betreiber persönlich kenne.

Die Kölner CDU-Parteichefin Serap Güler ließ mitteilen, dass die Partei zunächst das Ergebnis der Kleinen Anfrage im Landtag abwarten wolle und das Gespräch mit Benedict Doege suchen werde. Erst danach wolle sich die Kölner CDU zu den Vorgängen äußern. 

Der NRW-Landesverband der JU distanziert sich von der Demonstration. Grundsätzlich habe man „Sympathien dafür, den Tag der Deutschen Einheit zu feiern und einen einladenden und weltoffenen Patriotismus zu praktizieren“, sagte eine Sprecherin der JU-NRW.  Dies im Rahmen einer Veranstaltung zu tun, „an der auch Mitglieder der ehemaligen Jugendorganisation der AfD oder andere rechtsextreme Gruppen teilnehmen, ist für uns hingegen indiskutabel“.

Man habe mit Doege das Gespräch gesucht, so die Sprecherin weiter. „Er hat uns glaubhaft versichert, dass ihm keine Personen aus dem AfD- oder weiteren extremistischen Umfeld bekannt waren und sich auch während der Demonstration nicht als Mitglieder derartiger Gruppen zu erkennen gegeben haben.“ Gleichzeitig habe man ihm deutlich gemacht, dass sich die JU „von allen extremistischen Organisationen distanziert“. In dieser Bewertung sei man sich mit Doege einig.

Ähnlich äußert sich der Vorsitzende der Kölner JU, Friedrich Sonnenberg. Das grundsätzliche Anliegen der Wanderung teile man zwar. „Wir verurteilen jedoch, dass einige radikale und extremistische Personen dieses Anliegen für ihre nationalistische Agenda missbraucht haben. Mit diesen Personen haben wir nichts gemein.“