Kölner PhilharmonieWas Philipp Herreweghe mit der Matthäuspassion anders macht

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Zuschauersaal der Kölner Philharmonie (Symbolbild)

Zuschauersaal der Kölner Philharmonie (Symbolbild)

Köln – Bachs Matthäuspassion ermöglicht – ein Kriterium ihres Ranges – viele Zugänge: Wilhelm Furtwängler dirigierte sie einst als deutsch-klassisches Kulturgut, Otto Klemperer als sophokleische Tragödie, Karl Richter als klingendes Glaubensbekenntnis. Und Philipp Herreweghe, der das Großwerk jetzt mit seinem Collegium vocale Gent (Chor und Orchester) in Kölns Philharmonie aufführte?

Philipp Herreweghe hält sich mit Dramatik zurück

Eine bündige Antwort ist so leicht nicht möglich, und auch die Verpflichtung auf die Tradition der historischen Aufführungspraxis will heute, im Kontext von Harnoncourt, Gardiner und Koopman, für sich genommen wenig besagen. Vielleicht wird der Stil der – handwerklich erwartbar ausgezeichneten – Interpretation am besten durch das bezeichnet, was der Flame nicht macht: Er versucht nicht, eine durch äußere Dramatik packende Oper auf die Beine zu stellen. Tempi und Agogik sind nicht spektakulär erhitzt; der Choral im Eingangschor kommt deutlich, aber nicht strahlend-triumphal, und selbst bei einem Spottchor wie „Gegrüßet seist du“ bleibt die Gestik zurückhaltend – andere Dirigenten würden hier mehr „machen“.

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Herreweghe „macht“ überhaupt wenig: Seine Impulse sind sparsam, unterbleiben auch da, wo man sie erwarten könnte, etwa bei den heiklen Einwürfen der Chorgruppen. Sie scheinen freilich auch nicht nötig, die Profisänger absolvieren ihre Punktlandungen entspannt, sicher und genau. Insgesamt bleibt der Eindruck einer zurückgenommenen – wenn man so will: noch kirchennahen – Darstellung, die ihre unbestreitbare Intensität aus Detailgenauigkeit, Unterstimmen-Belebung und sorgfältiger Binnenphrasierung gewann. Von letzterer profitierten auch die zwischen Silbenskandierung und Legato-Linie schön ausgeformten Choräle.

Die Riege der Vokalsolisten überzeugt

Zum Niveau der Aufführung trug erheblich die Riege der Vokalsolisten bei, die mit den illustersten Namen der aktuellen Alte-Musik-Szene gespickt war. Sie sangen übrigens (bezeichnend für den allgemeinen Verzicht an individueller Zurschaustellung) als Mitglieder der jeweiligen Gruppe – was angesichts der Zwei-Chörigkeit eine Verdopplung der Partien erzwang. Eine Dorothee Mields etwa als Solo-Sopran ragte da in Sachen Tragfähigkeit, Linienführung und Tongebung unter den Kollegen gar nicht mal heraus. Bestechend agierten vor allem Reinoud Van Mechelen in seiner so engagiert wie manierenfrei ausgeführten Evangelistenpartie und Florian Boesch als aus der Tiefe heraus füllig-kraftvoller und von schönem Samtklang beseelter Jesus.

Diese auswärtige Matthäuspassion war heuer die einzige in der Philharmonie. Was die Frage nahelegt: Wann bekommen wir wieder mal eine von „unserem“ Gürzenich-Orchester zu hören?

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