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„Zukunft in Köln ist düster“ARD-Doku zeigt Grund, warum der Ford-Niedergang kaum noch zu stoppen ist

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Ford steht vor dem Abgrund. Die ARD-Doku „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kommt“ geht den Gründen für die steile Talfahrt nach. (Bild: WDR/Ford-Werke GmbH)

Ford steht vor dem Abgrund. Die ARD-Doku „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kommt“ geht den Gründen für die steile Talfahrt nach. 

In einer neuen ARD-Doku blicken Experten auf die tiefe Krise von Ford. Auch ein langjähriger Mitarbeiter im Kölner Standort traut sich vor die Kamera.

Enorme Schulden, Tausende Entlassungen, eine riesige Krise: Der US-amerikanische Autohersteller Ford zählt mit derzeit noch 11.500 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern in Köln. Doch immer mehr Stellen werden gestrichen - die Zeiten, in denen in den Ford-Werken noch über 50.000 Beschäftigte Arbeit gefunden und Verkaufsschlager wie den Kleinwagen Fiesta gebaut haben, sind lange vorbei. Wie schlimm die Lage für die Angestellten wirklich ist und was die USA damit zu tun haben, zeigt die ARD-Doku „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kommt“.

Gleich zu Beginn des Films von Georg Wellmann und Wolfgang Minder sind zahlreiche Ford-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter zu sehen, die gegen die Massenentlassungen in Köln protestieren. „Wir bleiben!“, brüllen die Angestellten - doch für einen großen Teil bleibt dieser Wunsch, diese Aufforderung, ungehört. Insgesamt 5.600 Stellen streicht das Unternehmen an seinen beiden deutschen Standorten bis 2027. In Saarlouis im Saarland, wo einst das Erfolgsmodell Focus gebaut wurde, stellt Ford Ende November 2025 die Fahrzeugproduktion komplett ein.

Ford-Mitarbeiter schießt gegen eigene Firma: „Finger von Dingen weglassen, die man nicht kann“

Die Kölner Ford-Werke waren über viele Jahrzehnte ein verlässlicher Arbeitgeber in der Region. Damit ist es vorbei. (Bild: 2019 Getty Images/Maja Hitij)

Die Kölner Ford-Werke waren über viele Jahrzehnte ein verlässlicher Arbeitgeber in der Region. Damit ist es vorbei. (Bild: 2019 Getty Images/Maja Hitij)

So düster waren die Aussichten beim sechstgrößten Autohersteller weltweit nicht immer. Ganz im Gegenteil: Als Spiros D. im Jahr 2009 bei Ford in Köln anfing, war der ausgebildete Fertigungsmechaniker fest davon überzeugt, er habe es geschafft. „Wer bei Ford anfängt, der hört auch bei Ford auf“, sei damals für ihn klar gewesen, wie er in der ARD-Doku erzählt. Einer der Hauptgründe für sein Engagement bei Ford sei „die Sicherheit für sein Leben“ gewesen.

Doch nachdem der Familienvater zum Vorarbeiter im Motorenwerk aufgestiegen war, in dem seit 1962 mehr als 28 Millionen Verbrennungsmotoren gebaut wurden, zog das Unternehmen die Reißleine. Die Motorenproduktion in Köln wurde geschlossen, Spiros mit einer Stelle als Staplerfahrer im Lager der neuen Batteriemontage abgespeist.

Spiros D. mit seiner Frau. Der langjährige Ford-Mitarbeiter fürchtet um seine Zukunft beim Automobilhersteller - und hat wenig Hoffnung. (Bild: WDR)

Spiros D. mit seiner Frau. Der langjährige Ford-Mitarbeiter fürchtet um seine Zukunft beim Automobilhersteller - und hat wenig Hoffnung. (Bild: WDR)

Der Grund für das Ende der Motorenproduktion: Ford investierte 2023 knapp 2 Milliarden Dollar, um in der europäischen Zentrale in Köln voll auf Elektroautos zu setzen. Damit einher sollte es zu einem Imagewechsel kommen: weg vom preiswerten Auto für jedermann hin zum Premium-SUV für Gutverdiener. Dazu das Ziel, die amerikanische DNA mit den Autos nach Deutschland zu bringen. Eine erfolgversprechende Idee?

„Man wird nicht von Ford mal eben zum Porsche“

Laut Stefan Bratzel, Center of Automotive Management, nicht wirklich: „Die Fahrzeuge, die jetzt die Kunden begeistern sollen, sind zu teuer für die Marke Ford. Genau in dem Preissegment, in dem Ford früher sehr erfolgreich war, in den niedrigen Preissegmenten, ist jetzt kein Fahrzeug verfügbar.“ Die neuen E-Modelle Capri und Explorer kosten zwischen 40.000 und 65.000 Euro - und verkaufen sich schlecht. Die von den Amerikanern so beworbenen „ikonischen“ Fahrzeuge werden zum Mega-Flop.

