Julia Klöckners Entscheidungen zu Regenbogenflagge und CSD sorgen weiter für scharfe Kritik – auch von Sven Lehmann und Karl Lauterbach.
NRW kontert CSD-EntscheidungKritik aus Köln und Petition gegen „Amtsmissbrauch“ – Klöckner unter Beschuss

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) ist in die Kritik geraten. (Archivbild)
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Bundestagspräsidentin Julia Klöckner steht weiter unter Beschuss. Nachdem die CDU-Politikerin zunächst eine Regenbogenbeflaggung beim kommenden Berliner CSD am Bundestag untersagt hatte, sorgte sie in dieser Woche erneut für Irritationen. Die Bundestagsverwaltung untersagt ihrer queeren Mitarbeitervertretung im Gegensatz zu den Vorjahren die Teilnahme an der Parade zum Christopher Street Day in Berlin. Nun sieht sich Klöckner einer Petition gegen ihren „Amtsmissbrauch“ und scharfer Kritik gegenüber.
Auch aus Köln kommt dabei deutlicher Widerspruch zu Klöckners Kurs. „Beim CSD protestiert man für die Rechte des Grundgesetzes“, ermahnte der Kölner SPD-Politiker Karl Lauterbach die CDU-Politikerin auf der Plattform X. „Neutralität bedeutet nicht, Politik allein den Parteien zu überlassen. Der Bundestag kann stolz auf die Gruppe sein, die mitlaufen möchte. Bundestagspräsidentin Klöckner sollte das klarstellen“, fügte Lauterbach an.
Sven Lehmann kritisiert Klöckner: „Entscheidung ist beschämend“
Der Kölner Grünen-Politiker und ehemalige Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, fand unterdessen noch deutlichere Worte für das Vorgehen der CDU-Politikerin. „Diese Entscheidung ist beschämend“, schrieb Lehmann im sozialen Netzwerk Instagram. „Im Kampf für die Freiheit steht Julia Klöckner auf der falschen Seite der Geschichte.“
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„In Zeiten queerfeindlicher Gewalt und rechtsextremer Angriffe auf CSDs braucht es klare Zeichen der Solidarität – auch und gerade aus der Mitte des Parlaments“, forderte Lehmann weiter. Die Entscheidung der Bundestagspräsidenten sei ein „falsches Signal“ und ein „Einknicken vor dem rechten Kulturkampf“, führte der Grünen-Politiker aus. „Der Bundestag sollte ein Ort sein, der für Offenheit und Freiheit einsteht – auch auf der Straße.“
Petition gegen Klöckners Kurs sammelt Zehntausende Unterschriften
Bei Klöckners Vorgehen werde zudem ein tiefer Riss innerhalb der CDU sichtbar, führte Lehmann aus. „Während Bundestagspräsidentin Klöckner ihren Mitarbeiter*innen die Teilnahme untersagt, hat Bundesministerin Karin Prien angekündigt, dass das Bundesfamilienministerium erneut mit einem eigenen Wagen am CSD teilnehmen wird“, schrieb der Kölner mit Blick auf eine entsprechende Ankündigung, die Prien vorab veröffentlicht hatte. „Daran sollte sich Julia Klöckner ein Beispiel nehmen.“
Widerstand gegen Klöckner formiert sich nun auch in der Zivilgesellschaft. Eine Petition, die sie dafür einsetzt, den „Amtsmissbrauch“ der CDU-Politikerin zu stoppen und die Regenbogenbeflaggung am Bundestag während des Berliner CSDs zurückzubekommen, hatte am Freitagmittag (20. Juni) bereits mehr als 37.000 Unterschriften gesammelt. „Die Regenbogenflagge muss am CSD über dem Deutschen Bundestag wehen“ und „alle queeren Verbände müssen frei am CSD teilnehmen dürfen“, lauten die beiden zentralen Forderungen des Bürgerbegehrens.
Berlin: Queerfreundliche Demos fürchten Anfeindungen
In Berlin und der Umgebung rüstet man sich unterdessen für Proteste – und mögliche Gegenveranstaltungen und Anfeindungen, wie regionale Medien berichten. Demnach soll die rechtsextreme Gruppe „Deutsche Jugend voran“ hinter einer angemeldeten Gegendemonstration zur „Marzahn Pride“, einer Demonstration für die Rechte queerer Menschen, stecken. Von Unsicherheit und Angst bei den Veranstaltern ist angesichts dieser Lage die Rede, berichtete der „Tagesspiegel“.

Der ehemalige Bundesminister Karl Lauterbach zusammen mit Elfie Scho-Antwerpes, einer Dragqueen, der ehemaligen SPD-Vorsitzenden Saskia Ecken und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (v. l. n. r.) bei einer CSD-Parade in Köln. Die ColognePride ist nach Berlin die zweitgrößte CSD-Parade in Deutschland. (Archivbild)
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Gegendemos und Angriffe bei queeren oder queerfreundlichen Veranstaltungen seien längst „keine Seltenheit mehr in Berlin und Brandenburg“, berichtete unterdessen der rbb. Erst am vergangenen Sonntag hatten zehn bis 15 Vermummte ein Vielfaltsfest in Bad Freienwalde angegriffen. Laut Polizei wurden dabei mindestens zwei Menschen verletzt. Einer der mutmaßlichen Angreifer bekennt sich nach Informationen des rbb zu der Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“.
NRW: „Selbstverständlich“ weht die Regenbogenflagge
In Nordrhein-Westfalen sieht die Lage anders aus – und auch politisch wählen der Langtag und die Fraktionen einen deutlich anderen Ansatz als Bundestagspräsidentin Klöckner. Die Regenbogenflagge werde während des in der kommenden Woche startenden Düsseldorfer CSDs „bereits zum vierten Mal vor dem Landtag zu sehen sein – neben den Flaggen Nordrhein-Westfalens, der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union“, bestätigte ein Sprecher gegenüber dem WDR.
„Selbstverständlich wird an diesem Samstag, wenn die Christopher-Street-Day-Demonstration durch die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf zieht, wieder die Regenbogenflagge vor dem Landtag wehen“, bekräftigte auch Ilayda Bostancieri, Sprecherin für Queerpolitik der Grünen Landtagsfraktion NRW, die Pläne Nordrhein-Westfalens, politisch Flagge zu zeigen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Klöckner und die Bundestagsverwaltung hatten ihre Entscheidung unterdessen mit einer „Neutralitätspflicht“ begründet. Auf die scharfe Kritik in den letzten Tagen hat die CDU-Politikerin bisher nicht reagiert.