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Aufbruch mit TrauerrandSo war die Saisoneröffnung des Kölner Gürzenich-Orchesters

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Das Gürzenich-Orchester bei einem Auftritt im Corona-Modus

Das Gürzenich-Orchester bei einem Auftritt im Corona-Modus

  • Das von Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth dirigierte Programm hatte mit einem furiosen Neustart nur bedingt zu sein.
  • Lesen Sie hier die ganze Kritik der Saisoneröffnung des Kölner Gürzenich-Orchesters am Sonntag, 6. September.

Ernst Bloch sprach einst mit Blick auf sein „Prinzip Hoffnung“ vom „Optimismus mit Trauerflor“. Die Formel abwandelnd, könnte man dem Saison-Eröffnungskonzert des Gürzenich-Orchesters in der Philharmonie das Etikett „Aufbruch mit Trauerrand“ verpassen. Die Umstände sind halt so, wie sie sind: Die Maskenpflicht für die Besucher während des Philharmonieaufenthalts (die pausenfreie Länge von rund anderthalb Stunden unterschritt übrigens die Nettodauer des üblichen Abo-Konzerts kaum) und andere Einschränkungen – es ist lästig genug und scheint auch etliche Musikfreunde vom Besuch abgehalten zu haben.

Die mögliche Zahl von tausend Zuhörern wurde jedenfalls nicht erreicht. Aber auch das von Gürzenich-Kapellmeister François-Xavier Roth dirigierte Programm hatte mit einem furiosen Neustart nur bedingt zu tun: Strauss’ späte „Metamorphosen“ sind ein tongewordener Abgesang auf die europäische Kultur, und bereits die von dem britischen Allround-Talent Ayanna Witter-Johnson für das Blech und das Schlagzeug des Orchesters eigens komponierte Eröffnungsfanfare klang ob ihrer Chromatik und dissonanten Stimmkombinationen weniger schmissig als melancholisch. Witter-Johnson – Komponistin, Sängerin, Cellistin, Songwriterin und mit Roth von London her gut bekannt – trat dann noch einmal gewinnend-suggestiv mit einer Neufassung ihres Songs „Unconditionally“ auf, bei dem Gürzenich-Streicher, Schlagzeug und der Oboist Tom Owen einfühlsam mitmischten. Ein interessanter Hybrid im Grenzbereich von Neuer Musik, Pop und Jazz, der anzeigte, wie und wozu Roth die Corona-Krise offensichtlich (auch) nutzen will: zu einer innovativen, die Metier-Versäulung des Konzertbetriebs aufbrechenden Programmation.

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Klar, dass die Abstandsregeln auf dem Podium derzeit eine volle Formationsstärke verhindern. Zum Glück gibt es so viel Repertoire jeweils für Bläser und Streicher allein, dass sich im besten Fall die Schwäche in eine Stärke verwandelt. Das war am Sonntag der Fall: Strawinskys Konzert für Klavier und Bläser geriet zu einem funkelnden kammermusikalischen Diadem, in dem sich der französische Pianist Bertrand Chamayou mit poetischer Anmutung (im langsamen Satz) und nobler Eleganz als Primus inter Pares präsentierte.

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Den stärksten Eindruck aber hinterließen wohl doch die „Metamorphosen“. Bei permanenter Neujustierung der Stimmengewichte ließ Roth die Streicher eine filigrane Struktur in steter Bewegung aufbauen – ganz nah innen gewandt und dynamisch kaum das zuweilen geforderte fortissimo erreichend. Das war eindringlich, um nicht zu sagen: herzzerreißend – und, wie gesagt, ziemlich traurig.

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