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Leserbriefe zu Klimaaktivisten:„Bewundert und verabscheut“

Lesezeit 8 Minuten
Jugendliche halten ein Transparent mit der Aufschrift „Letzte Generation vor den Kipppunkten“ hoch. Sie stehen am Straßenrand vor einem Polizeiwagen. 

Klimaaktivisten der „Letzten Generation“ protestieren auf der Universitätsstraße in Köln

Sind die Protestaktionen der „Letzten Generation“ legitim oder brechen sie Gesetze und gefährden die Demokratie? Leser diskutieren.

Spek­ta­ku­läre Ak­tio­nen von Kli­maak­ti­vis­ten haben eine De­batte über die Gren­zen des Kampfs aus­ge­löst – Kon­flikt­for­scher Da­niel Mul­lis geht der Frage nach, ob die Be­we­gung sich ra­di­ka­li­siert (4.2.)

Klimaproteste: Zukunftsängste und Ohnmachtsgefühle

Ich kann den Protest und die Ohnmachtsgefühle der „Letzten Generation“ verstehen, wobei ich sie zum großen Teil in der Umsetzung nicht gutheiße. Aber welche Erwartungen und welches Verständnis gegenüber der Politik kann die Generation unserer Kinder und Enkelkinder noch aufbringen, wenn selbst der überwiegende Teil der Bevölkerung eine Geschwindigkeitsbegrenzung zwar gutheißt, aber der Großteil unserer Regierung vor der FDP und der Autolobby einknickt? Warum lassen wir zu, dass die junge Generation derartige Zukunftsängste entwickelt? Da ist es für die „Letzte Generation“ anscheinend die einzige Möglichkeit, mit diesem drastischen und persönlich schmerzhaften Weg auf Versäumnisse in der Politik aufmerksam zu machen!Klaus Arras Köln

Alles zum Thema Letzte Generation

Klimaaktivisten: Statt „Ankleben“ ist „Ärmel hoch und anpacken“ angesagt

Welch eine Anmaßung, von „Letzte Generation“ zu sprechen! Nein, gerade die „Letzte Generation“ ist weder für diese Generation noch für die zukünftigen Generationen legitimiert, den „Untergang“ des Erdballs vorauszusagen! Statt sich von Spenden durchfüttern zu lassen, wäre es dringend notwendig, alle Kraft auf die Wiederherstellung der Natur in den bereits vertrocknenden Erdteilen zu verwenden, und dazu ist nicht „Ankleben“ im Schlaraffenland, wo sich diese Generation seit Jahren in der Dönertasche wärmt, sondern „Ärmel, hoch und anpacken“ angesagt. Etwa in Afrika oder anderen von Trockenheit bedrohten Ländern dieser Erde. Die sogenannte „Letzte Generation“ sind keine Aktivisten, sondern soziale Terroristen, denn sie nehmen billigend in Kauf, dass jeder Einzelne unmittelbar Schaden nimmt, sei es durch gesundheitliche, arbeitsrechtliche oder soziale Beeinträchtigungen aufgrund der Blockaden. Hans-Werner Franke Köln

Klimaaktivisten: Moderate Aktionen erreichen nichts mehr

Solange nicht einmal das getan wird, was trotz aller herrschenden Krisen sofort möglich wäre, solange muss man tief daran zweifeln oder sogar verzweifeln, dass alles Erforderliche geschieht, um das Schlimmste zu verhindern. Wenn wir weder ein Tempolimit auf den Weg bringen noch das Fliegen teurer machen als das Zugfahren, bleibt wenig Hoffnung auf Veränderung. Dieser tief vorhandene Pessimismus treibt die letzte Generation zu ihren Handlungen. Moderate Aktionen scheinen in ihren Augen nicht mehr ausreichend und erfolgversprechend. Inge Kaiser Köln

Klimaproteste: Demonstrationsrecht gilt nur für gewaltfreie Aktionen

Der Zweck heiligt nicht alle Mittel! Das vornehmste Prinzip der seit jeher umkämpften Demokratie ist seit dem 18. Jahrhundert der Mehrheitswille, der durch freie Wahlen ermittelt wird. Auch das Recht zur Demonstration gehört in seiner gewaltlosen Form dazu. Nicht zulässig, sondern verwerflich ist der Versuch, über „die Straße“ gewaltsam eigene Ziele zu erzwingen und damit das demokratische Prinzip außer Kraft zu setzen. Gewalt führt schnell zu Unterdrückung, wenn der demokratische Weg zum Gewinn der friedlich und durch geduldige Überzeugung gewonnenen Mehrheit zerstört wird. Dr. Miege-Lennartz Bergisch Gladbach

