Kommentar zu RechtsaußenZehntausende bei Demos gegen die AfD – mächtiger als ein Parteiverbot

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Leipzig: Zahlreiche Teilnehmer leuchten am Montagabend (15. Januar) mit den Taschenlampen ihrer Handys während einer Demonstration gegen die AfD.

Leipzig: Zahlreiche Teilnehmer leuchten am Montagabend (15. Januar) mit den Taschenlampen ihrer Handys während einer Demonstration gegen die AfD.

Seit dem Wochenende gehen in den Großstädten Zehntausende Menschen auf die Straße, um gegen die Bedrohung von Rechtsaußen zu demonstrieren.

Die Straße als politische Arena hat in diesem Land eine bewegte Geschichte. Und eine lebhafte Gegenwart. Noch immer gilt: Wer seinen Willen formulieren, Solidarität bekunden, seinem Ärger – aber auch seinem Hass – Luft machen will, findet hier seinen Resonanzraum. Die Straße, sie bleibt auch im digitalen Zeitalter das ausdrucksstärkste Massenmedium der gesellschaftlichen Kommunikation. Wer mobilisiert, wird gesehen, gehört. Und insofern stiftet das, was seit dem Wochenende auf Deutschlands Straßen passiert, Hoffnung.

Es war ja zuletzt, aus einer bürgerlichen Perspektive, eher ein hartes Pflaster da draußen. Von der Schwurbler-Querfront, die sich während der Corona-Pandemie mit ihren „Spaziergängen“ auf den Straßen herumtrieb, über die propalästinensischen Demonstrationen nach dem 7. Oktober, auf denen teilweise offen antisemitische Parolen skandiert wurden, bis hin zum gewiss legitimen, in seiner Bildsprache aber einschüchternden Bauernprotest mit schwerem, dieselschluckenden Gerät. Auf dem Straßenbelag zeigten sich gesellschaftliche Risse.

AfD: Die Zivilgesellschaft wehrt sich

Nun aber geschieht Ermutigendes auf deutschen Straßen. Die Zivilgesellschaft wehrt sich. Und zwar gegen die aktuell größte Bedrohung für unsere demokratische Grundordnung.

Die geht nicht von irgendwelchen Spinnern und schon gar nicht von Landwirten aus. Sondern von den Verfassungsfeinden am rechten Rand. Sollte jemand daran noch Zweifel gehabt haben, müssen diese seit der vergangenen Woche ausgeräumt sein. Die Berichte, ausgehend von einer Correctiv-Recherche, nach denen AfD-Politiker an einem Geheimtreffen mit Rechtsextremen teilgenommen und Pläne für millionenfache Zwangsvertreibungen diskutiert haben, sind alarmierend.

Anti-AfD-Demos: Die Demokratie ist in der Überzahl

Und endlich, ja endlich wacht dieses Land auf. Zehntausende gehen auf die Straße, um gegen Faschismus zu demonstrieren, gegen den Rechtsdruck und im Endergebnis gegen die AfD.

25.000 in Berlin, 10.000 und Leipzig, 7.000 in Kiel – wer der Demokratie ans Leder will, hat die Rechnung nicht mit denen gemacht, die sie zu verteidigen bereit sind. Und sie sind viele. 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren am Montagabend in Essen erwartet worden. Es wurden 6.000.

Demo am Dienstagabend in Köln

In Rostock rief das Netzwerk Rostock nazifrei – Bunt statt braun e. V. zur Demo auf, bis zu 3.000 Menschen kamen. Die Gegendemo, auf der AfD-Landeschef Leif-Erik Holm sprach, mobilisierte 350 Teilnehmer. In Köln wird am Dienstagabend gegen Rechts demonstriert. Es werden mehr als 1000 Teilnehmer auf dem Heumarkt erwartet.

Wenn das die wahren Kräfteverhältnisse widerspiegelt, ist die Demokratie noch nicht am Ende.

Die Bilder, die gerade entstehen, sind mächtiger als jede AfD-Verbotsdebatte. Weil eine Sogwirkung entstehen kann auf die Unentschlossenen, auf die Uninformierten, auf die Enttäuschten. Die Botschaft der Bilder: Es ist nie zu spät, der Armee der Anständigen beizutreten. Für die kommenden Tage und Wochen sind weitere Großkundgebungen angemeldet.

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