Anschläge auf SynagogenSpur nach antisemitischen Übergriffen führt zu deutsch-iranischer Rockergröße

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Einschusslöcher sind auf einer verglasten Tür zu sehen. Sie wurden am Rabbinerhaus bei der Alten Synagoge in Essen entdeckt. Die Bundesanwaltschaft wird die Ermittlungen zu Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen übernehmen.

In Essen wurde das Rabbinerhaus bei der Alten Synagoge beschossen.

Stecken staatliche Stellen des Irans hinter den Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Essen und Bochum? Die Ermittlungen führen in viele Richtungen.

Zwei Woche nach den Anschlägen auf jüdische Synagogen in Essen und Bochum und einem geplanten Attentat in Dortmund erhärtet sich der Verdacht, dass staatliche Stellen des iranischen Mullah-Regimes dahinterstecken.

Vor dem Hintergrund will der Generalbundesanwalt das Verfahren übernehmen. Dies bestätigt eine Sprecherin aus Karlsruhe dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Zur Verdachtslage wollte sie sich nicht äußern.

Wie aus Justizkreisen zu erfahren war, sollen iranische Stellen die Angriffe über Anwerber und Agenten initiiert haben. In Dortmund verhafteten die Staatsschützer einen 35 Jahre alten Deutsch-Iraner, der versucht haben soll, einen Landsmann für ein Attentat auf eine jüdische Einrichtung in Dortmund zu rekrutieren. Letzterer weigerte sich und schaltete die Polizei ein.

Alles zum Thema Herbert Reul

Verteidiger bezeichnet seinen Mandanten als fürsorglichen Vater

Einige Tage nach den Anschlägen wurde der 35-Jährige wegen der Anstiftung zu einem Brandanschlag verhaftet. Zugleich suchen die Behörden immer noch nach jenem Komplizen, der auf das Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen geschossen hat.

Inzwischen förderten die Ermittlungen weitere, neue Indizien zu Tage. Demnach zeigen Überwachungsvideos nach Informationen dieser Zeitung den Wagen des Verdächtigen zum Tatzeitpunkt nahe der Synagoge in Bochum, bei dem ein Brandsatz an einer benachbarten Schule gelegt wurde. Jörg Tigges, Verteidiger des Beschuldigten bemängelte, dass er immer noch keine Akteneinsicht besitze. „Das meiste erfahre ich über die Medien, dies ist ein unhaltbarer Zustand.“ Seinen Mandanten bezeichnete der Anwalt als fürsorglichen Vater.

Kontakt zur Rockerszene

Die bisherigen Nachforschungen liefern ein anderes Bild. So ergab die Handy-Auswertung des inhaftierten Deutsch-Iraners aus Dortmund, dass er Kontakte zu einer schillernden Figur aus der hiesigen Rockerszene pflegen soll. Ramin Y., ebenfalls gebürtiger Iraner und einstiger Chef der Hells Angels in Mönchengladbach, hatte sich im vergangenen Jahr in seine Heimat abgesetzt.

Die Duisburger Staatsanwaltschaft fahndet seither nach ihm, weil die Rocker-Größe vor sieben Jahren mit einem Komplizen einen 32 Jahre alten Abtrünnigen erschossen haben soll. Mit Hilfe eines weiteren Kuttenträgers soll man dessen Leiche zerstückelt und in den Rhein geworfen haben. Monate später fanden Spaziergänger einen Arm des Opfers am Flussufer. Als die Ermittler den Torso des Ermordeten aus dem Wasser zogen, geriet Ramin Y. unter Mordverdacht. Lange Zeit aber fehlten die Beweise. Bis sich dann ein Kronzeuge meldete und die Kripo vor gut drei Jahren zum Schädel des erschossenen Bikers im Rhein-Herne-Kanal führte.

Aus seinem persischen Exil postete der muskulöse Deutsch-Iraner immer wieder Bilder via Instagram. Mitunter verschickte der Hells-Angel auch Botschaften, in denen er die deutsche Justiz sowie NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) verhöhnte.

Inzwischen aber soll der gesuchte Rocker eine neue Rolle übernommen haben. Sicherheitskreise bestätigten, dass Ramin Y. als Mittelsmann für eine Gruppe agieren soll, die es auf jüdische Einrichtungen oder gar Personen abgesehen hat. Der Rocker-Boss, der auch einen iranischen Pass besitzt, hat sich zwischenzeitlich ein Hakenkreuz tätowieren lassen. Einem Bekannten sagte er dazu: „Perser und Deutsche sind doch Arier.“

In diesen Komplex passen auch Ausspähaktionen gegen den Vorsitzenden des Zentralrates der Juden. Das Magazin „Focus“ meldete, dass ein früherer arabischer Informant des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) Josef Schuster, 68, offenbar für den iranischen Geheimdienst observiert haben soll. Die Telekommunikationsüberwachung des Ex-BfV-Spitzels habe demnach ergeben, dass der Zuträger in Verbindung zum berüchtigten iranischen Geheimdienst MOIS stand.

Der in Damaskus geborene mutmaßliche Spion arbeitete nach Focus-Informationen fast sechs Jahre für das BfV. Neben Islamisten-Kreisen soll der Mann auch das Rocker-Milieu beobachtet haben. Das BfV teilt auf Anfrage mit, man wolle die Berichterstattung nicht kommentieren. Im Blick behalte man im Bezug auf den Iran „Ausspähungsaktivitäten gegen (pro-)israelische sowie(pro-)jüdische Ziele in Deutschland“.

Vor zwei Tagen erhöhten Geheimdienste aus Großbritannien, Kanada und den USA ihre Warnstufe zu Attentaten auf jüdische Repräsentanten, iranische Dissidenten und Journalisten. Für diese Attacken, so die Erkenntnisse, werben Teherans Agenten vor Ort radikale Islamisten oder gewöhnliche Kriminelle an.

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