Nach beinahe 40 Jahren trat der Domkapellmeister mit einem in jeder Hinsicht gelungenen Konzert in der Hohen Domkirche ab.
Kölner DomkonzertEine große Feier zum Abschied von Eberhard Metternich

Domkapellmeister Eberhard Metternich in Aktion
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Großes kündigte sich bereits in der Stunde vor Veranstaltungsbeginn an: Allein die lange Menschenschlange, die sich da von der Domhotel-Baustelle zum Dom-Hauptportal wand, ließ vermuten, dass in der Kathedrale diesmal kein (normaler) Gottesdienst bevorstand. Nein, die Hohe Domkirche hatte zur Verabschiedung von Domkapellmeister Eberhard Metternich geladen, und viele gaben dem Mann die Ehre, der die Kölner Dommusik seit nahezu 40 Jahren prägte und ihre Strahlkraft weit über den Dom hinaus begründete. Darunter befanden sich große Teile der städtischen Polit- und Kulturprominenz sowie – bei freiem Eintritt jenseits des Ehrengäste-Panels – mutmaßlich viele Angehörige der Mitglieder aus den vier beteiligten Chorformationen, die, begleitet vom Gürzenich-Orchester, in diesem letzten von Metternich geleiteten Domkonzert noch einmal – besser hoffentlich: wieder einmal – mit ihrer geballten vokalen Potenz aufwarteten.
Das lange – bei zwei Stunden pausenfreie – Programm forderte den Zuhörern einiges an Konzentration und Sitzfleischtraining ab. Wofür sie allerdings reichlich entschädigt wurden. Mit Mozarts monumental-unvollendeter c-Moll-Messe KV 427 und Verdis späten Quattro pezzi sacri standen zwei kirchenmusikalische Gipfelwerke auf der Agenda, die sich zweifellos auch im Konzertsaal eindrucksvoll darstellen lassen. Aber der Kölner Dom an einem Sommerabend mit den unterschiedlichen Lichteffekten bei einfallender Dämmerung, mit dem in die Höhe steigenden Gesang, mit der geballten Aura der Sakralität – all dies verbindet sich zur Anmutung eines Zeiten und Räume überschreitenden Gesamtkunstwerks, das sich auch in einer Philharmonie so nicht herstellen lässt.
Metternich kennt die schwierige Domakustik und weiß sich darauf einzustellen
Die Probleme der Akustik, die sich auch jetzt wieder zeigten, sind für den Dirigenten und die Ausführenden vermutlich weitaus gravierender als für das Publikum. Metternich kennt sie gut und weiß sich darauf einzustellen, ihnen ein Höchstmaß an Transparenz und Deutlichkeit abzuringen. Gleich der Einsatz von im Hauptschiff hinter dem Orchester platzierter Domkantorei und Vokalensemble im Mozart-Kyrie mit dem „K“ markant vor der Zeit – es war ein Muster an Agilität und Präsenz, von schwächeren Chören hört man da selbst unter besseren Rahmenbedingungen nur ein „Yrie“. Die Sopranarie des „Christe“ (bei deren Anhören in dem Kinorenner „Amadeus“ der Konkurrent Salieri verzweifelt die Waffen streckt) ist da weniger riskant – als die Solistin Theresa Klose ihre wahrhaft himmlische Phrase zu den hohen Gewölben schickte, schienen diese sie mehr als nur in Gnaden aufzunehmen.
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Klar, schwierig wird es zum Beispiel, wenn auf einen akkordisch-geballten Tutti-Halbschluss eine leise Gesangsphrase einsetzt – der Dirigent muss ja in der Zeit bleiben, kann nicht, obwohl er es wahrscheinlich gern täte, den Nachhall abwarten. Hier stoßen auch Akustik und Klangästhetik zusammen: Metternich will im Prinzip fein und leicht singen lassen – was er sich im Dom aber immer wieder versagen muss. Im „Gratias“ etwa hielt er die Choristen in diesem Sinne zu aggressiven Punktierungen an – die dann auch entsprechend effektvoll herüberkamen. Überzeugend dank des investierten Durchhalte- und Steigerungswillens gelang auch die große Fuge am Schluss des Gloria. Die langen Noten des Themas standen hier wie Felsen in der Brandung.
Dass die Gesangssolisten – neben Klose waren dies Katarina Nirfa, Felix Tudorache und Konstantin Paganetti – immer wieder nach großer Oper klangen (zumal die Frauen mit vibratointensiver Exaltation), muss man ihnen nicht übelnehmen. Das ist Mozarts „Schuld“, heute sieht man die Vermischung von Kirche und Bühne mutmaßlich kritischer als im ausgehenden Rokoko. Das Gürzenich-Orchester erfreute durchweg, auch durch die Leistungen seiner Bläsersolisten.
Großartig zunutze machte sich Metternich die Raumverhältnisse dann bei Verdis Pezzi sacri – einem Werkcorpus, das ihm nach eigener Auskunft sehr am Herzen liegt. Zusätzlich zu Domkantorei und Vokalensemble kamen hier, seitlich postiert, Domchor und Mädchenchor zum Einsatz – a cappella im „Ave Maria“ (dirigiert von Simon Schuttemeier) und „Laudi“ (Oliver Sperling), in respondierenden Klangmassen mit Orchester unter Metternich dann im von Haus aus doppelchörigen finalen „Te Deum“. Der aus drei Richtungen vollzogene Angriff auf die Publikumsohren erzeugte ein Klang-Environment, wie man es sich eindrücklicher kaum vorstellen kann. Und wie die Chöre mit den Anforderungen der Partitur – zwischen Gregorianik und fortgeschrittener chromatischer Harmonik – zurecht kamen, das machte ihnen wie ihrem Lehrer alle Ehre.
Metternich wurde dann zu später Stunde auch inbrünstig gefeiert. Keine Frage: Der Nachfolger tritt in große Fußstapfen.