Interview mit Influencerin Diana zur Löwen„Mut, auch mal über Politik zu sprechen“

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Mit 25 auf Augenhöhe mit politischen Entscheidern und Entscheiderinnen: Diana zur Löwen.

Diana zur Löwen (25) ist schon im Netz präsent, seit sie 14 ist und hat unter anderem bei Instagram fast eine Millionen Followerinnen. Inwzischen ist sie öffentlich erwachsen geworden und beschäftigt sich schwerpunktmäßig nicht mehr mit Mode und Beauty, sondern mit politischen Themen wie Feminismus. Im Interview spricht sie über falsche Schönheitsideale, Vorurteile gegenüber Influencerinnen und eine neue Generation von Feministinnen.

Als Influencerin sind Sie ein Vorbild für hunderttausende Mädchen und junge Frauen. Was für ein Frauenbild wollen Sie denen mit auf den Weg geben?

Auf der einen Seite sehe ich mich als große Schwester oder Freundin. Ich will meinen Followerinnen zeigen, dass man alles erreichen kann, was man will. Dass man sich also keine Gedanken machen sollte, ob man gut genug, schlank genug, smart genug ist. Das hört sich vielleicht erstmal ein bisschen allgemein an, aber mein eigener Weg ist dafür eigentlich ein ganz gutes Beispiel.

Inwiefern?

Ich habe selber schon mit 14 angefangen zu bloggen und Videos mache ich, seit ich 16 bin. Damals hatte ich auch so ein Vorbild: Tavi Gevinson, eine amerikanische Modebloggerin. Die hatte schon im Alter von elf Jahren ihren Mode-Blog und saß mit 15 in der ersten Reihe der NewYork Fashion Week.

Die hat mich damals einfach total inspiriert, Inhalte mit Nutzern zu teilen. Aber je älter ich wurde, desto weniger hat mich diese Mode-Welt begeistert - es war für mich auch oft ein bisschen oberflächlich. Und dann habe ich mein BWL-Studium in Köln begonnen und gemerkt, dass ich mich noch für viel mehr Themen interessiere.

Zur Person

Diana zur Löwen,25, ist Unternehmerin und Influencerin auf  Social-Media-Kanälen. Bei Instagram hat sie über 980.000 Abonnenten, bei YouTube über 630.000. Mit 14 Jahren begann sie zu bloggen, mit 16 Jahren Internetvideos zu erstellen. Bis 2019 waren ihre Themen hauptsächlich Mode und Kosmetik. Inzwischensetzt sie sich für Feminismus und Bewegungen wie Fridays for Future ein und spricht mit Politikern wie Jens Spahn, Philipp Amthor, Jean-Claude Juncker oder Armin Laschet.

Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität zu Köln und absolvierte ein Projektstudium in Cambridge in Sustainability Management. Inzwischen hat sie selbst mehrere Unternehmen gegründet und investiert in Start-ups. Diana zur Löwen wohnt nach ihrem Studium in Köln jetzt in Berlin.

Hätte ich da nicht den Mut gehabt, auch mal über Politik zu sprechen - dann wäre ich jetzt auch nicht da, wo ich jetzt bin. Daher finde ich es ganz wichtig, meinen Followerinnen mitzugeben, dass man nicht immer in irgendwelche Bildausschnitte oder Rahmen passen muss. Sondern am besten das macht, was einen begeistert. Und dann kommt man auch dahin, wo man will.

Heute sind Sie eher mit politischen Themen wie Feminismus präsent. Haben Sie da auch wieder für sich selbst Vorbilder gefunden? Ist für jemanden, der sie Sie 1995 geboren wurde, ein Name wie Alice Schwarzer überhaupt relevant?

Ich  bin da tatsächlich von einer ganz andere Generation geprägt: die Autorin und Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski zum Beispiel. Oder die Autorin Katja Lewina, die einen Beststeller über weibliches Begehren geschrieben hat - das sind Frauen, mit denen ich Berührungspunkte habe, die sich auch als Feministinnen bezeichnen und die mich inspirieren und motivieren.

Und ansonsten auch viele Gründerinnen wie Verena Pausder, eine Expertin für digitale Bildung, die auch immer mehr in die Politik geht. Da muss ich dann gar nicht so weit in die Vergangenheit zurück gucken.

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Ein Blick in Ihre eigene Vergangenheit: Was für ein Frauenbild haben Sie den in den 90er und Nuller-Jahren von zu Hause mitgenommen?

Ich komme aus einem ganz klassischen hessischen Beamtenhaushalt und bin dann erst zum Studium nach Köln gezogen. Meine Mutter war auch berufstätig und da bin ich mega-dankbar, dass sie mir immer mit auf dem Weg gegeben hat, dass ich unabhängig bleiben soll, dass ich mich nicht von einem Mann finanziell abhängig machen soll, dass ich meine eigenen Ziele und Träume erreichen soll.

