Art Düsseldorf 2024Hier darf und soll einem schummrig vor Augen werden

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Messebesucher der Art Düsseldorf gehen bei einer Presse-Vorbesichtigung durch die Sonderausstellung mit verschiedenen Künstlern.

Messebesucher am Eröffnungstag der Art Düsseldorf 2024.

Die Düsseldorfer Kunstmesse eröffnet, während der internationale Kunstmarkt schwächelt. Zum Glück stört das die VIP-Gäste nicht.

Was unterscheidet die Art Düsseldorf von ihrer großen rheinischen Schwester, der alteingesessenen Art Cologne – abgesehen von der Tradition, der wirtschaftlichen Potenz und den schönen, lichtdurchfluteten Hallen des ehemaligen Industrieareals Böhler? Als Erstes fällt einem da das Düsseldorfer Publikum ein, das sich zur VIP-Preview nicht lange bitte ließ, dafür aber teilweise schon am Messeeingang am Champagner-Ausschank stecken blieb. Außerdem wäre es in Köln immer noch undenkbar, dass die Pressekonferenz von einer Abordnung des Stadtmarketings gekapert wird.

Abgesehen von solchen mentalitätsbedingten Unterschieden ist das sogenannte Marktumfeld für beide Messen gleich - und derzeit gleichermaßen schwierig. Die internationalen Fachleute pfeifen es von den Dächern: Wenn selbst in der Kaste der Superreichen das Geld nicht mehr so locker sitzt, schlägt das auf die unteren Marktsegmente durch. Schlecht fürs Geschäft sind ebenfalls die ausgelaufenen staatlichen Coronahilfen für die Kultur. Gab die Art Düsseldorf diese zuletzt in Form üppig subventionierter Standmieten an die Galeristen weiter, fallen jetzt wieder volle Preise an. Und so weit, dass er freundlich draufzahlt, reicht die von Händlerseite viel gerühmte Serviceorientiertheit von Art-Düsseldorf-Direktor Walter Gehlen auch wieder nicht.

Im Gegensatz zur Art Cologne ist die Düsseldorfer Messe aktuell auf Wachstumskurs

Im Gegensatz zur Art Cologne ist die Düsseldorfer Messe aktuell auf Wachstumskurs – wenn auch auf niedrigem Niveau. 106 Galeristen nehmen an der sechsten Ausgabe teil, davon kommt die große Mehrzahl aus dem deutschsprachigen Raum, aber einige abenteuerlustige Händler aus fernen Ländern finden sich auch. Geradezu tollkühn mutet der Auftritt des Tokioter Anonymous Art Projects an, das unter anderem zwei raumgreifende Installationen von Kengo Kito zeigt: eine wolkige Deckenarbeit aus Hula-Hoop-Reifen und einen bunten Stelenwald, der als Sichtblende vor einer riesigen, von anderen Künstlern bespielten Videoleinwand aus dem Boden gewachsen ist. Man darf gespannt sein, ob die große japanische Gemeinde in Düsseldorf die Reisestrapazen honoriert.

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Überhaupt folgt die Messe in diesem Jahr dem Motto „Big is Beautiful“. Etliche Großskulpturen füllen die Flächen zwischen den leicht geschrumpften Händlerständen, darunter Klassiker wie Richard Longs zehn Meter lange „Linie“ aus rheinischem Treibholz (am Stand von Konrad Fischer), zwei untertreibende „Miniaturwelten“ von Andreas Schmitten (Schönewald) oder ein tanzender „Schwanensee“ verbogener Gehhilfen von Christian Theiss, den die Kölner Galerie Clages zur Messe beisteuerte. Solche Größe dürfte auf der Art Düsseldorf schwer verkäuflich sein. Sie soll aber die Kauflaune stimulieren.

Angeblich gibt es immer noch Kölner Galeristen, die der Art Düsseldorf aus Prinzip fernbleiben

Angeblich gibt es immer noch Kölner Galeristen, die der Art Düsseldorf (wie wohl mancher Museums- und Messedirektor) aus Prinzip fernbleiben. Andere Kölner Händler rechnen den Lokalstolz nüchtern gegen die wirtschaftlichen Möglichkeiten auf. Philipp von Rosen hat dieses Jahr einige schöne, durch KI generierte Treppenbilder von Corinna Schnitt dabei, Bene Taschen präsentiert großformatige Fotogramme des tschechischen Künstlers Josef Achrer und Thomas Rehbein zeigt fotografische Seebilder von Thomas Gefeller, die auf faszinierende Weise ins Abstrakte kippen. Boisserée zielt offenbar auf die Geldbeutel kaufkräftiger Donaldisten: Ein Goethe von Andy Warhol hängt neben einem Warhol-Porträt des berühmtesten Bewohners von Entenhausen.

Im Grunde dürfte das Rheinland im Städtekollektiv stolz darauf sein, dass es zwei Kunstmessen trägt. Jedenfalls ist es ein gutes Zeichen, dass eine Galerie wie Krinzinger aus Wien hochkarätige Werke von Nevin Aladağ, Monica Bonvicini und Marina Abramović nach Düsseldorf mitbringt. Bonvicinis Kugel aus schwarzen Gürteln ergibt dabei gemeinsam mit Abramovićs siebenfacher Schmerzensfrau eine nette Sadomaso-Ecke innerhalb des schönen Scheins. Prominente Namen mit aufregenden Werken finden sich auch an anderer Stelle: Bei Walter Storms hängt ein großer Uecker ohne Nägel, dafür aber mit Leopardenmuster, und Düsseldorfer Platzhirsche wie Ludorff, Sies + Höke oder Van Horn haben selbstredend ihr übliches Sortiment mit Arbeiten von Gerhard Richter über Julius von Bismarck bis Jan Albers dabei.

Wenn nicht alles täuscht, hat sich die Art Düsseldorf mit der sechsten Ausgabe endgültig im Mittelstand des Kunstmarkts etabliert. Sie bietet Bewährtes, Entdeckungen und vieles aus dem Segment „aufstrebender Künstler“. Wer die Champagnerbar keines Blickes würdigt, findet vermutlich Gefallen an Jonas Weichsels unendlich kleinteiligen, in ihrer optischen Präzision geradezu unheimlichen Gemälden (Galerie Thomas Schulte). Hier kann und soll einem angenehm schummrig vor Augen werden, ganz ohne Alkohol.

Art Düsseldorf, Areal Böhler, Düsseldorf, bis 14. April

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