Dokumentation zum Anfang der PandemieEin Blick in die Corona-Protokolle des RKI

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Der Eingang zum Robert Koch-Institut (RKI) im Dezember 2020.

Der Eingang zum Robert Koch-Institut (RKI) im Dezember 2020.

Das RKI hat Protokolle seines Corona-Krisenstabs herausgegeben. Sie sind teilweise geschwärzt, erlauben aber Einblicke in die damaligen Lageeinschätzungen.

Nach einem langen Rechtsstreit hat das Robert-Koch-Institut (RKI) interne Sitzungsprotokolle seines Corona-Krisenstabs herausgegeben. Es handelt sich um mehr als 200 Protokolle mit einem Gesamtumfang von über 1000 Seiten aus der Zeit zwischen dem 14. Januar 2020 und dem 30. April 2021 – allerdings sind viele Passagen geschwärzt.

Eingeklagt und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat die Dokumente keines der großen Medienhäuser, sondern der Journalist Paul Schreyer vom „Multipolar-Magazin“. Der Rostocker ist Autor mehrerer Bücher über die Attentate vom 11. September, den Krieg in der Ukraine, das internationale Finanzsystem und die Corona-Pandemie. Kritiker attestieren ihm Antiamerikanismus und einen Hang zu Verschwörungserzählungen. Schreyer will jetzt auch die geschwärzten Passagen aus den RKI-Protokollen einklagen. Im Mai verhandelt darüber erneut das Verwaltungsgericht Berlin.

„Oftmals ist aus den Corona-Protokollen Ratlosigkeit abzulesen“

Der Corona-Krisenstab wurde in der Regel vom damaligen RKI-Chef Lothar Wieler oder seinem Stellvertreter Lars Schaade geleitet. Neben zahlreichen Fachabteilungen des RKIs nahmen auch Vertreterinnen und Vertreter des Bundesgesundheitsministeriums, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung oder der Bundeswehr teil.

Die Protokolle geben trotz der Schwärzungen einen spannenden Einblick in die damalige Situation. Oftmals ist aus ihnen Ratlosigkeit abzulesen. So heißt es zum Beispiel in einem Protokoll vom 13. März 2020 – also kurz vor dem ersten Lockdown in Deutschland: „Es ist unklar, was die Konsequenz ist, wenn die Schulen jetzt für 4 Wochen schließen, gegebenenfalls kommt (es) bei Wiedereröffnung zu einer verstärkten Aktivität (sowohl von Influenza wie auch von Covid-19, 2009, hat man das gesehen)“.

Am 18. März wird dann unter anderem über Ausgangssperren diskutiert, die es zumindest am Anfang der Pandemie nicht gegeben hat. In diesem Zusammenhang heißt es: „Wäre eine gewisse Ausbreitung des Virus nicht besser als zunächst ein totaler Stopp und dann bei Lockerung eine starke Ausbreitung.“ Zugleich wird aber betont: „Der Begriff gesteuerter Durchseuchung wird abgelehnt, Ausbreitung kann nicht gestoppt werden.“

„Lösung für die gesamte Gesellschaft kann nicht nur in der Isolation von Älteren bestehen“

Am 1. April 2020 werden erneut Strategien besprochen. Davon hat sich dann offensichtlich auch die Bundesregierung leiten lassen: „Eine schrittweise Zurücknahme der Maßnahmen mit gleichzeitig massiver Ausweitung der Testung und Kontaktnachverfolgung sowie frühzeitige Isolation und konsequente Quarantäne“. Und: „Die Lösung für die gesamte Gesellschaft kann nicht nur in der Isolation von Älteren bestehen. Ältere Menschen können nicht dauerhaft sozial isoliert werden.“

Auch zum umstrittenen Thema Masken findet sich an diesem Tag ein Hinweis: „Tragen von MNS (“Mund-Nase-Schutz“) könnte eine wesentliche Komponente sein, als erweiterte Standardhygiene“. Weiter heißt es: „Sollten FFP2-Masken wieder verfügbar sein und alle, bei denen es sinnvoll wäre, diese tragen würden, könnte dadurch die Ausbreitung stark verlangsamt werden“.

In der Sitzung vom 30. Oktober stellt der Krisenstab hingegen klar: „... es gibt keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.“ Argumentiert wird in der Sitzung: „Wenn Personen nicht geschult/qualifiziertes Personal sind, haben FFP2-Masken bei nicht korrekter Anpassung und Benutzung keinen Mehrwert“. Deshalb mahnte das RKI: „Die Evidenzlage soll neben den theoretischen Überlegungen berücksichtigt werden.“ Das wurde von der Politik allerdings kaum beachtet: Im Winter 2020 wurde das Tragen von FFP2-Masken in verschiedenen Bundesländern unter bestimmten Umständen Pflicht.

Interessant ist auch, wie das RKI mit der Interpretation der Zahlen offenbar versuchte, die Meinung in der Öffentlichkeit zu lenken. „Aktuell ein leichtes Indiz für eine Verlangsamung der Dynamik, dies sollte jedoch nicht so vermittelt werden, um die neuen Maßnahmen nicht in Frage zu stellen, zumal wir uns nicht sicher sein können, wie die Tendenz sich weiterentwickelt“, heißt es beispielsweise in dem Protokoll vom 30. Oktober 2020.

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