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Ausstellung bei Philipp von RosenNormalität ist auch nur eine Form von Hochstapelei

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Eine Familie mit zwei Kindern sitzt lachend auf der Gartenterrasse.

Ein Bild aus Corinna Schnitts Serie an „Familienfotos“.

Der Kölner Galerist Philipp von Rosen ist in die alten Räume von Michael Werner gezogen. Höhepunkte der Neueröffnung sind die durchtriebenen Werke von Corinna Schnitt.

Im Winter schloss Michael Werner mit einigem Theaterdonner seine Galerie in der Gertrudenstraße, weshalb man kurz befürchten musste, dass sich die einst ebenso legendäre wie dicht bevölkerte Mitte der Kölner Kunstwelt weiter leeren würde. Doch die Nachbarschaft am Willy-Millowitsch-Platz bleibt weiterhin kunstverliebt: Werners Ausstellungsräume bezog das Auktionshaus Ketterer, seine Büroflächen inklusive samtigem Separee für Luxusware tünchte Philipp von Rosen ins klassische Galerienweiß.

Für ihr Video sammelte Corinna Schnitt Vermietersprüche aus der Hölle des Spießertums

Von Rosen zieht nach 17 Jahren in der Aachener Straße ins Kölner Zentrum und zeigt zur Neueröffnung seine gesamte, zufällig 17 Köpfe zählende Künstlerschar. Mit dem Ausstellungstitel „Straight Flush“ spielt er auf die höchste Hand beim Poker an, was wohl bedeuten soll, dass man mit Werken seiner Künstler nur gewinnen kann. Ob die Spielkartenmetapher auf den Kunstmarkt passt, sei einmal dahingestellt. Aber eine nette Abwechslung zur gut abgehangenen Wandaktie ist die gleichfarbige Straße allemal.

Von Anfang an dabei und beinahe schon ein Klassiker in von Rosens Sortiment ist die Video- und Fotokünstlerin Corinna Schnitt. Für „Schönen guten Tag“ (1995) montierte sie Nachrichten, die ihre Vermieterin auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, zu einer Tonspur aus der Hölle unablässig quengelnden Spießertums; Schnitt selbst spielt im Schwarzweiß-Video die Mieterin, die sich in Schürze und mit Putzeimer der angemahnten Ordnungs- und Reinlichkeitsliebe ergibt.

Alles zum Thema Aachener Straße (Köln)

Einen ähnlich durchtriebenen Kommentar zur deutschen Normalität lieferte Schnitt in der Serie ihrer „Familienfotos“ (1997/98). Auf 18 Aufnahmen sieht man unterschiedliche Familien in Wohnzimmern oder Gärten posieren, und man muss, wie bei alten Finde-den-Fehler-Bilderrätseln, schon genau hinsehen, um Schnitt auf sämtlichen Bildern zu entdecken. Mal ist sie Tochter, mal Ehefrau, mal Schwester. Aber stets die perfekte Hochstaplerin im Klischee.

Ansonsten zeigt Philipp von Rosen vor allem aktuelle Werke wie Cody Chois Ölbilder, auf denen der amerikanisch-südkoreanische Maler europäische Rokoko-Pflanzen mit koreanischen Naturmotiven mischt und zugleich einen altmeisterlichen Stil mit der Kühle digitaler Bilderproduktionen verbindet. Bas de Wit wiederum baut Säulen und Büsten nach antiken Vorbildern aus Harz und Fiberglas, um sie dann auf eher tragikomische Weise „schmelzen“ zu lassen. Auch Arcangelo Sassolino bedient sich gerne enormer Kräfte für seine Installationen, etwa wenn er Entenfedern oder Schmutz mit riesigen Windturbinen in Stahlgitter oder Roste treibt. Pflegeleicht sind diese geblasenen Gemälde sicher nicht. Aber dafür so selten wie eine sichere Gewinnerhand.

„Straight Flush“, Philipp von Rosen Galerie, Gertrudenstr. 24-28, Köln, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 12-17 Uhr, bis 27. Mai.

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