FELIX!-Festival in Kölner PhilharmonieSo war die Eröffnung des Musikfestivals für Originalklang

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Ensemble Correspondances

Ensemble Correspondances

In der Kölner Philharmonie eröffnete das Alte-Musik-Ensemble Correspondences unter Sébastien Daucé das FELIX!-Festival für Originalklang-Musik.

Kennen Sie Matthew Locke? Nein? Macht nichts, tatsächlich dürfte der Brite, der von 1622 bis 1677 lebte, nur Insidern der Operngeschichte bekannt sein. Indes ist er ein bedeutsamer Vertreter jener als „Masque“ oder „Semi-Opera“ bekannten englischen Sonderform der Barockoper, die ihren Höhepunkt dann bei Purcell finden sollte – ehe ihr Händel mit seinen italienischen Opern den Garaus machte.

Eröffnung des FELIX!-Festivals in der Kölner Philharmonie

Als Meilenstein der Masque auf dem Weg zu Purcell gilt zumal Lockes „Psyche“ von 1673, mit deren konzertanter Aufführung durch das französische Alte-Musik-Ensemble Correspondences unter Sébastien Daucé in der Philharmonie soeben das diesjährige Kölner FELIX!-Festival für Originalklang-Musik eingeläutet wurde.

Alte Musik? In der Tat, mit dieser Produktion suchte die aktuelle Felix-Ausgabe jenen Repertoire-Bereich auf, den viele Musikfreunde immer noch mit „Originalklang“ zuvörderst identifizieren mögen: die Barockzeit. Die weitere Veranstaltungs-Agenda zeigt freilich, dass das Festival sich rundum zu einem „modernen“ Originalklang-Begriff bekennt: Der findet auf einen Zeitraum zwischen Mittelalter und Gegenwart Anwendung – und besagt lediglich, dass man die jeweilige Musik auf dem Instrumentarium ihrer Entstehungszeit und unter Beherzigung der einschlägigen Aufführungspraktiken spielt.

Während des Musikfestivals finden viele Konzerte an verschiedenen Orten in Köln statt

„Kampf zwischen Göttern und Sterblichen“ ist das Felix-Motto anno 2023, und der Fokus der Konzerte, die bis zum 20. August in der Philharmonie, aber auch in anderen City-Locations stattfinden, liegt unverkennbar auf Musik von der britischen Insel. In beiderlei Hinsicht legte „Psyche“ da die richtige Spur: Im ziemlich ungenießbaren Libretto der fünfaktigen Semi-Opera (hier ohne die ausführlichen Sprechpartien exekutiert) wird die titelgebende Königstochter von eifersüchtigen Gottheiten und Geistern, aber auch von allegorisierten Eigenschaften wie dem Neid in die Mangel genommen.

Einiges von der seinerzeit gespielten Musik ist verloren gegangen, Daucé musste es aus dem zeitgenössischen Umfeld ergänzen. Zur Aufführung gelangten jetzt auch, nach der Art eines Pasticcios, Auszüge aus Lullys französischer „Psyché“-Musik, die sich Locke als Vorbild genommen hatte. Eklatante Stildivergenzen waren übrigens nicht zu gewärtigen, da musste man schon ganz scharf hinhören. Vereinheitlichend wirkte da wahrscheinlich auch der suggestive Drive und Duktus der Aufführung.

Sébastien Daucé steckt mit seiner Begeisterung an

Von dieser lässt sich nur Gutes berichten: Daucé konnte die eigene spürbare Begeisterung für das Sujet seinen hochprofessionellen Musikern genauso wie dem nicht allzu zahlreich erschienenen Publikum mit seltenem Nachdruck und in nahezu schlackenloser künstlerischer Vollendung mitteilen. So viel stilistische Versiertheit, so viel szenische Präsenz auch ohne Szene, so viel rhythmisches Feuer und instrumentale Farbigkeit im Orchester und sängerisches Können der immer wieder einen opulenten Chor formierenden Gesangssolisten, die mit markanten, charakteristischen Stimmen ganz ohne die lange in der Barockmusik übliche aseptische Zwirnhaftigkeit aufwarteten – Herz, was willst du mehr?

Die Musik? Nun ja, man muss sie schon so abwechslungsreich und impulsiv wie Correspondances spielen, damit sie auf eine Weise herüberkommt, wie es jetzt der Fall war. Sicher hat Locke überraschend „wilde“ und „schräge“ Harmonien und immer wieder überraschende Klangeffekte (Blockflöten, Schlagwerk). Es gibt schöne melodische Phrasen (in den Chorstellen und Ariosi, Arien nach späterem Verständnis kennt er noch nicht) sowie Lieder und Tänze teils mit Gassenhauer-Qualitäten. Trotzdem vermittelt sich auf die Dauer der Eindruck einer flächigen Kleinteiligkeit, in der sich dann auch viel wiederholt. Dies gilt nicht nur für bestimmte Formeln und Kadenzen, sondern vielmehr für ganze Strophen in den ausgedehnten Chorliedern. Die eine oder andere Chaconne (Variationen über jeweils identischem Bass) dauert auch arg lang. Kurzum, Anflüge angenehmer Langeweile ließen sich über eine Brutto-Aufführungsdauer von zweieinviertel Stunden hin nicht ganz blockieren.

Noch einmal: An der Güte der Performance lag das nicht. Insgesamt war es interessant, dieses weithin unbekannte Werk einmal zu hören – einmal, auf zweimal dürften längst nicht alle Besucher Appetit bekommen haben.

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