Die Fantastischen Vier in KölnDie netten Hip-Hop-Onkel können es immer noch

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Die Fantastischen Vier bei ihrem Konzert im Kölner Rheinenergie-Stadion.

Köln – Nach knapp eineinhalb Stunden ist es dann so weit: Mit Bläsern untermalt, wippen die Fantastischen Vier über die Bühne des Rheinenergie-Stadions und stimmen mit „Die da?!“ den Song an, der sie vor 30 Jahren aus dem wohlstandsgesättigten Stuttgart auf die Cover der Bravo und in die Charts katapultiert hat. Na klar: der Bart von Thomas D mag etwas ergraut sein, die Knie von Smudo, Michael Beck und And.Ypsilon nicht mehr so gelenkig wie bei Erscheinen des ersten Hip-Hop-Hits in deutscher Sprache. Aber am Samstagabend lassen sich die Fantastischen Vier bei ihrer atemlos vorgetragenen Stadionshow davon nichts anmerken. Beim nicht ganz ausverkauften Konzert konnten sich einige Rapper abschauen, wie man in Würde altert.

Obwohl: so richtig „Hip-Hop“ war das, was die Fantastischen Vier mit „Die Da“ losgetreten haben ja eigentlich nie. Zumindest, wenn man ihren Kritikern glaubt. Die Stuttgarter Crew musste schon früh mit Ablehnung umgehen lernen. Zu bürgerlich, zu poppig, zu bunt, zu wenig Straße – das waren so die Vorwürfe, mit denen Smudo und Co. sich seit jeher herumschlagen müssen. Vom Bordstein in die schwäbische Mittelschichtsblase, heute würde man das wohl kulturelle Aneignung nennen.

Die Fantastischen Vier wissen, wie man eine Live-Show aufzieht

Auf der anderen Seite ebneten die Fantastischen Vier dem deutschen Rap damit den Weg vom Jugendzentrum in die Charts. Vor allem Künstler wie Cro, Casper oder Clueso, die mit den klassischen Gangsta-Rap-Posen nie viel anfangen konnten, wären mit der Pionierarbeit des Stuttgarter Quartetts kaum zu denken gewesen. Die Zeit der großen Kontroversen ist sowieso längst vorbei. Die Fantastischen Vier sind sowas wie die netten und altersweisen Hip-Hop-Onkel geworden, auf die man in der Szene mit Respekt und Achtung blickt.

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Jedenfalls, und egal wie man zu den Fantas steht: wie man eine Live-Show aufzieht, das wissen die Fantastischen Vier immer noch ganz genau. Ihre Stadiontour „Für immer 30 Jahre live“ musste wegen der Corona-Pandemie um zwei Jahre verschoben werden. In Köln brachten die Stuttgarter nicht nur Flo Mega und DJ Thomilla als Unterstützung mit, auch Kasalla durfte nach ihrem eigenen Stadionkonzert einen Tag zuvor nochmal auf die Bühne, bevor der Vorhang um halb Neun für die Fantastischen Vier fiel.

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Ihre mitgealterten Fans feiern die Fantastischen Vier frenetisch.

Musikalisch begleitet wurden sie von einer exzellenten Band, die die Hits der Fantas musikalisch in Szene setzte. Und mit denen sie sich auf eine nostalgische Reise durch dreißig Jahre Bandgeschichte machten. Mit dabei waren alle großen Hits: zum Auftakt präsentierten die Fantastischen Vier eine zehnminütige Version von „MfG“, bei der sie sich quer durch die Popgeschichte, aber vor allem durch die eigene Diskographie zitierten.

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Auch Songs wie „Sie ist weg“, „Troy“ und „Ernten was wir säen“ durften in der schwülen Hitze der Müngersdorfer Nacht natürlich nicht fehlen. Nein, die technisch anspruchsvollste Rap-Crew mit den innovativsten Flows und den ausgebufftesten Reimstrukturen, das waren die Fantastischen Vier noch nie. Dafür beweisen sie seit jeher ein untrügliches Gespür für Hits und Zeilen zum Mitgrölen.

Live-Show im Rhein-Energie-Stadion mit Charme einer Jam-Session

Ihre über die Jahrzehnte mitgealterten Fans feiern die Fantastischen Vier in Müngersdorf dafür frenetisch. Und die Band lebt auch auf der großen Bühne im Rheinenergie-Stadion ihren anarchischen Spieltrieb aus, wenn Michi Beck zwischen dem pompös orchestrierten „Ernten was wir säen“ auch mal zum Turntable läuft und ein paar Scratches dazusteuert, oder Smudo bei „Pipis und Popos“ mit quietschiger Helium-Stimme dreinrappt. Die Fantas bewahren sich auch auf der großen Bühne den Charme einer Jam-Session.

Nach zwei Stunden, in denen sich die Stuttgarter kaum eine Pause gönnten, endet das Konzert dann mit „Troy“ im Konfettiregen. Die Menge tobt und skandiert „Oh wie ist das schön“, nur ein paar Kinder bleiben am Bühnenrand sitzen und schauen sich verdutzt an, wie ihre Eltern der Band ihrer Jugend zujubeln. Tja, auch das ist Hip-Hop.

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