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Schwester SWagenknecht trifft Rapper Massiv: „Gab es bei Euch Bananen in der DDR?“

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und Rapper Massiv. Foto: Asfand Saeed / Michael Kappeler, Bildmontage: KStA.de

BSW-Chefin Sahra Wagenknecht war bei Rapper Massiv im Videointerview zu Gast.

Nach der Bundestagswahl hat sich Sahra Wagenknecht rar gemacht. Jetzt taucht sie in einem Talk mit Rapper Massiv wieder auf – und wiederholt alte Vorwürfe.

Sahra Wagenknecht war lange aus der politischen Landschaft hierzulande nicht wegzudenken, bereits ab Anfang der 1990er Jahre gehörte sie zum Bundesvorstand der PDS. Dem Reformkurs unter dem damaligen Bundesvorsitzenden ihrer Partei, Gregor Gysi, stellte sich Wagenknecht entgegen, trat für eine Rückbesinnung auf die DDR ein. Gysi sagte über das Erfolgsgeheimnis seiner Widersacherin Wagenknechts in einem Interview mit dem Magazin Der Spiegel im Jahr 2023, sie habe mit ihrer „Präsenz“ herausgestochen, weil sie „trotz ihrer Jugend nicht modern, sondern eher konservativ“ gewirkt habe. Ihre Reden kamen an, ihr Kleidungsstil unterschied sie von den anderen. Statt den strengen Kostümen, die Wagenknecht heute trägt, trug sie in den 1990ern gerne auch mal kniehohe Stiefel zu Rock. Nur der Blazer, der war schon damals da. „Da war nun diese junge Frau, die unbedingt das Alte [die DDR] wiederhaben wollte“, so Gysi. Jetzt taucht jene Sahra Wagenknecht bei Rapper Massiv im YouTube Vlog auf.Was hat es damit auf sich?

Heidi Reichinnek: Tattoos und TikTok

Heidi Reichinnek, eine ihrer späteren Nachfolgerin als Fraktionsvorsitzenden der Linken, ist so ziemlich das, was man als das Gegenteil von Wagenknecht bezeichnen kann. Die 37-Jährige ist über und über tätowiert und sie ist ein Star auf Social Media. Auf Instagram und TikTok folgen ihr jeweils mehr als 600.000 Menschen, Reichinnek trifft Jennifer Weist, Frontfrau der Band Jennifer Rostock, ist bei den populären Formaten ‚World Wide Wohnzimmer‘ oder ‚Apokalypse & Filterkaffee‘ zu Gast oder rappt das Parteiprogramm.

Der Rapper MC Smook hat ihr einen Freestyle gewidmet, im Video zu sehen: Heidi Reichinnek.Wagenknecht nutzt Social Media anders, inhaltlich und optisch könnte der Unterschied zwischen den beiden Politikerinnen kaum sein.Reichinnek wird zugeschrieben, ihre Partei von Umfragewerten von 3 Prozent (Anfang Januar 2024) in nur sechs Wochen zu einem Wahlergebnis von 8,8 Prozent und damit in den Bundestag geführt zu haben. Seitdem konnte die Linke weiter zulegen. Vor allem bei jungen Leuten kommt sie an. Wagenknechts BSW hingegen verlor seit dem verpassten Einzug ins Parlament an Stimmen, Wagenknechts Einfluss schwindet. Nun war sie bei „Massiv on Air“ zu Gast, ein Format Massivs, eine größere Nummer im Deutschrap-Kosmos, seit 20 Jahren dabei.

Es war nicht das erste Gespräch der beiden, bereits vor drei Monaten hatten die BSW-Vorsitzende und der saarländische Rapper palästinensischer Abstammung auf YouTube diskutiert. Man kennt sich, man versteht sich. Der Titel: „Gaza, Ukraine, Rente, Steuern & Cannabis – was läuft falsch?“ Genau das hat Wagenknecht mit Massiv erneut diskutiert – bei einem lockeren Besuch beim Rapper zu Hause.

Massiv Attack: Zahmer Rapper, zahme Parteivorsitzende

Massiv, breites Kreuz, breite Oberarme, führt Wagenknecht in sein Home Gym. „Wenn wir später live gehen, so Massiv, wäre es eigentlich auch interessant, dass man einfach mal über dich als Person auch redet“, befindet der Rapper und zählt dann gleich mal auf, was die Zuschauer interessieren könnte, „Was sind deine Lieblingsfilme? Was ist dein Lieblingsessen? Wie hoch muss dein Lieblingspferd springen?“ „Reiten kann ich leider gar nicht“, lacht Wagenknecht.Dann geht es schnell. Ob das in Klärung sei, so der 42-jährige Rapper, denn eigentlich sei für jeden klar, was da passiert ist.

