Ab dem Jahr 2030 sollen die Kölner Museen die Massen anziehen. Ein weiter Weg, wie die aktuelle Besucherstatistik zeigt.
Kölner MuseenSo wird das nichts mit dem europäischen Spitzenniveau

Das Museum Ludwig hatte 2024 mit Abstand die meisten Besucher in Köln.
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An einem Montagabend im Frühjahr 2023 lud Henriette Reker das Publikum im Kölner Wallraf-Richartz-Museum dazu ein, vom Jahr 2030 zu träumen, eine Zeit, in der die Stadt, so die Oberbürgermeisterin, zum „Sprung auf eine neue kulturelle Höhe“ ansetzen werde. „Ich möchte Köln groß denken“, so Reker damals, auf „europäischem Spitzenniveau“, eine Vision, die mit der bis 2030 fertiggestellten Historischen Mitte und der von Museen gesäumten Via Culturalis Wirklichkeit werden sollte.
Gut zwei Jahre später sind die Kölner Museen vom europäischen Spitzenniveau noch weit entfernt – jedenfalls bei den Besucherzahlen. Im Jahr 2024 kamen rund 740.000 Menschen in die neun städtischen Häuser, ein Plus von 4000 Besuchern im Vergleich zum Vorjahr; 2019 waren es immerhin 892.000 gewesen. In den kulturtouristischen Metropolen sehen die Zahlen ganz anders aus. Allein der Pariser Louvre zählte im gleichen Zeitraum 8,7 Millionen Besucher, die Tate Modern in London 4,6 Millionen, das Amsterdamer Rijksmuseum 2,5 Millionen und selbst die Berliner Museumsinsel 1,86 Millionen.
Stefan Charles setzt seine Hoffnungen auf das Jahr 2030
Als Kulturdezernent hat Stefan Charles die Aufgabe, den Traum der Oberbürgermeisterin in eine wie auch immer geartete Wirklichkeit zu verwandeln – allerdings ohne die abbestellte Historische Mitte. Auch Charles setzt seine Hoffnungen auf das Jahr 2030, in dem die laufenden Sanierungen der maroden Kölner Museen abgeschlossen sein sollen – und nannte in dieser Zeitung als konkretes Ziel zwei Millionen Besucher jährlich, beinahe eine Verdreifachung der aktuellen Eintritte. Wie er diese Steigerung erreichen will, bleibt unklar. Zwar dürfte die Wiedereröffnung des Römisch-Germanischen Museums die Statistik deutlich verschönern. Vor seinem Umzug ins Interim gehörte das RGM zu den beliebtesten Kölner Museen. 2017 kamen 181.000 Besucher, ins Belgische Haus fanden 2024 lediglich rund 34.000 Menschen. Aber damit allein erreicht man allenfalls die Marke von einer Million.
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Ohne Zweifel gibt es Steigerungspotenzial. Das Kölnische Stadtmuseum verzeichnet in seinem Interim ebenfalls deutlich weniger Besucher als im maroden Zeughaus; 2024 waren es 43.472. Das Museum für Angewandte Kunst ist eine Dauerbaustelle, auf der Ausstellungsflächen zeitweise nicht genutzt werden konnten. 2024 kamen 45.523 Besucher, im vorherigen Jahr waren es noch rund 67.000. 2028 soll zudem das Jüdische Museum in der Archäologischen Zone eröffnet werden. Allerdings ist noch lange nicht ausgemacht, dass all diese Baustellen im Zeitplan bleiben oder im Fall des Zeughauses überhaupt angegangen werden. Mit der nach 2030 anstehenden Sanierung des Museums Ludwig droht zudem der nächste Knick in der Besucherbilanz.
Mit dem Museum Ludwig (256.290 Besucher), dem Wallraf-Richartz-Museum (149.298) und dem Römisch-Germanischen Museum hatte Köln stets drei Publikumsattraktionen. Die Bedeutung der städtischen Museen ergibt sich aber auch aus deren Vielfalt, der oft beschworenen Perlenkette der (derzeit) neun Schatzhäuser. Köln verfügt über bedeutende Sammlungen moderner, klassischer, antiker, angewandter, mittelalterlicher, ostasiatischer und außereuropäischer Kunst – ein in Deutschland einmaliger Museumsschatz.

