Kölner „Tatort”-Kommissare„Wir sind für den Mainstream zuständig, ist das schlimm?”

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Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, r) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, l) in ihrem neuen Fall „Spur des Blutes”.

Herr Bär, Herr Behrendt, seit 25 Jahren sind Sie als „Tatort“-Kommissare in Köln im Einsatz. Was reizt Sie nach so vielen Jahren und Filmen noch an Ihren Rollen? 

Dietmar Bär: Ein 61-jähriger Kriminalhauptkommissar, der jeden Tag loszieht und immer mit schlimmen Dingen in seinem Beruf zu tun hat, fragt sich das vielleicht. Wir hingegen können uns freuen, jedes Mal mit einem neuen Team zusammenzukommen. Ich habe wirklich schon viel gesehen, aber es gibt immer eine neue Konstellation, ein neues Drehbuch, dazu kommen im Cast die neuen Kollegen. Die jungen Leute, die 30, 40 Jahre jünger sind, sind neugierig auf uns und wir auf sie. Es ist immer wieder etwas anderes.

Sie sprechen es an. Sie drehen in immer neuen Konstellationen. Ist das nicht auch anstrengend?

Klaus J. Behrendt: Für mich ist genau das das Salz in der Suppe. Nach dem Film ist vor dem Film. Es kommt wieder eine neue Geschichte mit einer neuen Thematik. Ein neuer Regisseur oder eine neue Regisseurin hat eine eigene Vorstellung von der Umsetzung und vom Bild. Dafür bringen sie dann ihren eigenen Kameramann mit, der auch wieder eine eigene Vorstellung vom Licht hat. Der bringt dann seinen Oberbeleuchter mit und der seine Beleuchter. Und so geht das weiter. Es ist immer ein komplett neues Team. Ich finde das schön. Was man vorher gemacht hat, zählt nicht. Es geht um das Jetzt: Setz dich damit auseinander, knie dich in die Thematik rein, auch wenn sie noch so unbequem ist! Das macht es aus.

Es ist also auch nach 25 Jahren beim „Tatort“ noch keine Routine?

Bär: Genau. Das wäre auch fatal. Ich horche immer auf, wenn Leute, die das erste Mal mit uns unterwegs sind, sagen: Ich merke, ihr bleibt neugierig. Ist das woanders nicht so? Kommt da Routine auf? Auch wer bei uns zu Gast ist, soll eine gute, spannende Arbeitszeit haben. Da hört man ja auch andere Geschichten. Wir wollen dem Anspruch an das Format immer wieder gerecht werden. Es sollte keine Routine sein.

Sie sind beide keine Kölner, aber nach so vielen Jahren als „Tatort“-Kommissare sind sie dennoch zu Gesichtern der Stadt geworden. Wie fühlt sich das an?

Bär: Als wir angefangen haben, wollten die Kollegen des „Express“, dass wir sprechen wie der selige Willy Millowitsch. Aber das konnte es ja nicht sein. Man muss nicht unbedingt aus der Stadt kommen, um dort Kommissar zu sein. Aber dass sich das über 25 Jahre so entwickelt hat, hat eben auch damit zu tun, dass wir nicht in Hückeswagen sind, sondern in Köln. Klaus hat beim „Tatort“ aus Düsseldorf erlebt, ich beim „Schimanski“, dass die Hälfte des Films von der Bavaria in München gedreht wurde. Wir waren die ersten, wo es hieß, dass die Stadt so ein Gesicht hat, dass wir ihn komplett hier vor Ort drehen. Wir sind hier zu Hause. Es ist die Stadt des Senders. Neben den Kranhäusern sind wir eben als neue Wahrzeichen hinzugekommen.

Behrendt: Ich lebe ja in Berlin, das ist mein Zuhause. Aber ich mag Köln sehr gerne. Ich mag die Stadt, ich mag die Leute. Aber für mich ist das auch ganz klar die Arbeit. Ich habe einen gesunden Blick auf diese Stadt.

Bär: Dass die Kölner glauben, ihre Stadt sei die Schönste der Welt, macht sie ja aber auch sehr liebenswert. Ich bin Freund des Fußballs, und immer, wenn mich Leute fragen, was Köln ausmacht, sage ich: Versucht, ins Stadion zu gehen! Da bekommt ihr in 90 Minuten mal kurz den Rundumschlag von fröhlicher Nabelschau, über Deutscher-Meister-Sein bis Karneval. Das erlebt man da alles an einem Nachmittag.

