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Kein Wort zur WindkraftVerzerrte der WDR Umfrageergebnisse?

Lesezeit 5 Minuten
Grafik Programmbeschwerde Deutschlandtrend

So wurden die Umfrageergebnisse im Deutschlandtrend präsentiert.

Bei einer Umfrage für den ARD-Deutschlandtrend zur Energiepolitik spricht sich die große Mehrheit für den schnelleren Ausbau der Windenergie aus. Doch das wird bei der Präsentation nicht erwähnt.

Wie viel Zeit kostet es, bei der Präsentation von Ergebnissen einer Umfrage die mit Abstand meist gegebene Antwort zu erwähnen? Über diese nur auf den ersten Blick kuriose Frage streitet sich aktuell Klima vor acht mit dem WDR. Der Verein setzt sich dafür ein, Klimaberichterstattung bei den Öffentlich-Rechtlichen zur Primetime auszuweiten.

Ein Beitrag, der im vergangenen August in den „Tagesthemen“ im Ersten gesendet wurde, hatte nun zu einer Programmbeschwerde von Klima vor acht geführt, über die der Rundfunkrat des Senders in seiner Sitzung am Dienstag entscheiden wird. 

Bei der Präsentation des „ARD-Deutschlandtrend“ ging es um die Frage, welche energiepolitischen Maßnahmen sich die Bürgerinnen und Bürger wünschen. Konkret fragte infratest dimap: „Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und seinen wirtschafts- und energiepolitischen Folgen für Deutschland wird über verschiedene Maßnahmen diskutiert. Geben Sie bitte zu den folgenden Maßnahmen an, ob sie aus Ihrer Sicht richtig oder falsch sind.“

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Das Ergebnis war eindeutig. 81 Prozent sprachen sich für einen schnelleren Ausbau der Windenergie aus. Die verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerken und ein befristetes Tempolimit auf Autobahnen nannten jeweils 61 Prozent richtig, für die Förderung von Fracking-Gas in Deutschland sprachen sich hingegen nur 27 Prozent aus.

„Einig ist man sich beim schnelleren Ausbau der Windenergie“, heißt es folgerichtig von infratest dimap. So weit, so eindeutig. Doch in der Einblendung der Ergebnisse im Deutschlandtrend tauchten die 81 Prozent Zustimmung zur Windkraft nicht auf.

Friederike Hofmann, die die Ergebnisse in den „Tagesthemen“ präsentierte, erwähnte sie auch in ihrer Moderation nicht. Vielmehr sagte sie, es werde aktuell eine Reihe energiepolitischer Maßnahmen diskutiert: „Und da haben die Bürgerinnen und Bürger doch ein sehr klares Meinungsbild, was sie möchten oder eben was nicht. Die verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerken, die begrüßen 61 Prozent der Befragten.“ Ebenso viele könnten sich ein befristetes Tempolimit vorstellen. Von Windkraft keine Rede.

Klima vor acht hat gegen dieses Vorgehen Programmbeschwerde eingereicht. Ihr Vorwurf: Die „tagesthemen“ und das WDR-Wahlstudio verstoßen damit gegen die § 5 formulierten Programmgrundsätze des WDR-Gesetzes. Darin heißt es: „Die Nachrichtengebung muss allgemein, unabhängig und sachlich sein. Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.“

Man kann bei dieser Berichterstattung klar von einem journalistischen Versagen sprechen.
Friederike Mayer, 1. Vorsitzende von Klima vor acht

„Man kann bei dieser Berichterstattung klar von einem journalistischen Versagen sprechen. Dass die Maßnahme, die bei den Befragten mit Abstand am meisten Zustimmung erhalten hat, im Schaubild weggelassen wurde und gleichzeitig in der Anmoderation von einem ‚sehr klaren Meinungsbild‘ gesprochen wird, führt zu einer deutlichen Verzerrung der Umfrageergebnisse und damit zu einer Irreführung der Zuschauer:innen“, sagte Friederike Mayer, 1. Vorsitzende von Klima vor acht dieser Zeitung. „Das ist ein eindeutiger Verstoß gegen die Programmgrundsätze des WDR.“

