Kein Englisch für ErstklässlerPläne von Schulministerin stoßen auf massive Kritik

Lesezeit 3 Minuten
Klasse eins soll kein Englisch mehr lernen. Foto. 

Klasse eins soll kein Englisch mehr lernen. Foto. 

Düsseldorf – Die Liste ist lang. 38 Professoren der Fremdsprachendidaktik haben die Stellungnahme unterschrieben. Es geht um den künftigen Englischunterricht an Grundschulen von NRW. Dort sieht man vor, dass die Fremdsprache künftig nicht mehr ab Klasse eins, sondern erst mit Beginn des dritten Schuljahrs unterrichtet werden soll. „Die Pläne des nordrhein-westfälischen Schulministeriums sind ein bildungspolitischer Rückschritt, der die Fachwelt schockiert hat“, kritisiert Julia Reckermann. Die Junior-Professorin an der Universität Münster zählt zu den vier Hauptautoren des Papiers. „Nicht wenige Kinder lernen Englisch bereits in der Kita. Es besteht eine große Gefahr, dass sie ihre Sprachkompetenz verlieren, wenn sie künftig zwei Jahre nicht gefördert werden“, sagte Reckermann im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Masterplan für Grundschulen

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) hatte die Pläne für eine Reform des Englischunterrichts im Sommer im Zusammenhang mit dem Masterplan Grundschule vorgelegt. Zuvor hatte es von vielen Schulen Klagen darüber gegeben, dass der frühe Fremdsprachenunterricht vor allem für Kinder mit Migrations- oder Flüchtlingshintergrund eine Überforderung darstelle. Diese Schlussfolgerung weist Reckermann aber zurück. „Das Gegenteil ist der Fall: Im Englischen haben alle Kinder die gleiche Ausgangslage und können gleich gut mithalten. Kinder mit Fluchterfahrung haben teils schon Vorerfahrungen mit der Sprache gehabt und bringen einen kleinen Vorsprung mit“, so die Hochschullehrerin.

Wenn Englisch richtig unterrichtet werde, sei das für alle Kinder eine tolle Erfahrung. Dann könnten sie nach der vierten Klasse in der Fremdsprache ein Eis bestellen, einen Steckbrief schreiben, einen einfachen englischen Text lesen oder kleine Gespräche führen. Leider seien aber zu wenige Lehrer in NRW gut genug ausgebildet. Daher bleibe es oft dabei, dass im Englischunterricht nur gesungen oder gespielt werde.

Alles zum Thema Jochen Ott

Das könnte Sie auch interessieren:

Seit 2008 erhalten Grundschüler ab der ersten Klasse zwei Stunden Englischunterricht pro Woche. Die Neuregelung soll ab dem kommenden Schuljahr 2021/22 in Kraft treten. Dann startet der Englischunterricht erst ab der Klasse drei – mit drei Wochenstunden. Reckermann weist darauf hin, Kindern falle der Spracherwerb in jungen Jahren viel leichter als später. Im Zeitalter der Digitalisierung und Globalisierung sei das Beherrschen der englischen Sprache eine Kernkompetenz. „Es wäre fatal, wenn der richtige Kurs, der 2008 eingeschlagen wurde, jetzt wegen falscher Schlussfolgerungen aus einem nur vermeintlich migrationsfreundlichen Ansatz und einer höchst selektiven Wahrnehmung von Forschungsergebnissen geopfert werden würde“, so die Anglistik-Professorin.

„Zusätzliche Unruhe“

Die Opposition im Landtag teilt die Kritik an der Schulministerin. „Immer wieder zeigt sich, dass sich die Ministerin von Expertenvoten nicht beeindrucken lässt“, sagte Sigrid Beer, Schulexpertin der Grünen. Nun werde „ohne Not zusätzliche Unruhe in die Grundschule getragen“. Es fehle ein fachliches Konzept für die Verschiebungen. Jochen Ott, Vize-Fraktionsvorsitzender der SPD, erklärte, es stelle sich die Frage, auf welcher Grundlage die Neuregelungen im Unterricht basierten, wenn diese von so vielen Experten abgelehnt würden: „Ihr sogenannter Masterplan Grundschule hatte den Namen schon von Anfang an nicht verdient.“

FDP-Schulexpertin Franziska Müller-Rech verteidigte die Pläne: „So schaffen wir in der Schuleingangsphase die Zeit, um die Kernkompetenzen Lesen, Schreiben und Rechnen zu stärken“, sagte die Liberale. Eine Studie der Uni Bochum habe ergeben, dass es „keinen signifikanten Unterschied“ mache, ob ein Kind in der 3. oder 1. Klasse mit dem Englischunterricht beginne.

Schulministerin Gebauer erklärte, mit dem Masterplan Grundschule habe die Landesregierung „Leitideen für eine leistungsstarke Grundschule formuliert“. Der neue Lehrplan verfolge das Ziel, den Übergang in die Klasse 5 zu verbessern.

KStA abonnieren