Meine Eltern haben mich immer unterstützt, sogar, als ich dann irgendwann gesagt habe, ich möchte so Videos  ins Internet stellen (lacht).  Und je älter ich wurde, desto mehr habe ich mir dann auch nochmal Mentorinnen gesucht, die beruflich ein bisschen weiter waren.

Die ich auch heute immer noch um Rat fragen kann, wenn es darum geht, eine eigene Firma zu gründen oder Geld zu investieren. Das ist total schön, dass da gar nicht so ein Konkurrenzkampf herrscht, wie oft unterstellt wird, sondern dass man sich da gegenseitig unterstützt.

 Lesen Sie weiter: Diana zur Löwen über das Vorurteil, nur eine wandelnde Werbefläche zu sein

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Diana zur Löwen

Sie sind erfolgreiche Unternehmerin, haben mehrere Firmen gegründet und beschäftigen sich intensiv mit politischen Inhalten. Wie gehen Sie damit um, dass Sie als Influencerin trotzdem oft nur als wandelnde Werbefläche wahrgenommen werden?

Generell kursieren zum Job von Influencern schon viele negative Klischees. Viele denken, wir seien mega-oberflächlich – obwohl ich mittlerweile oft schon sehr redaktionell arbeite. Bei all meinen Beiträgen gucken Leute drüber und wir recherchieren intensiv.

Letztens habe ich etwas  zum Thema weibliche Genitalverstümmelung geteilt. Da arbeite ich zum Beispiel auch mit einer Frauenärztin zusammen. Ich finde es ja gut und richtig, wenn wir hinterfragt werden, weil wir auch eine Verantwortung haben. Aber es ist schade, wenn man immer nur als Werbefläche gesehen wird. Dabei arbeite ich schon länger daran, mich unabhängiger von Marken zu machen.

Wie kann das gehen? Ist die Zusammenarbeit mit Marken nicht gerade das Geschäftsmodell von Influencern?

Ich habe zum Beispiel mit „Melationship“ mein eigenes Unternehmen gegründet. Wir verkaufen Produkte, die Frauen helfen, sich und ihren Körper besser kennen zu lernen. Ich investiere aber auch in Startups, zum Beispiel eins, das erotische Hörgeschichten für Frauen produziert. Alles Projekte, wo ich das Gefühl habe, da kann ich einen Mehrwert stiften und es passt auch zu mir und meiner Zielgruppe.

Das sind Schritte, die ich auch gehe, um langfristig unabhängiger von Werbepartnern zu werden. Im Idealfall ist es ja ohnehin so, dass die Markenpartner und Markenpartnerinnen gut zu mir und meiner Zielgruppe passen.

Trotz einer Karriere wie Ihrer wimmelt es auf Instagram noch vor Frauen, die Mode- und MakeUp-Tipps geben oder Koch-Rezepte teilen – also das traditionelle weibliche Rollenmodell bedienen.

Ja, da würde ich mir auch wünschen, dass sich das noch mehr verändert. Aber ich versuche selbst immer positiv als Beispiel voran zu gehen und meine Followerinnen zu ermutigen, sich nicht nur in einer Blase voller Oberflächlichkeiten zu bewegen.

Ich investiere zum Beispiel schon länger an der Börse. Und tatsächlich reden über Themen wie  Geld und Finanzen in den sozialen Medien primär Männer. Deswegen finde ich das ganz wichtig,  auch über solche Themen zu sprechen – vor allem, weil Frauen ja im Durchschnitt immer noch weniger verdienen.

Gerade als junge Frau sollte man sich eben nicht nur Gedanken darüber machen, was man für einen Lippenstift trägt. Und ich habe schon dass Gefühl, dass da gerade ein Umbruch stattfindet.

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Woran machen Sie das fest?

Es gibt tatsächlich immer mehr andere coole Vorbilder, die an Reichweite gewinnen. Ich folge auch vielen Gründerinnen, was ich total inspirierend finde. Gerade auf  TikTok kann man seine Nischen finden.

Bei meiner Followerschaft merke ich auf jeden Fall, dass viele inhaltlich in die Tiefe gehen wollen. Gerade jetzt, in so einer politisch brisanten Zeit, wo man so viel zu Hause sitzt – da braucht man mehr als nur Outfit-Inspirationen. 

Die sozialen Medien – gerade Instagram – sind Orte, wo weiblich Schönheitsideale vorgelebt und manifestiert werden. Bisweilen ziemlich unrealistische…

Auch als ich groß geworden bin gab es so eine Plattform wie „Lookbook“ –  die haben mich damals total beeinflusst. Man hatte das Gefühl, je schlanker da jemand aussah, desto erfolgreicher war die Person. Und früher wollte ich tatsächlich auch auf allen meinen Kanälen immer perfekt sein  - was auch immer das bedeutet.

Aber inzwischen versuche ich, das alles ein bisschen echter zu gestalten. Ich versuche, die meisten meiner Inhalte ohne Filter zu machen, mich auch so zu zeigen, wie meine Haut normal aussieht, ab und zu auch ungeschminkt.

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Zeigt sich auch mal ganz natürlich: Diana zur Löwen.