Das sieht WDR-Intendant Tom Buhrow indes ganz anders. In einem vierseitigen Brief an den Verein begründet er, warum er der Beschwerde nicht stattgegeben könne. Sein Hauptargument: Eine einzelne Schalte im ARD-Deutschlandtrend könne „für sich gesehen grundsätzlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, denn für jeden ARD-DeutschlandTrend werden in den Befragungen mehr Ergebnisse erhoben als in der begrenzten Sendezeit präsentiert werden können.“

Tom Buhrow sieht keine Verzerrung

Die Redaktion habe die präsentierten energiepolitischen Maßnahmen danach ausgewählt, „welche auch unter den Regierungsparteien in der jüngeren Vergangenheit besonders stark diskutiert worden sind.“ Das sei nach Einschätzung der Redaktion bei den Themen Kohlekraftwerke, Tempolimit und Fracking-Gas stärker der Fall gewesen als bei Windkraft.

Er könne nachvollziehen, „dass Sie nach dem einleitenden Satz, die Bürgerinnen und Bürger hätten ‚ein sehr klares Meinungsbild, was sie möchten oder eben was nicht‘ auch eine Darstellung der Zustimmung zum schnelleren Ausbau der Windenergie gewünscht hätten.“ Er gebe aber zu bedenken, dass in einer Live-Situation ohne Teleprompter nicht jedes Wort vorab exakt geplant werden könne. „Die Redaktion räumt jedoch ein, dass sie an dieser Stelle zumindest die Gründe der eigenen Auswahl hätte besser verständlich machen können.“

Eine verzerrte Darstellung könne er nicht erkennen. Es werde nicht der Eindruck erweckt, die Deutschen würden dem Ausbau der Windkraft weniger positiv gegenüberstehen als den erwähnten Maßnahmen. Die Darstellung erhalte schlicht keine Aussage dazu „und erweckt somit auch keinen falschen Eindruck“.

Friederike Meyer kann diese Argumentation nicht nachvollziehen: „Die Begründung von Tom Buhrow für seine Ablehnung ist gefüllt mit fadenscheinigen Argumenten. Er beruft sich auf die Sendezeit. Aber das Einblenden eines weiteren Balkens nimmt nicht mehr Sendezeit in Anspruch. Und dadurch, dass man die anderen Maßnahmen hervorhebt, entsteht der Eindruck, die Zustimmung für Kohlekraft und Tempolimit sei am höchsten gewesen.“

Klima vor acht hatte nach Buhrows Ablehnung Widerspruch eingelegt. Deshalb war die Beschwerde am 20. Januar Thema im Programmausschuss des WDR-Rundfunkrats. Dieser berät in einem ersten Schritt über die Argumente und gibt dem Rundfunkrat dann eine Empfehlung, wie er entscheiden soll.

Lange und heftige Diskussionen im Programmausschuss

Wie aus dem Ausschuss zu hören ist, gab es eine sehr lange und heftige Diskussion über die Beschwerde. Doch im Endeffekt sprach sich das Gremium dagegen aus, der Programmbeschwerde beizutreten. Die vier abgegebenen Stimmen zugunsten der Beschwerde (bei drei Enthaltungen) sei aber eine ungewöhnliche hohe Zahl, berichtet ein Mitglied.  

„Ich fand die Auswahl journalistisch unglücklich. Und es leistet Kritikern Vorschub, die sagen, es werde etwas unter den Teppich gekehrt. Ich glaube aber auch, dass das an dem Punkt nicht der Fall war, sondern schlicht unüberlegt gewichtet wurde“, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende des Programmausschusses, Florian Braun. Daher erfülle die Kritik in der Sache nicht die formalen, hohen Hürden einer Programmbeschwerde. „Aber der Sender wird bei weiteren Trendanalysen genauer hinschauen müssen.“

Dass der WDR-Rundfunkrat einer Programmbeschwerde zustimmt, kommt äußerst selten vor. So sieht es im Übrigen auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern vor. Eine Untersuchung des Pro Medienmagazins ergab im Juni 2022, dass im Zeitraum 2016 bis 2021 99,1, Prozent der Beschwerden bei den ARD-Anstalten, dem ZDF und dem Deutschlandradio abgelehnt wurden. 

Für Friederike Mayer ist die Sache klar: „Mit der Ablehnung der Programmbeschwerde würde der WDR-Rundfunkrat als Aufsichtsgremium und notwendiges Korrektiv versagen.“

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