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„Fenster ist fast herausgeflogen“Irritationen in Istanbul – Explosionen erschüttern russische Stützpunkte auf Krim-Halbinsel

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt eine Explosion auf der Krim nach einem ukrainischen Angriff im Juli 2023. Am Freitag ist es erneut zu Attacken auf die Halbinsel gekommen. (Archivbild)

Das Foto zeigt eine Explosion auf der Krim nach einem ukrainischen Angriff im Juli 2023. Am Freitag ist es erneut zu Attacken auf die Halbinsel gekommen. (Archivbild)

Am Mittag haben erstmals seit 2022 wieder Gespräche zwischen der Ukraine und Russland begonnen. Die Gefechte gehen derweil weiter.

Rund um die ersten Gespräche zwischen Russland und der Ukraine seit 2022 in der Türkei gibt es reichlich Wirbel. Gleichzeitig gehen die Gefechte in der Ukraine ungebrochen weiter. Am Freitag wurden sowohl russische Luftangriffe auf Ziele in der Ukraine, als auch heftige ukrainische Angriffe auf Munitionsdepots und Flugplätze auf der von Russland illegal annektierten ukrainischen Halbinsel Krim gemeldet.

Hinsichtlich der Gespräche in der Türkei, die am Mittag begonnen haben, berichteten russische Medien am Freitagmorgen zunächst, dass sich die Moskauer Delegation gegen die Anwesenheit eines US-Vertreters bei den Gesprächen mit dem ukrainischen Verhandlungsteam ausgesprochen habe. Auch ein Teilnehmer der Türkei sollte demnach nur einleitende Worte an die beiden Delegation richten und die Gespräche dann verlassen, hieß es in den unbestätigten Berichten. Zu Beginn der Gespräche am Mittag wurde dann klar, dass tatsächlich kein US-Vertreter beteiligt ist.  

US-Außenminister glaubt nicht an „Durchbruch“ in der Türkei

Zuvor hatte US-Außenminister Marco Rubio erklärt, dass er nicht direkt an den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland teilnehmen werde, da die Delegation aus Russland „keinen Durchbruch“ erhoffen lasse. „Ich hoffe, ich liege hundertprozentig falsch“, sagte Rubio zu seiner Entscheidung. Ein Treffen Rubios mit ukrainischen und türkischen Vertretern fand am Freitagmorgen unterdessen statt. 

Alles zum Thema Wolodymyr Selenskyj

„Ich hoffe, dass die Nachrichten morgen sind, dass sie einem Waffenstillstand zugestimmt haben. Aber das ist nicht meine Einschätzung“, fügte der US-Außenminister mit Blick auf die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine hinzu. Echte Fortschritte werde es wohl nur bei einem persönlichen Treffen und Kremlchef Wladimir Putin und Donald Trump geben. Der US-Präsident erklärte derweil, dass er ein solches Treffen so schnell wie möglich realisieren wolle.  

Wladimir Putin verweigert Reise in die Türkei – Moskau beleidigt Selenskyj

Bereits am Donnerstag hätten die beiden Staatschef aufeinandertreffen können, doch entgegen Washingtons Wunsch verzichtete Putin auf eine Reise an den Bosporus. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte sich zuvor zu direkten Gesprächen mit Putin bereit erklärt. Der Kreml entsandte schließlich jedoch eine niederrangige Delegation – und überzog Selenskyj gleichzeitig am Donnerstag mit wüsten Beleidigungen.

Außenminister Sergej Lawrow erklärte etwa, der ukrainische Präsident sei ein „erbärmlicher Mensch“, weil er geglaubt habe, dass Putin mit ihm sprechen werde. Moskau behauptet seit Kriegsbeginn ohne jede Grundlage, die ukrainische Regierung sei ein „Nazi-Regime“. Kremlchef Putin erklärte zudem, dass er Selenskyj nicht für einen legitimen Vertreter des Nachbarlandes halte. Diese radikale und faktisch falsche Position will Moskau offenbar weiterhin nicht aufgeben.