„Das ist eine Riesensauerei“ und spätestens bei den die Antwort der BSW-Politikerin einleitenden Worten ist klar: hier geht es um die Bundestagswahl und die von ihrer Partei geforderte Neuauszählung der Stimmen. Wagenknecht beschwert sich über das Nein dazu, es sei absurd, dass man ein solches Anliegen vor dem Bundestag vorbringen müsse, das sei, wie zur Mafia zu gehen und dort Schutzgelderpressung anzuzeigen, findet Wagenknecht.Wie passend, dass bei Massiv ein überdimensionales Gemälde verschiedener Film-Mafiosi an der Wand hängt. Pacino, De Niro – die üblichen Verdächtigen also. „Aber alle in ihrer Rolle“, stellt Massiv klar.

Später stellt er mit Fragezeichen fest: „DDR, da kam ja nicht alles rein“, Wagenknecht spricht von West-Fernsehen und dem Sandmännchen und Pittiplatsch. Massiv fragt, ob es einmal im Jahr Bananen gegeben habe. Sie reden über Super Mario, der ebenfalls an der Wand hängt, über Union Berlin, die Größe ihres Video-Teams. Massiv und Wagenknecht springen von Thema zu Thema, von Belanglosigkeit zu Belanglosigkeit.

Im Talk nach dem Rundgang wird es politischer, es geht nochmal um die von Wagenknecht als ungerecht empfundene Behandlung, die, die anderen Politiker dem BSW entgegenbringen würden. „Die bezeichnen sich immer als demokratische Mitte, demokratische Mitte in dem Sinne, was ihnen zugutekommt“ stimmt der Musiker in Wagenknechts Klagelied ein, die BSW-Politikerin ihrerseits spricht den anderen Parteien ab, das Demokratie-Verständnis zu erfüllen, dass sie selbst von sich behaupten zu haben. Auch das Thema Gaza kommt wenig überraschend zur Sprache, Massiv hat palästinensische Wurzel. Der Rapper könnte bei vielen Themen nachfragen, infrage stellen, Kontra-geben. Aber der breitschultrige Gelegenheitsschauspieler bleibt zahm. Man kennt sich, man schätzt sich. 

Massiv und Wagenknecht: „Kranke Combi“

Den Usern gefällt trotzdem, was sie sehen. „Kranke Combi“, „Meilenstein in Deutschland“, „Massiv einfach der neue Markus Lanz geworden“ heißt es etwa, oder „Brooo wie geil, Massiv einfach Multi universell“ meint ein Kommentator unter dem Video, Wagenknecht sei die mit Abstand beste Politikerin überhaupt, danach komme Gysi.

Wenig überraschend kommt auch Sahra Wagenknecht gut an, ihrer Partei solle man die Stimme geben, fordern viele oder teilen mit, es bereits getan zu haben. Wagenknecht wird sich „4 President“ oder wahlweise „for Kanzler“ gewünscht. Und mit Alice Weidel und Jürgen Todenhöfer hat so manch einer bereits konkrete Vorstellungen von Massivs nächstem Gast.

Nach dem Bruch mit der Linken, legte die von ihr 2024 neu gegründete Partei BSW einen fulminanten Start hin: in drei Ostdeutschen Bundesländer schnitt die BSW bei ihrem Landtagswahl-Debüt zweistellig ab, in zwei Regierungen ist sie seitdem beteiligt, auch in das Europaparlament konnte man einziehen. Den Einzug in den Bundestag hingegen verpasste die Partei hingegen denkbar knapp – mit weniger als 10.000 fehlenden Stimmen. Wagenknecht hatte ihre politische Zukunft an das Abschneiden bei der Bundestagswahl 2025 geknüpft. Sie ist noch da, so stark wie in der Vergangenheit jedoch längst nicht mehr.

Ob Wagenknechts Auftritt in Massivs Talk Format der Politikerin wirklich hilft, darf bezweifelt werden. Vielleicht bildet der jedoch den Anfang, einer neuen Selbstmarketing-Offensive der Wagenknechts.