Freundschaft hinter den Pulten

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Deutsch-französische Zusammenarbeit: François-Xavier Roth dirigiert in Berlin.

Deutsch-französische Zusammenarbeit: François-Xavier Roth dirigiert in Berlin.

Zwischen Angela Merkel und Emmanuel Macron mag es derzeit nicht so gut laufen, aber die deutsch-französische Freundschaft beschädigt das nicht – wie soeben im sommerheißen Berlin zu erleben war. Da wurde die „amitié franco-allemande“ gleich doppelt und dreifach zelebriert: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet hatte in seiner Eigenschaft als Bevollmächtigter der Bundesrepublik für die Kulturaspekte im Rahmen des Vertrags über die Zusammenarbeit beider Länder zum Festkonzert (samt rahmenden Empfängen und Ansprachen unter anderem in der NRW-Landesvertretung) in Scharouns Philharmonie geladen. Anlass war der 200. Geburtstag des genuinen Europäers Jacques Offenbach, der in Köln geboren wurde, aber in Paris zu Weltruhm gelangte.

Und wie es schien, war im Gefolge von Oberbürgermeisterin Henriette Reker nahezu die komplette Kölner Kulturszene herbeigeeilt, um ein deutsch-französisches Orchester mit einem deutsch-französischen Programm unter einem Pariser Dirigenten mit deutschem Nachnamen zu erleben. Der Rest der Karten jenseits der Geladenen-Tickets war in den freien Verkauf gegangen, und siehe da: In Berlin selbst war das Interesse an der musikalischen Freundschaftsfeier geringer, da blieben viele Plätze frei, darunter jene komplette Zone im Rücken der Spieler, die in der Kölner Philharmonie als Block Z firmiert.

Deutsch-französisches Orchester? So ganz stimmt das nicht, denn das Kölner Gürzenich-Orchester und die Pariser Originalklang-Formation Les Siècles bilden von Haus aus keine künstlerische Einheit, sondern wurden von ihrer beider Leiter François-Xavier Roth erstmals und eigens für diesen Anlass zusammengeführt. Jeweils nicht in voller, sondern abgespeckter Stärke nach einem reißverschlussähnlichen Verfahren – zwei Hälften werden zu einem Ganzen.

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Tatsächlich war die Besetzung annähernd paritätisch – mit leichtem Übergewicht der Deutschen bei den Streichern und der Franzosen bei den Bläsern. An den Stimmführer-Pulten aber saßen jeweils ein Gürzenich- und ein Les-Siècles-Musiker, die ihre Rollen nach dem ersten Programmteil mit der Frühlingssinfonie des Wahl-Rheinländers Robert Schumann tauschten – bei der Offenbach-Gala nach der Pause gaben die Franzosen den Ton an.

Das Ergebnis konnte sich in jeder Hinsicht hören lassen. Neben Evergreens wie der Sinfonie (die die Kölner bereits im jüngsten Abo-Konzert gespielt hatten, während Les Siècles den Deutsch-Romantiker überhaupt zum ersten Mal auf der Agenda hatte) und satt bekannten Offenbach-Pralinen (Barcarole und Can-Can sind nach dem Kölner Overkill der vergangenen Wochen freilich nur mehr schwer zu ertragen) auch nahezu Unbekanntes aus der Feder des Jubilars erklang: Würde irgendjemand bei der hochromantischen, stilistisch zwischen Spohr, Weber, Mendelssohn und frühem Wagner changierenden Ouvertüre für großes Orchester von 1843 auf Offenbach kommen?

Darüber hinaus sprach die Güte der Aufführung für sich. Die Sopranistin Jenny Daviet glänzte mit locker-genüsslich servierten Arien und der Cellist Pablo Ferrández mit einer hochpoetischen, zwischen zorniger Attacke und inbrünstigem Gebet gehaltenen Interpretation von „Introduction, Prière et Bolero“. Auch Spielqualität, Intensität und Verve des Kombinationsorchesters überzeugten rundum – wobei das Hauptinteresse vorab der Frage galt, ob Roths Konzept aufgehen würde, immerhin entstammen die beteiligten Orchester ganz unterschiedlichen Kulturen und Traditionen.

Tatsächlich konnten die Zuhörer gegenüber dem gewohnten Gürzenich-Klang eine Veränderung wahrnehmen (die ihn zunächst einmal nicht besser oder schlechter, sondern eben anders macht), zum Beispiel in der Performance der Holzbläser. Die Pariser Flöten etwa wirken heller, brillanter, offensiver, „schärfer“ als die Kölner.

Die Gürzenich-Musiker zeigten sich nach dem Konzert genauso wie Roth selbst (der die Kooperation in Köln und Paris fortsetzen will) menschlich wie künstlerisch begeistert von dem Get-Together. Unterschiedliche Kulturen? Vielleicht, aber dieses Problem werde, so war zu hören, nicht zuletzt durch die Identität des Dirigenten behoben, der die Sphären durch seinen Formungswillen zusammenzwinge.

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