KommentarCorona-Bonds wären das Mittel der Stunde gewesen – doch Klischees überwiegen

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Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, und Bundeskanzlerin Angela Merkel

  • Im Kampf gegen die Corona-Wirtschaftskrise haben die EU-Staaten ein Hilfspaket von mehr als 500 Milliarden Euro für Arbeitnehmer, Firmen und schlingernde Staaten geschnürt.
  • Die vielfach geforderten Corona-Bonds wird es allerdings vorerst nicht geben. Dabei hätten sie zweifellos das stärkste Signal senden können.
  • Doch die Entscheidungen sind von ganz profanen Ideen maßgeblich beeinflusst: Klischees. Dabei braucht ein stabiles Europa ein stabiles Italien. Denn Italien ist „too big to fail“.

Köln – Es gibt also vorerst keine Corona-Bonds. Dafür ein stattliches Rettungspaket. Denn es gilt nach wie vor das absolute Dogma, dass Schulden in der EU niemals vergemeinschaftet werden dürfen: nicht einmal in einer Notsituation und auch nicht vorübergehend.

In der Corona-Krise sind gemeinsam getragene Schulden jedoch zum Symbol für europäische Solidarität schlechthin avanciert. Corona-Bonds hätten zweifellos das stärkste Signal gesendet. Der Frust bei den Südländern ist nach wie vor groß, die Lage in den Krankenhäusern immer noch unerträglich.

Aufruf zum Boykott deutscher Produkte

Da schlägt der Unmut schnell in traditionelle anti-deutsche Ressentiments um, die derzeit im Netz Konjunktur haben. Da gibt es den Aufruf zum Boykott deutscher Produkte. Da wird das Bild des hässlichen Deutschen beschworen, das sich aus der Geschichte speist. Ja, das ist unfair und falsch. Denn die Pandemie trifft auch hierzulande Gesellschaft und Wirtschaft ins Eingemachte. Doch mit welchen Gedanken blickt man in Deutschland wirklich auf das italienische Drama?

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„Wer nach Solidarität ruft, fordert dein Geld“ twittert der Medienwissenschaftler Norbert Bolz, der sich in seinem deplatzierten Zynismus gefällt. Doch er verkennt: Eigeninteresse und Solidarität bilden derzeit keinen Gegensatz.

Ausschlaggebend sind Klischees

Denn gerade die Regionen im Norden, in denen das Virus am meisten wütet, sorgen dafür, dass Italien die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und ein G7-Staat ist. Überhaupt herrscht auch unter Ökonomen in der Frage nach Corona-Bonds keine Einigkeit. Trotzdem oder gerade deshalb glaube ich: Ausschlaggebend sind am Ende gar keine ökonomischen Argumente, sondern ganz profane Dinge – Klischees.

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Manche sind sich sicher, dass der italienische Staat ohnehin so korrupt sei und die Mafia nur so auf neues Geld aus Brüssel warte. Andere bemängeln den Lebensstil der Südländer und machen ihn indirekt für die Verbreitung des Virus verantwortlich. Ja, genau: Unsere lieben Italiener, sie sind mal wieder so herrlich undiszipliniert, dazu auch noch „kreditsüchtig“.

Italien ist nicht nur Pasta, Pizza und Aperol-Spritz

Da kann auch eine klischeehafte Anbiederung wie ein Verweis auf die geliebte Dolce Vita nicht trösten. Italien ist eben nicht nur Pasta, Pizza und Aperol-Spritz. Derweil wächst die EU-Skepsis im Bel Paese immer weiter. Ein Demagoge namens Salvini sitzt Premierminister Giuseppe Conte schon im Nacken.

Und der erweckt nicht gerade den Eindruck, dass er besonders zimperlich mit Europa umspringt. Er wartet doch nur darauf, endlich die Früchte des italienischen Zorns zu ernten. Die Italiener ahnen bereits, dass die am Donnerstag beschlossenen Kredithilfen den wirtschaftlichen Niedergang nicht verhindern werden und das Problem nur vertagt worden ist. Ein stabiles Europa braucht aber ein stabiles Italien, und dafür wären Corona-Bonds das Mittel der Stunde. Denn: Italien ist „too big to fail“.

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