Ich bin natürlich immer noch eine norm-schöne weiße Frau – aber auch ich habe Poren. Heute habe ich das Gefühl, dass durch diese ganzen Filter es schon beinahe normal ist, dass man nicht einmal mehr die Poren von den Menschen sieht. Und das finde ich eigentlich total schade und schlimm.

Klar, wenn man so ein krasses Shooting hat, dann wird da auch ein bisschen was bearbeitet. Aber ich würde mir jetzt nie selber einen Pickel weg retuschieren oder meine Lippen voller editieren.

Lesen Sie weiter: Diana zur Löwen über ihren offenen Umgang mit  Tabu-Themen wie Menstruation und Masturbation

Sie sprechen öffentlich auch über sehr intime Themen. Wie angreifbar machen Sie sich damit?

Ich habe ja immer die Kontrolle, und inzwischen auch schon ein gutes Gefühl dafür, was ich teile und wie ich das teile. Ich rede zwar auch über Masturbation oder Menstruation, aber ich finde, ich kann das immer noch in einem Rahmen halten, der nicht zu persönlich ist, sondern eher aufklärend.

Und das ist mir wichtig:  Meine Reichweite zu  nutzen, um über Themen zu reden, über die manche vielleicht nicht reden würden, die jungen Frauen aber weiter helfen.

Was sind das für Themen?

Gerade arbeite ich zum Beispiel mit einer Organisation an digitalem  Aufklärungsunterricht für Schulen. Das ist nicht nur für das Home-Schooling praktisch. Solche Themen sind digital  eigentlich sogar sinnvoller, weil man sich dann nicht vor seinen Mitschülern schämen muss oder man kommt mit dem Lehrer oder der Lehrerin nicht so gut klar.

Da sind soziale Medien eine ganz wichtige Chance, einen Zugang zu finden.  Ich mache mich auch sehr stark dafür, dass Frauen selber über ihren Körper bestimmen dürfen. Und in Deutschland gibt es ja immer noch das Werbeverbot für Abtreibungen.

Als junge Frau und Unternehmerin – müssen Sie sich da auch mit Vorurteilen herumschlagen?

Ich war zum Beispiel letzte Woche beim Notar und habe da für meine Startup-Investments eine Firma gegründet. Und alles war im generischen Maskulinum geschrieben. Da dachte ich: da könnte doch jetzt genauso „Geschäftsführerin“ stehen - weil ich nun mal eine Frau bin.

Das sind immer noch so alte Strukturen, wo viele sagen: „Das haben wir doch schon immer so gemacht, warum sollen wir das jetzt auf einmal ändern.“ Es ist offenbar sooo schwierig zu sagen: „O.k., ich ich lerne halt Schritt für Schritt dazu“.

Dabei ist es doch wichtig, dass man mehr Menschen mit der Sprache einschließt. Sprache ist ja auch Macht und schafft Bilder und ich finde es auch schön, wenn die Bilder in unseren Köpfen nicht immer nur männlich projiziert werden.

Gerade „gendern“ ist ja ein totales Reizthema. Und mit dem Anspruch Feministin zu sein macht man sich vermutlich auch nicht nur Freunde. Sie sind in Sachen „Hass im Netz“ wahrscheinlich Kummer gewohnt…

Die Leute erwarten immer von einem, dass man so perfekt ist - aber ich bin ja auch nur ein Mensch. Und die Menschen in den Kommentarspalten nehmen sich raus, über alles zu urteilen: Über meinen Körper, über die Dinge, die ich kaufe oder eben nicht – das ist manchmal sehr anstrengend.

Es gibt leider auch schon viele Männer die Feminismus als männerfeindlich sehen. Für mich bedeutet Feminismus eher, dass alle Menschen gleich gestellt sind. Und auch, dass man nicht in diesen typischen Rollenklischees denkt.

Deswegen profitieren eigentlich Männer genauso vom Feminismus wie Frauen, weil es ja auch darum geht, diese toxische Männlichkeit abzuschaffen. Der britische Sänger und Schauspieler Harry Styles ist für mich ein Vorbild dafür: Dass Männer auch Kleider tragen dürfen, dass Männer auch Gefühle zeigen dürfen und wollen. 

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Unterwegs für Frauenrechte - Diana zur Löwen.

Wie weit sind denn da die Männer in Ihrer Generation?

Ich hatte letztens so eine Startup-Idee auf dem Tisch: eine hormonfreie Verhütung für Männer. Und die Reaktionen von meinen männlichen Freunden haben mich irgendwie schockiert, weil ich dachte: Warum verlangt man von Frauen, irgendwelche Hormone zu nehmen oder sich Spiralen einzuführen, wenn es für Männer auch Optionen gibt?

Das sind so Dinge, die sich über die Jahre so durchgezogen haben, dass Verhütung eben Frauensache ist. Aber man muss doch merken, dass Frauen bei manchen Dingen noch nicht gleichgestellt sind und dass man da Verständnis haben muss. Viele wollen das noch nicht erkennen oder sehen, leider.

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