Suche nach neuer OpernintendanzStadt Köln eröffnet neue Kulturbaustelle

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Birgit Meyer

Köln – Die Sache ist klar, und eigentlich könnte man zur Tagesordnung übergehen: Die Kölner Oberbürgermeisterin will den Vertrag der Opernintendantin gegen deren mehr oder weniger ausdrücklichen Willen nicht verlängern.

Entsprechende Gespräche zwischen Henriette Reker und Birgit Meyer wurden am Dienstag vom OB-Büro bestätigt, eine offizielle Stellungnahme des Stadtoberhaupts soll im Lauf dieser Woche folgen. In der Politik wiederum ist keine Gruppe auszumachen, die da Gegenwind entfachte – vor allem nicht bei Grünen und CDU, den Parteien des Reker-Bündnisses: „Im Stadtrat ist derzeit keine Initiative zugunsten von Frau Meyer erkennbar“, verlautet es lapidar aus der Grünen-Fraktionsspitze.

Damit ist klar: Köln wird im Jahre 2022 einen neuen Opernintendanten (bzw. eine neue Opernintendantin) bekommen. So weit, so gut? Weit vielleicht, gut leider nicht, denn allzu viele Fragen bleiben offen, und es zeichnen sich, wie es aussieht, eine Reihe gravierender Probleme ab.

An den Aufgaben gewachsen

Zur Causa Meyer: Auch frühere Gegner der Intendantin und Skeptiker räumen inzwischen ein, dass Birgit Meyer unter den schwierigen Bedingungen des Staatenhaus-Interims einen mehr als ordentlichen Job macht. Es drängt sich in der Breite der Eindruck auf, dass sie mit den Jahren an ihren Aufgaben gewachsen ist. Auslastung, Repertoire, Regisseure-, Dirigenten- und Sängerauswahl – all das kann sich, Ausreißer eingerechnet, sehen und hören lassen. Die Zeiten, da katastrophale Inszenierungen wie der „Freischütz“ im Blauen Zelt die Frage nahelegten, ob Meyer den Job wirklich auszufüllen vermöge, sind vorbei.

Autoritärer Stil?

Über das Betriebsklima und Meyers als autoritär empfundenen Führungsstil allerdings haben Mitarbeiter der Oper, wie Insider berichten, wiederholt Klage geführt – und dieser Punkt soll eine nicht ganz unscheinbare Blume im Strauß der Nichtverlängerungsgründe sein. Die offizielle Begründung ist indes eine andere: Nach zehn Jahren soll – auch mit Blick auf die anstehende Wiedereröffnung der Riphahn-Oper – frischer Wind durchs Haus wehen.

Wie auch immer: Für Meyer sollte eigentlich sprechen, dass sie sowohl das Haus am Offenbachplatz als auch die gegenwärtigen Spielstätten aus intensiver „Innenschau“ kennt. Warum also will man – die Frage wird in der Kölner Kulturszene kopfschüttelnd gestellt – diese Expertise nicht gerade im Hinblick auf den irgendwann zu gewärtigenden Umzug der Oper an den Offenbachplatz nutzen? Abgesehen davon, dass es auch menschlich zuträglich gewesen wäre, Meyer persönlich den Wiedereinzug ins angestammte Quartier zu gönnen. Ist dies jetzt nicht ein denkbar ungünstiger Augenblick, die Pferde zu wechseln?

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Die Probleme, die man mit einer Vertragsverlängerung vermieden hätte, dürften sich auf mehreren Ebenen einstellen. Da ist zunächst die Prozedur der Nachfolgesuche. Wie (gerüchteweise) zu hören ist, hat sich die Nicht-Fachfrau Reker unter anderem Ulrich Khuon, Intendant am Deutschen Theater Berlin und Präsident des Deutschen Bühnenvereins, als externen Berater geholt (auch ein Personalberater soll aktiv werden). Khuon fährt eher auf dem Schauspielticket, aber bei der Zusammenstellung einer Findungskommission könnte er zweifellos gute Dienste leisten.