„Der Klimawandel ist nicht zu stoppen“

Sind die Mitglieder der „Letzten Generation“ so naiv zu glauben, dass sie mit ihren Aktivitäten Politiker aufrütteln könnten, damit diese den Klimawandel stoppen? Der Klimawandel ist nicht zu stoppen; seit die Erde besteht, hat es schon etliche Klimawandel gegeben; in den 1970er Jahren – vielleicht schon früher – schmolzen in der Schweiz langsam die Gletscher. Hinzu kommt, dass die Erdbevölkerung rasant wächst, alle müssen essen und trinken und wollen auch ein gutes Leben haben. Gertrud Odenthal Köln

Klimaaktivisten prangern Fehler der gesamten Menschheit an

Sie kleben sich fest, bewerfen verglaste Kunst mit vegetarischer Kost, lassen sich wochenlang einsperren. Und nun begehen sie auch noch gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr, verüben also eine Straftat. Die „Letzte Generation“ wird dafür geliebt und gehasst, beurteilt und verurteilt, bewundert und verabscheut. Wofür? Für den Mut, die Fehler der gesamten Menschheit in aller Deutlichkeit und Dringlichkeit anzuprangern!

Denn nicht Politik, nicht die vielen vernunftbegabten Menschen, nicht die Reichsten der Welt haben es geschafft oder wirklich gewollt, mit der erforderlichen Konsequenz alle Hebel gegen den völligen Klimakollaps in Bewegung zu setzen. Aber die Protestierenden werden mitunter aufs Schärfste bekämpft. Wer führt uns denn alle in den drohenden Untergang? Wir sind es selbst. Wir alle verbrennen unsere wunderbare Erde. Lutz Schnitzler Gummersbach

Klimaprotest: Furcht vor Radikalisierung

Die Aktivisten der „Letzten Generation“ wollen „an so vielen Stellen wie möglich den Alltag dieser Republik unterbrechen“. „Wir werden nicht aufhören“ mit den Straßenblockaden und anderen kreativen Aktionen, so hört man, und schließlich: „Unsere Demokratie muss demokratischer werden“, nämlich durch Einberufung eines Bürgerrates, dem die Aktivisten schon im Vorhinein vorgeben, was er und gleich auch die Regierung zu beschließen haben.

Man ist inzwischen einiges gewöhnt an Arroganz und Rücksichtslosigkeit auf diesem Gebiet, aber hier fragt man sich, woran der größere Mangel herrscht: an Respekt vor den Mitbürgern oder an Grundkenntnissen über Demokratie. Da beides eng zusammenhängt, tendiert der Mangel wohl auf beiden Gebieten gegen unendlich. Ich hoffe nur, dass die Staatsanwaltschaft den Wortführern dieser angekündigten Kriminalität das Handwerk legt, bevor diese zu gemeingefährlichen Taten schreiten können. Christian Fischer Köln

Klimakrise erzwingt Epochenbruch

Gewaltfrei protestierende Klima-Aktivisten beziehen sich auf wissenschaftliche Fakten, völkerrechtliche Verpflichtungen und Menschenrechte, Stichwort „Klimagerechtigkeit“. Klima-Engagierte wollen wachrütteln und fordern rasches politisches Handeln, das ist legitim und verdient Respekt. Aktivposten der Demokratie und gesellschaftlich notwendigen Wandels werden öfter diffamiert und verspottet.

Zynische „Klima-Dinosaurier“ versuchen, Klima-Protestierende in populistischer Weise zu delegitimieren und sogar zu kriminalisieren; das unterminiert Rechtsstaat und Demokratie. Die Klimakrise erzwingt einen Epochenbruch, und die nötige Transformation abzubremsen ist brandgefährlich und letztlich ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Wir brauchen Vollgas beim Handeln für das 1,5 Grad-Ziel, also Visionen und Lösungen statt Endlosdebatten in Parallelwelten. „Generation Weiter so“ hat abgewirtschaftet und „Generation Future“ ist auf dem Weg in eine lebenswerte Zukunft im post-fossilen Zeitalter. Dr. Wolfgang Hennig Köln

Vorsicht vor „Klima-Missionaren“ geboten

Die Klima-Missionare haben das Problem aller Missionare, sie sehen sich als sendungsbewusst und auserwählt, sie wähnen sich im Besitz der alleinigen Wahrheit und wollen mit dieser die Welt beglücken, notfalls mit Gewalt. Dabei hat die Geschichte gezeigt, dass es zu einem Problem durchaus unterschiedliche Meinungen, auch wissenschaftlich begründbar, geben kann und somit auch unterschiedliche Lösungen. An Lösungen sind Missionare nicht interessiert, ausschließlich am Durchsetzen ihrer eigenen Meinung. Für Klima-Missionare gelten offensichtlich Gesetze und Gewaltfreiheit nicht, sie zwingen ihre Interessen der Mehrheit rücksichtslos auf. Dr. Joachim Bausch Lindlar