Ins NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln kamen 2024 rund 93.000 Besucher.
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Gleichwohl ist es der Stadt Köln bisher nicht gelungen, diesen Schatz als solchen zu vermarkten. Gerade das Museum für Ostasiatische Kunst und das Museum Schnütgen profitierten 2024 kaum von ihrer prominenten Nachbarschaft: Das Schnütgen zählte 27.641 Besucher, das MOK lediglich 22.979. An der Qualität der Ausstellungen liegt es nicht, die ist in beiden Häusern hoch. Beim Schnütgen hängen die Besucherzahlen an den großen Sonderausstellungen, die das unterbesetzte Haus nur etwa alle zwei Jahre stemmen kann. Das MOK leidet unter seiner Randlage am Aachener Weiher und an der Vernachlässigung seitens der Stadt. Seit Jahren gibt es dort nicht einmal eine Gastronomie.
Gerade den „kleinen“ Häusern fehlt das Budget, um für sich zu werben – Stefan Charles will diese Notlage beheben, indem er die Museen darauf verpflichtet, mehr Drittmittel zu akquirieren. Mitunter sind die Direktoren aber bereits glücklich, den knappen Ausstellungsetat durch Sponsoren aufbessern zu können. Einzig das NS-Dokumentationszentrum schreibt unter den kleineren Häusern derzeit eine Erfolgsgeschichte: 2024 kamen 93.215 Besucher, eine weitere Steigerung nach den rund 76.000 im Jahr zuvor. Wobei sich die Gedenkstätte kaum mit einem „normalen“ Museum vergleichen lässt.
An „Blockbustern“ fehlte es gerade im Museum Ludwig zuletzt
Für eine Verdreifachung der Besucherzahlen werden auch die beiden Flaggschiffe der Kölner Museen ordentlich zulegen müssen. Das Wallraf konnte sich im Vergleich zu 2023 deutlich steigern, bleibt aber ebenso deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau von 2019 (damals hatte es rund 194.000 Besucher). Das Ludwig verlor im Vergleich zu 2023 an Zuspruch (es kamen etwa 25.000 Besucher weniger), übertraf dafür aber sein Niveau von 2019. Solche Vergleiche zwischen einzelnen Jahren sind allerdings nur bedingt aufschlussreich, weil die Besucherzahlen auch im Ludwig und Wallraf an den jeweiligen Sonderausstellungen hängen. Ein einzelner „Blockbuster“ kann in dieser Rechnung einen gehörigen Unterschied ausmachen; die 360.000 Besucher der legendären Edward-Hopper-Ausstellung im Ludwig dürften aber unerreicht bleiben.
An „Blockbustern“ fehlte es gerade im Museum Ludwig zuletzt; die große Andy-Warhol-Ausstellung fiel ausgerechnet in die Corona-Zeit. Im Vergleich mit anderen deutschen Häusern ähnlichen Ansehens liegt das Haus in der Besucherstatistik leicht bis deutlich zurück. Die Kunstsammlung NRW meldet für 2024 rund 300.000 Besucher, der Düsseldorfer Kunstpalast eine halbe Million. Aus dem Museum Folkwang in Essen werden 175.000 Besucher für 2024 gemeldet; 2022 waren es dort 442.000, allerdings auch dank freien Eintritts in die ständige Sammlung. Um ein Beispiel außerhalb NRWs zu nennen: Die Staatsgalerie in Stuttgart zählte vergangenes Jahr rund 282.000 Eintritte.
Natürlich bemisst sich der Erfolg eines Museums nicht allen an den Besucherzahlen; vom Ludwig darf man zu Recht andere Ausstellungen erwarten als diejenigen, mit denen der Kunstpalast Rekorde feierte. Aber Eintritte sind nun einmal die harte Währung des Museumsgeschäfts, gerade, wenn man als Stadt aufs europäische Spitzenniveau will. Von der Via Culturalis und deren Touristenströmen zu träumen, wird dafür nicht reichen. Man muss auch entsprechend in seine Schatzhäuser investieren.