Eigentlich wäre die Etablierung einer solchen Kommission Aufgabe des städtischen Kulturdezernats. Susanne Laugwitz-Aulbach indes ist nach ihren allgemein als Desaster empfundenen Bemühungen um einen Nachfolger für den Schauspielintendanten Stefan Bachmann angeschlagen, angezählt – wobei diese Begriffe wohl noch zu harmlos sind. Nein, Laugwitz-Aulbach hat, und das weiß sie selbst am besten, keinerlei Chancen, nach Ablauf ihrer Amtsperiode im kommenden Jahr als Beigeordnete wiedergewählt zu werden; sie gilt als „lame duck“, die mit der Intendantensuche zu betrauen eigentlich niemand mehr ein Interesse hat. Auch die OB nicht.

Im Fall von Georg Quander, Laugwitz-Aulbachs Vorgänger, war das anders: Der agierte auch nicht immer glücklich, fuhr damals mit einer Findungskommission in Sachen Opernintendanz gegen die Wand, sorgte dann aber immerhin dafür, dass Uwe-Eric Laufenberg Nachfolger von Christoph Dammann wurde. Mit der Causa Laugwitz-Aulbach verbindet sich indes nicht nur das Problem, wer – und sei es als kompetenter Ansprechpartner – die Intendantensuche aus der Stadt heraus managen soll. Vielmehr sehen sich Politik und Verwaltung eben auch mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Nachfolge im Kulturdezernat zu organisieren. Hinzu kommt die nach wie vor hängende Bachmann-Nachfolge.

Drei Baustellen in zentralen Bereichen der Kulturverwaltung – ein bisschen viel auf einmal, konstatieren auch Kenner der Szene. Das Problem der Theaterintendanzen wäre theoretisch mit einem Zauberschlag zu lösen: mit der Rückkehr zu einer Generalintendanz, wie sie unter Günter Krämer bestanden hat. Zeitlich ginge das, Bachmann bleibt bis 2023 in Köln, also nur ein Jahr länger als Meyer. Die Idee Generalintendanz erfreut sich allerdings, wie aus der Politik zu hören ist, gerade dort keiner großen Beliebtheit.

Last not least die zentrale Frage, welche Vorstellung man von Meyers Nachfolger/in hat. Das willkommenste Szenario wäre noch dieses: Man hat längst einen prominenten Namen an der Angel, springt also mit der Nichtverlängerung des Vertrags nicht ins Dunkle. Durchgesickert ist freilich bislang nichts, und insgesamt gilt diese Option als unwahrscheinlich.

Für die Topliga wenig attraktiv

Wahrscheinlicher ist die Alternative: dass man sich erst in diesen Tagen auf die Suche begibt. Die wäre dann aber in der Tat der erwähnte Sprung ins Dunkle – und solche Sprünge sind bekanntlich risikoreich. Das kardinale Problem: Warum sollte für einen potenziellen Aspiranten gerade aus der künstlerischen Topliga (in der die Opernstadt schließlich mitspielen will) die Kölner Opernintendanz in diesen Tagen attraktiv sein?

Katze im Sack

Die Situation im Staatenhaus mag ob ihrer experimentellen Signatur auf manche beflügelnd wirken – andere wird sie eher abtörnen. Vor allem aber: Es ist derzeit überhaupt nicht abzusehen, wann diese Situation endet. Der Termin für eine Wiedereröffnung des sanierten Riphahn-Baus steht nach wie vor in den Sternen. Von 2024 oder 2025 ist die Rede, niemand aber vermag verbindlich zu sagen, dass es nicht doch noch 2026, 2027, 2028 wird. Schon zu oft hat sich das Haus am Offenbachplatz als negative Wundertüte erwiesen. Somit kaufte der neue Mann oder die neue Frau bei Vertragsantritt auf jeden Fall eine Katze im Sack. Wer aber ist dazu bereit?

Schon jetzt absehbar ist somit, dass das Personalkarussell eine überschaubare Besetzung haben wird. Muss man am Ende etwa an Hecken und Zäune gehen? Diese Frage drängt sich auch auf, weil man ob der notwendigen Planungsvorläufe de facto nur wenig Zeit für die „Findung“ hat. Fachleute halten die gegebenen Fristen bereits für zu kurz.

Für Spannung hat die Entscheidung der Oberbürgermeisterin also gesorgt. Ist ja auch schon was, mag man sagen. Ob über dieser Spannungssituation viele froh werden, das allerdings steht auf einem anderen Blatt.  

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