Kritik an Klimademonstranten unverhältnismäßig

Da versucht eine kleine Gruppe vorwiegend junger Menschen, aus Angst um ihre Zukunft, mit friedlichen und gewaltfreien Aktionen auf das größte ungelöste Problem der Menschheit, den Klimawandel, hinzuweisen, weil die „Fridays for Future“-Bewegung trotz weltweiter Demos mit Millionen Teilnehmern weitgehend wirkungslos geblieben ist. Endlich haben wir wieder einen Sündenbock, einen Störfaktor, der Sand ins Getriebe unserer gut geölten Kapitalismus-Maschinerie streut und der unser gewohntes Leben unverhofft durch Blockaden von Straßen und Flughäfen ausbremst, und sofort sind unsere Politiker bereit, diese frevelhaften Taten zu kriminalisieren.

Herbert Reul (CDU) spricht von Störaktionen der sogenannten „Klima-Kleber“ und kündigt Strafanzeigen an, in Bayern wird ein gutes Dutzend Aktivisten in Präventivhaft genommen, Marco Buschmann (FDP) warnt vor hohen Schadensersatzforderungen, Friedrich Merz (CDU) spricht von „kriminellen Straftätern“, die „schwerste Straftaten“ verüben und will die Gruppe verbieten lassen, Alexander Dobrindt (CSU) schwadroniert gar von einer Klima-RAF. Geht’s noch? Werden hier Nebelkerzen gezündet, um von den wirklichen Problemen und der eigenen Untätigkeit abzulenken?

Hier sind junge Menschen, die begriffen haben, welche bescheidene Zukunft vor ihnen liegt, deren Anliegen es ist, dafür Aufmerksamkeit zu erreichen und zu retten, was noch zu retten ist. Auch sie haben das legitime Recht auf eine unversehrte Umwelt, in der es sich lohnt, zu leben, wie die Generationen vor ihnen. Gewiss sind ihre Aktionen für die Betroffenen unbequem, wenn sie ihre eng getakteten Termine nicht einhalten können oder ein Bilderrahmen von Kartoffelbrei gereinigt werden muss.

Was bedeutet dies aber gegen die tägliche Umweltzerstörung, die wir widerspruchslos zulassen? Wo sind die Ankläger, wenn die Politiker von FDP, CDU und SPD jahrzehntelang Umwelt- und Klimaschutz vernachlässigen und stattdessen unsere Steuergelder in umweltschädlichen Subventionen verschwenden? Wo sind da die Buschmanns und Hermanns?

Wann werden die Forderungen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 umgesetzt, mit denen unverhältnismäßige Eingriffe in die Freiheit künftiger Generationen vermieden werden sollen? Wie müssen sich etwa Verkehrsminister verantworten, die dem Auftrag der Verkehrswende nicht gerecht werden? Wo bleibt bei all dem die Verhältnismäßigkeit? Werner Scholz Brühl

Proteste sind Resultat der Ignoranz von Klimaschutzzielen

Leider werden die Aktivisten weder vonseiten der Politik noch vonseiten der Medien ernst genommen. Die Gesellschaft ist in ihrer Form zu komplex, um zwischen Notwendigkeit und Sinnlosigkeit einen begehbaren Weg zu finden. Die Menschen, die für klimafreundliche Veränderungen auf der Straße sitzen und sich anschreien lassen, werden leider auch von den Medien nur allzu oft als Spinner oder sogar als Kriminelle betitelt. Das ist kaum zu ertragen.

Wenn Deutschland den Ausstoß von Treibhausgasen nicht reduziert, werden wir die Klimaziele bis 2030 nicht erreichen. Experten sagen, dass sich die Menge an eingesparten Emissionen dafür mehr als verdoppeln muss. Also sind die Ziele der Aktivisten doch klar und deutlich festgesetzt und nachzuempfinden.

Ferner möchte ich anmerken, dass die „Letzte Generation“ mit ihren Aktionen nicht Kunstwerke zerstören, sondern darauf hinweisen möchte, dass, wenn wir unsere Umwelt weiter zerstören, auch die Kunst nicht mehr von Nutzen sein wird. Kunst kann nur existieren, wenn die Gesellschaft offen ist für die verschiedenen Sichtweisen. Die Aktivsten haben Gründe für ihre Handlungen. Wir können und dürfen nicht tatenlos bleiben. Es gibt nur diese eine Welt.Barbara Fischer Eitorf