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Angela Merkel beschimpftPolizei ermittelt gegen Schreihälsin von Heidenau

Lesezeit 3 Minuten

In Heidenau wurde Kanzlerin Angela Merkel von vielen Asylgegnern empfangen.

Dresden – Die junge Frau wirkt wie eine Irre: Ihre Stimme überschlägt sich vor Hass, sie kreischt und wütet. Sie kann sich überhaupt nicht einkriegen, brüllt sich was auch immer aus der Seele. Ihr Wortschatz wirkt dabei allerdings sehr ausbaufähig.

Mehr als 300.000 Mal ist der Streifen, nicht einmal zwei Minuten lang, auf YouTube abgerufen worden. Aufgenommen auf der Bundesstraße vor der Flüchtlingsnotunterkunft im sächsischen Heidenau am 26. August, als Kanzlerin Angela Merkel das Heim besucht, als ein rechter Mob sie brüllend empfängt und eine etwas füllige junge Frau in einem getüpfelten T-Shirt, ein selbst gebasteltes „Volksverräterin“-Schild in der Hand, mit ihren niederträchtigen Pöbeleien garantiert alles übertrifft, was sich Merkel je in ihrem Kanzlerinnenleben an Beleidigungen hat anhören müssen.

Es ist der schiere Hass: „Du blöde Schlampe“, „Hure“, „Volksverräterin“, „Fotze“. Merkel allerdings reagiert gar nicht auf das hysterische Gekreische - umstehende Polizisten merkwürdigerweise auch nicht.

Schreihälsin soll zur Pegida-Bewegung gehören

Auf dem Film ist die Schreihälsin nicht aus der Nähe zu sehen, die meiste Zeit hört man sie nur und sieht dazu wackelige Bilder vom blauen Himmel über der Kleinstadt bei Dresden. Also hat es ein Weilchen gedauert, bis die Polizei und eine Dresdner Boulevardzeitung sie nun gefunden haben.

Sie ist angeblich zwanzig Jahre alt, lebt mit ihrem Freund und Kleinkind in einem Mehrfamilienhaus im Dresdner Stadtteil Striesen und soll zur Pegida-Wutmenschen-Bewegung gehören, was nicht verwundern würde. Der Ausdruck „Volksverräter“ gehört dort zum Kernwortschatz, auch Geschrei und Gehabe ähneln sich.

Die Dresdner Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen Beleidigung und will die Frau vernehmen. Ermittlungen wegen Verunglimpfung von Verfassungsorganen, so Oberstaatsanwalt Lorenz Haase im Gespräch mit dieser Zeitung, werde es nicht geben. Überhaupt ist völlig unklar, wie die Angelegenheit für die krakeelende Mutter ausgehen wird. Da sie erst 20 ist, gilt sie noch als Heranwachsende.

Womöglich Jugendstrafrecht

Sollte es zu einem Verfahren kommen, fiele sie womöglich unter Jugendstrafrecht, so Oberstaatsanwalt Haase. Würde sie bestraft, ginge es möglicherweise um eine Geldbuße oder abzuleistende soziale Arbeit oder verordnetes Lesen nützlicher Lektüre. Beleidigung ist ein Bagatelldelikt, Kanzlerinnenbeleidigung auch.

Aber noch wahrscheinlicher verläuft die ganze Sache wegen Geringfügigkeit im Sand, was auch an der Kanzlerin selbst liegen dürfte: Merkel hat kein Interesse an der Fortführung der Geschichte und erstattet auch keine Anzeige. Sie könne „Widerspruch gut aushalten“, kommentierte sie in Berlin jetzt den Fall. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte schon am Tag nach dem Heidenau-Besuch gesagt, die Kanzlerin werde keine Anzeige erstatten. Sie will die Sache auf sich beruhen lassen. 

Merkwürdig bleibt jedoch, warum keiner der im August in der Nähe stehenden Polizisten eingriff und die Schreihälsin kurz mal nach ihren Personalien fragte. „Das haben die Kollegen vor Ort so entschieden“, teilt ein Sprecher der Dresdner Polizei auf Anfrage mit. „Am grünen Tisch und im Nachhinein lässt sich so etwas immer leicht fordern.“