Die Verunsicherung wegen der Anschlagsserie ist unter Kölnern groß. Am Mittwoch stellte sich der Polizeipräsident den Fragen des Rats.
Außergewöhnlicher AuftrittKölner Polizeipräsident verteidigt seine Behörde im Rat nach Explosionsserie
Bei aller Zerstrittenheit in dieser an Streitfragen nicht armen Ratssitzung: Der Applaus für Polizeipräsidenten Johannes Hermanns und Kripo-Chef Michael Esser fiel über alle Fraktionsgrenzen hinweg am Dienstag warm aus.
Das mag auch daran liegen, dass Auftritte von Kölner Polizeipräsidenten bei Ratssitzungen eine Seltenheit sind. Das vorerst letzte Mal, dass ein Chef der Kölner Polizei den Kölner Kommunalpolitikern Rede und Antwort stand, war im Februar 2016, als Jürgen Mathies über Konsequenzen und Lehren aus der Silvesternacht 2015/16 referierte, die seinem Vorgänger Wolfgang Albers zuvor das Amt gekostet hatten.
Solche Auftritte brauchen also einen triftigen Grund. Und die vergangenen Wochen haben einen solchen geliefert: Seit Anfang Juni wird Köln von einer Serie von Explosionen vor Wohnhäusern und Geschäften erschüttert, in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen, darunter in Düsseldorf, Duisburg und Solingen, kam es zu ähnlichen Taten. Hinzu kommen mehrere Schussabgaben auf Wohnhäuser und Geschäfte.
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Vor allem die zwei Explosionen in der Innenstadt, vor der Diskothek Vanity auf dem Hohenzollernring und dem Bekleidungsgeschäft Lfdy auf der Ehrenstraße innerhalb von 48 Stunden, haben die Fraktionen von den Grünen, CDU, SPD, FDP und Volt zum Anlass genommen, eine Aktuelle Stunde zur Explosionsserie anzuberaumen und Polizeipräsident Johannes Hermanns einzuladen.
Polizeipräsident Hermanns verteidigt seine Behörde
Gleich zu Beginn betonte Hermanns, dass er über Verfahrensdetails nicht reden könne, er gab aber zu: „Wir stehen vor großen Herausforderungen in Köln. Und meine Kollegen haben großes Verständnis für die Sorgen der Bürger.“ Zu den Ermittlungen referierte er das, was Kripo-Chef Michael Esser schon bei einer Pressekonferenz Mitte September mitgeteilt hat.
Hintergrund der Taten sollen Auseinandersetzungen unter Drogenbanden, unter anderem aus den Niederlanden, sein. Kern des Geschehens sei mutmaßlich das Verschwinden von 300 Kilogramm Cannabis im Juni aus einer Lieferung aus den Niederlanden. Gelagert worden war das Rauschgift in einer Halle in Hürth.
Offenbar gehe es nun darum, die verschwundenen 300 Kilo wieder aufzutreiben oder den Verlust mit Geld zu bezahlen. Die Ermittler schließen jedoch nicht aus, dass einige der Taten ihren Ursprung auch im Rockermilieu haben könnten und die Explosionen auf verschiedene Tatkomplexe zurückgehen. Die Ermittlungen verlaufen auch deswegen mühsam, weil Verdächtige und Opfer nicht mit der Polizei kooperieren.
Seine Rede nutzte Hermanns vor allem zur Verteidigung seiner Behörde. Auf Gerüchte, dass Polizei und Stadt zu wenig gegen die Anschlagsserie tun würde, zählte Hermanns auf: „Richtig ist: Inzwischen arbeiten 80 Ermittler an dem Komplex, es gab 13 Festnahmen und 43 Ermittlungsverfahren gegen 33 Verdächtige. Unsere Ermittler gehen teilweise nur noch zum Duschen und zum Schlafen nach Hause. Wir tun alles Menschenmögliche, um diese Taten aufzuklären.“
Anschlagsserie entfacht Debatte um Cannabis
Die Sorgen der Kölnerinnen und Kölner könne Hermanns nachvollziehen. „Sie sind berechtigt.“ Es handele sich allerdings um Milieutaten, bei denen Opfer aus der Bevölkerung nicht beabsichtigt seien – auch wenn sie billigend in Kauf genommen werden.
Im Anschluss nutzten die Ratsmitglieder die Aktuelle Stunde weniger, um Fragen an Hermanns zu den Taten selbst zu stellen und mehr dafür, eigene politische Thesen aus ihnen abzuleiten. Vor allem die Cannabis-Teillegilisierung, die zuvor schon NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) mit den Taten in Verbindung brachte, wurde mehr und mehr das Hauptthema, während die Anschlagsserie in den Hintergrund rückte.
„Diese Wild-West-Szenen, wie sie sich in den letzten Wochen abgespielt haben, sind beispiellos in der Kölner Nachkriegsgeschichte“, sagte Bernd Petelkau von der CDU. Er forderte unter anderem verstärkte Videoüberwachungen und die „Zerschlagung der Drogenszene am Neumarkt und am Ebertplatz“ als Reaktion auf die Anschlagsserie.
Lino Hammer von den Grünen forderte mehr „Sachlichkeit und Nüchternheit“ in der Debatte. „Es ist gut, dass die Behörden ermitteln und nicht die Experten in den Sozialen Medien.“ Er appellierte daran, „nicht vorschnelle Zusammenhänge herzustellen, die es nicht gibt“, etwa den Zusammenhang mit der Cannabis-Teillegalisierung.
Ähnlich äußerten sich Vertreter von SPD, Volt und FDP. Und auch Johannes Hermanns äußerte sich zu der Frage, wie er zu der Cannabis-Teillegalisierung steht: „Polizeilich haben wir das Problem, dass zwar der Konsum legalisiert worden ist, es aber keine legalen Wege gibt, um Cannabis zu erwerben.“ Aus seiner Sicht müsse bei einer Legalisierung „auch Produktion und Vertrieb geregelt werden“.