Ford, einst ein Hersteller von Autos für jedermann, hat nach Ansicht von Experten auf zu hochpreisige Segmente gesetzt. (Bild: 2023 Getty Images/Lukas Schulze)

Ford, einst ein Hersteller von Autos für jedermann, hat nach Ansicht von Experten auf zu hochpreisige Segmente gesetzt. (Bild: 2023 Getty Images/Lukas Schulze)

Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende von Ford, Benjamin Gruschka, wählt deutliche Worte: „Wir sind Massenhersteller gewesen, und das war auch lange Zeit der richtige Weg. Dieses 'ikonische Fahrzeuge', dieses Segment, ich finde das zu schwierig. [...] Man wird nicht von Ford mal eben zum Porsche oder zum Bentley, das geht einfach nicht. Ich finde, man sollte die Finger von Dingen weglassen, die man nicht kann.“

„Die USA bestimmt, was wir machen“

Es sind Entscheidungen, die allesamt in den USA getroffen werden. Im vergangenen Jahr wurden acht der zehn deutschen Managerstellen bei Ford gestrichen. Das Motto des Unternehmens ist klar - und von US-Präsident Donald Trump hinlänglich bekannt: „America first!“ Die Entwicklungsverantwortung soll in Amerika liegen, also werden in Deutschland etliche Stellen abgebaut.

Automobilexperte Professor Dr. Stefan Bratzel sagt in der Doku: „Ich glaube, die Zukunft von Ford in Köln ist düster.“ (Bild: WDR / Center of Automotive Management )

Automobilexperte Professor Dr. Stefan Bratzel sagt in der Doku: „Ich glaube, die Zukunft von Ford in Köln ist düster.“ (Bild: WDR / Center of Automotive Management )

Durch die schlechten Verkaufszahlen der neuen E-Modelle erhöht die USA zunehmend den Druck auf den Kölner Standort. Die Folge: Ein Beschluss im März 2025, in dem das US-Management erklärt, nicht mehr für die Verluste in Köln geradezustehen. Der Schock bei den Ford-Mitarbeitenden sitzt tief, es kommt zum ersten offiziellen Arbeitskampf in der 100-jährigen Firmengeschichte.

Auch Spiros D. gehört zu den Streikenden. Er sagt: „Man merkt natürlich auch, dass die USA bestimmt, was wir machen.“ Der Ford-Angestellte ergänzt: „Man sagt: Wir sollen für uns selbst wirtschaften, aber das können wir ja gar nicht, weil wir aus den USA die Anweisungen bekommen, was gemacht werden soll. Und deswegen können wir ja gar nicht ein eigenständiges Unternehmen sein.“

Spiros D. fürchtet sich vor Ford-Zukunft in Köln: „Kann jeden von uns treffen“

Im Sommer 2025 wird sich in Verhandlungen mit den USA darauf geeinigt, den Mitarbeitenden im Falle einer Insolvenz eine hohe Abfindung zu zahlen. Die Angst davor ist längst Realität. „Keiner erwartet mehr eine große Zukunft, die Stimmung ist schlecht. Viele warten auf das Abfindungsprogramm, weil sie das sinkende Schiff verlassen möchten. So fühlt es sich an. Keiner hat noch großartig Hoffnung in den Standort“, erklärt Spiros die derzeitige Situation in Köln.

So will Ford ab Januar 2026 in der Fahrzeugfertigung nur noch die Hälfte der ursprünglich geplanten Autos produzieren. Immer weiter werden hier Stellen gestrichen. Spiros sagt zum Ende des Films mit zittriger Stimme: „Wenn es die Fahrzeugfertigung treffen kann, dann kann es jeden von uns treffen. Ich glaube, das ist eines unserer Herzstücke hier in Köln. Auf jeden Fall kann es auch mich treffen.“

Ein Blick auf die Zahlen schürt wenig Zuversicht: Alleine zwischen 2021 und 2023 hat Ford einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro gemacht. Die Elektroautos kommen nicht gut an - und laut Experten dauere es drei bis vier Jahre, um ein neues Modell zu entwickeln. Zeit, die Ford nicht hat. Experte Stefan Bratzel, Center of Automotive Management, hat kaum Hoffnung: „Ich glaube, die Zukunft von Ford in Köln ist düster, wenn nicht neue Produkte in absehbarer Zeit eingeführt werden. Gelingt das nicht, ist das ein Sterben auf Raten und man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass wir in fünf bis zehn Jahren Ford in Köln nicht mehr als Arbeitgeber haben.“

Die komplette ARD-Doku „Ausgebremst: Wie Ford unter die Räder kommt“ läuft am Mittwoch, 22. Oktober, um 22.50 Uhr im Ersten und ist bereits jetzt in der ARD-Mediathek verfügbar. (tsch)