Premiere beim Film Festival Cologne

Dietmar Bär und Klaus J. Behrendt ermitteln seit 25 Jahren als Freddy Schenk und Max Ballauf im Kölner „Tatort”. Ihr neuer Fall „Spur des Blutes" feiert beim Film Festival Cologne am 21. Oktober, 20.15 Uhr, im Filmpalast Premiere. Darin müssen die Kommissare den Mord an einer jungen, drogenabhängigen Prostituierten aufklären. 

Im Ersten ist der Krimi am Sonntag, 23. Oktober, um 20.15 Uhr zu sehen. 

Neben dem Team aus Münster landen Sie bei Umfragen immer ganz vorne auf Beliebtheitsrankings der „Tatort“-Kommissare. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Behrendt: Nein, das können wir nicht erklären. Was sind wir? Geschichtenerzähler. Die Leute sehen diese Geschichten eben sehr gerne. Anders ist es nicht zu erklären.

Bär: Es ist eine Mischung. Man geht ins Kino, weil man jemanden gerne sieht, auch wenn man den Film mal nicht so gut findet. Andersrum gibt es das ja auch. Bei uns sagen manche zu unseren Krimifällen: Danke für euren wieder normalen Tatort. Die Leute sind mit uns eine Verbindung, eine 25-jährige Freundschaft eingegangen.

Sie glauben, die Leute wollen gar keine experimentellen „Tatorte“?

Behrendt: Der „Tatort“ im Ganzen ist ein großer, bunter Blumenstrauß. Angefangen von Knall, Bumm, Peng bis Schenkelklopfer und sozialkritischen Geschichten. Es ist für jeden etwas dabei. Aber jeder ist auch stolzer Besitzer einer Fernbedienung und kann jederzeit umschalten.

Bär: Bei diesen Experimental-„Tatorten“ liegt mitunter das gesamte Feuilleton auf dem Rücken in Duldungsstarre. Ich hatte aber teilweise große Schwierigkeiten damit. Mir sagen Leute oft, das könne man doch gar nicht gucken. Aber das Feuilleton schnalzt mit der Zunge. Bei uns heißt es hingegen oft: Es waren zwar sehr viele Zuschauer, die den „Tatort“ geguckt haben, aber ich fand ihn schrecklich. Es gibt es ja Kollegen, die sich fast pathologisch an uns abarbeiten. Das wundert mich ein bisschen. Wir sind natürlich für den Mainstream zuständig, aber ist das schlimm? Wir haben unsere Grundfarbe gefunden und gehalten.

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Es gibt also zu viele Experimente beim „Tatort“?

Bär: Es ist ja schön, dass das Format immer wieder Neues versucht. Aber man muss doch das Rad nicht neu erfinden. Wir haben gute Fälle zu erzählen. Natürlich war „Im Schmerz geboren“ toll. Aber wir haben eben alles in diesem Mehrgenerationen-Haus, vom Stuntman bis zum Tatort-Stadl.

Auch die ARD muss sparen. Ist der Druck gestiegen in diesen 25 Jahren?

Behrendt: Wir machen unsere Projekte immer mit 23 Drehtagen. Das haben wir uns auch vertraglich festlegen lassen. Es gibt „Tatorte“, die an 21 Tagen gemacht werden. Wir sind sehr froh über die 23 Tage, aber trotzdem stößt man auch da an seine Grenzen. Das ist ganz, ganz knapp. Weil die Geschichten heute immer schnittlastiger erzählt werden. Und jeder Schnitt kostet einfach Zeit.

Bär: Wir haben mit 23 Tagen angefangen, sind dann einmal bei 22 gewesen und haben aber damals gut erklären können, dass es etwas anderes ist, einen Film zu drehen als eine Nachrichtensendung zu machen. Denn die großen Entscheidungsträger kommen ja meistens aus dem Journalismus. Monika Piel hat das damals auch verstanden. 23 Tage sind das absolute Minimum.

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Wie viel Privatleben der Kommissare sollte der „Tatort“ abbilden? Bei Ihren Fällen erfährt man ja eher wenig über Ballauf und Schenks Hintergrund?

Behrendt: Für mich steht der Krimi im Vordergrund. Der private Hintergrund der Kommissare wird nur angerissen. Mir reicht das. Da muss nicht immer weiter ins Privatleben reingeleuchtet werden. Der Schwerpunkt sollte auf dem Fall liegen.

Bär: Bei Schenk taucht demnächst mal wieder eine Tochter auf. Die Würze macht es aus. Bei uns sagen viele, ihr seid die Normalen ohne 13 Psychosen im Hintergrund. Man sollte nicht das Gefühl haben, der Krimi ist zu langweilig, deshalb muss man den Helden noch ein bisschen pushen. Bei uns ist die Balance wichtig. Ich mag es, wenn der Zuschauer neugierig bleibt. Und ob wir Schenks Frau jemals kennenlernen? Wer weiß?

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