Experte sieht „keinen Millimeter Bewegung“ auf russischer Seite

Die Zusammensetzung der russischen Delegation lässt zudem keinen Durchbruch erwarten: Moskau schickte dasselbe Personal wie bereits bei den letzten Gesprächen in Istanbul im Jahr 2022, die von der Ukraine schließlich abgebrochen worden waren, weil Moskaus Bedingungen einer Kapitulation der Ukraine gleichkamen. Der russische Verhandlungsführer Wladimir Medinski erklärte nun, für Russland gehe es weiter um die „Grundursachen“ des Krieges – das kann als Code verstanden werden, hinter dem sich die alten Maximalforderungen des Kremls verbergen.

Hinter der Formulierung „die Ursachen des Konflikts“ stecke die „Wahnidee von der ‚Denazifizierung und Demilitarisierung‘ der Ukraine – also die Auflösung ukrainischer Souveränität“, ordnete der Russland-Experte und Historiker Matthäus Wehowski auf der Plattform X ein. Auf Russlands Seite gebe es bislang „keinen Millimeter Bewegung“, fügte Wehowski an. Mit der Einschätzung ist der Historiker nicht allein: Kaum ein Experte rechnet mit bahnbrechenden Ergebnissen in der Türkei.

Ukraine meldet russische Attacken und greift selbst auf der Krim an

Die Gefechte in der Ukraine gehen unterdessen auch während der diplomatischen Bemühungen in der Türkei weiter. Ukrainische Medien meldeten am Freitagmorgen russische Drohnenangriffe auf ein Heizkraftwerk in der Hauptstadt Kyjiw. Auch Wohnhäuser in der Großstadt Odessa seien erneut von Russland angegriffen worden, berichtete die „Kyiv Post“. 

Ukrainische Soldaten der 24. Mechanisierten Brigade bereiten eine „Kazhan“-Drohne für den Start vor. (Archivbild)

Ukrainische Soldaten der 24. Mechanisierten Brigade bereiten eine „Kazhan“-Drohne für den Start vor. (Archivbild)

Die Ukraine startet unterdessen Berichten zufolge am Freitagmorgen eine Angriffswelle auf militärische Ziele auf der Krim. Auf der „gesamten“ Halbinsel seien Explosionen zuhören gewesen, hieß es in ukrainischen Medienberichten. In den sozialen Netzwerken kursierten derweil Aufnahmen, auf denen die Folgen der Angriffe zu sehen sein sollen.

Explosionen auf der Krim: „Oh Gott! Das Fenster ist fast herausgeflogen“

Auch die auf der Krim ansässige Partisanenbewegung Atesh berichtete bei Telegram über die Attacken. Demnach sei es nahe der Siedlung Perewalne zu massiven Explosionen auf russischen Militärstützpunkten gekommen. „Es gibt Informationen über tote Soldaten“, schrieben die Partisanen bei Telegram. Möglicherweise sei ein Treibstoff- und Munitionsdepot getroffen worden, hieß es weiter. 

Auch der Telegram-Kanal „Crimean Wind“ berichtete am Freitagmorgen von heftigen Attacken in mehreren Teilen der besetzten Krim. Laute Explosionen waren demnach in der Nähe von Jalta, Alupka, Sewastopol und später in Perewalne zu hören. Der von Russland eingesetzte Besatzungsgouverneur der Krim-Hauptstadt Sewastopol behauptete unterdessen, „sechs Drohnen“ seien „über dem Meer in großer Entfernung“ zerstört worden.

Diese Angaben widersprechen jedoch den kursierenden Bildern von der Krim, auf denen mitunter große Explosionen und entsprechende Rauchsäulen zu erkennen sind. „Oh Gott! Das Fenster ist fast herausgeflogen“, lautete der Kommentar in einem der Videos, das vom Medienprojekt Nexta am Freitag verbreitet wurde.