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Kommentar

Wofür ich Köln liebe
Ein Plädoyer für die kölsche Lösung

2 min
Auf der Vogelsanger Straße war diesen Spätsommer an vier Wochenenden ein Pop-up-Biergarten aufgebaut.

Auf der Vogelsanger Straße war diesen Spätsommer an vier Wochenenden ein Pop-up-Biergarten aufgebaut.

Immer wieder erhalten wir Zuschriften von unseren Lesern. Hier erklärt Werner Deuss aus Köln, wofür er seine Heimatstadt liebt.

Wenn unser damaliger Vorstandschef ein Problem hatte, das er nicht ad hoc lösen konnte, fragte er immer: gibt es da nicht eine italienische Lösung? Er meinte damit eine Vorgehensweise, die unter Außerachtlassung strenger Vorschriften und Regelungen doch zu einem funktionierenden Ergebnis führen könnte.

Dann dachte ich immer: ganz Köln ist doch eine italienische Lösung. Der Kölner weiß, vordergründige Ordnung ist nur eine Sekundärtugend. Freiheit ist wichtiger. Freiheit und Ordnung fallen nicht zusammen. Freiheit durchbricht Ordnung, Ordnung beschränkt Freiheit! Ich lebe gern nach diesem Motto, wie jeder echte Kölner. Auch für Offenheit und Toleranz tritt man hier ein: Arsch huh, Zäng ussenander.

Und wem die chronische Verspätung, bräsige Trägheit in der Verwaltung „auf den Sack geht“, (Stichwort neue Oper), dem antwortet der Kölner gelassen: Och d'r Dom es nit an einem Daach jebaut wode.

Das Hupen eines Kölners meint nicht „weg da“, sondern „ich bin auch noch da“

Niemand kann einen einzigen Tag in der Stadt verbringen, ohne von jemandem angesprochen zu werden, der mit ihm Freundschaft schließen will. Und wenn zwei Menschen sich unterhalten, dann mögen sie sich irgendwann. Und selbstbewusst ist der Kölner auch, ohne überheblich zu sein. Wenn ein Kölner im Straßenverkehr zum Beispiel hupt, meint er nicht „weg da“, sondern „ich bin auch noch da“.

Und ich liebe seine endlose Geselligkeit. Wenn ein Schwabe morgens wach wird, denkt er, „was muss ich heute schaffen?“. Wenn ein Kölner wach wird, denkt er: „Wo gehe ich heute Abend hin?“

Dass kein Kölner von seiner Stadt weichen will, dass ihre Dichter von der Glückseligkeit der hiesigen Lage in gewaltigen Hyperbeln singen, ist ihnen nicht zu verdenken, auch wenn noch ein paar mehr „verbotene Städte“ wie Düsseldorf in der Nachbarschaft stünden.

Hat man sich also erstmal sein Kölsch gekauft und ein Plätzchen am Randstein zum Sitzen ergattert, darf man sich nicht über den süßlichen Duft um einen herum wundern – am Brüsseler Platz, wie in Amsterdam.

Ich habe ganze Nachmittage hier verbracht, bin einfach nur in der Sonne gesessen und habe mit einem Freund über Gott und die Welt philosophiert.

Köln ist eine Stadt, manchmal wie ein schmutziges Stück Papier, das jedem egal ist. Aber Köln ist auch ein Ort, wo man wunderbar reden, noch besser zuhören, erst recht menschlich leben kann.