Der Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextrem ein. Wer nun in NRW für ein Parteiverbot plädiert, wieso andere den Zeitpunkt für verfrüht halten und was die Einstufung für die AfD NRW bedeutet.
AfD „gesichert rechtsextrem“Debatte um mögliches Verbot nimmt in NRW wieder Fahrt auf

Die AfD wurde vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft
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Nach der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) werden die Rufe nach einem Verbot der Partei wieder lauter – auch in NRW. Während die Grünen nun ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht fordern, reagierte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zurückhaltender.
Der Inlandsgeheimdienst teilte am Freitagmorgen mit, der Verdacht, dass die Partei gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen verfolge, habe sich bestätigt. „Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar“, erklärte die Behörde. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Äußerungen und Positionen der Partei und führender AfD-Vertreter verstießen gegen das Prinzip der Menschenwürde.
Ott: Verbotsverfahren werde „jeden Tag wahrscheinlicher“
NRW-Grünen-Chef Tim Achtermeyer nannte die Einstufung historisch, sie dürfe „nicht mit einem Achselzucken beantwortet werden“. „Das Grundgesetz gibt politischen Verantwortlichen den klaren Arbeitsauftrag, die Demokratie zu verteidigen und als Demokratie wehrhaft zu sein. Jetzt ist der Zeitpunkt, einen Verbotsantrag für die AfD beim Verfassungsgericht zu stellen“, sagte Achtermeyer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
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Ähnlich, aber bezüglich eines Parteienverbots etwas zurückhaltender, äußert sich der Düsseldorfer SPD-Fraktionsvorsitzende. Die Hochstufung sei folgerichtig und „auch aus NRW-Sicht begründet“, sagt Jochen Ott. „Seit bald acht Jahren vergeht im Düsseldorfer Landtag keine Plenarwoche, in der aus der Ecke der AfD-Fraktion keine menschenverachtenden, rassistischen oder demokratiefeindlichen Angriffe kommen.“ Ein Verbotsverfahren werde seiner Meinung nach „jeden Tag etwas wahrscheinlicher“.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)
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NRW-Innenminister Herbert Reul nennt die Hochstufung eine „logische Konsequenz“. „Diese Partei ist keine Alternative für Deutschland“, so der CDU-Politiker. Die AfD missachte die freiheitliche demokratische Grundordnung mithilfe „einer Rhetorik und einem Handeln, das zunehmend völkisch, autoritär und demokratiefeindlich geprägt ist.“
Kurzfristige Informierung: Offenbar Unmut im Landesamt für Verfassungsschutz
Reul bezeichnet die Hochstufung zwar als „nicht überraschend“, doch der Zeitpunkt soll die Verfassungsschutz-Landesämter trotzdem kalt erwischt haben. Aus Behördenkreisen heißt es, der NRW-Verfassungsschutz sei mit den weiteren Landesämtern erst eine Stunde vor der Pressekonferenz informiert worden. Während der gemeinsamen Schalte sollen die ersten Eilmeldungen die Teilnehmer erreicht haben. Im NRW-Landesamt führte dies offenbar zu Unmut.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sieht die Aufgabe der Demokraten nun darin, der AfD ihre Existenzgrundlage zu entziehen. Das gelinge am besten, indem man die Probleme der Menschen löse. „Für alle demokratischen Parteien in Deutschland muss klar sein, dass die AfD der politische Hauptgegner ist.“ Die Debatte um ein AfD-Verbotsverfahren thematisierte er nicht.
Die Hürden für ein Parteienverbot sind hoch. Nur die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat können einen solchen Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht stellen. Noch sei es zu früh dafür, meint der Kölner Rechtswissenschaftler Markus Ogorek. Denn: „Die Hochstufung der AfD ist noch angreifbar.“ Die Partei hat bereits rechtliche Schritte angekündigt. In erster Instanz wäre das Verwaltungsgericht Köln für das Verfahren zuständig, zweite Instanz dann das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster.
Diesen Weg nahm die AfD bereits bei ihrer Einstufung als rechtsextremistischer Verdachtsfall, nun droht wieder ein langer Rechtsstreit: Von der Klage bis zum Berufungsurteil aus Münster vergingen das letzte Mal mehr als drei Jahre. Ogorek vermutet, dass viele Politiker die rechtskräftige Entscheidung abwarten möchten. „Erst, wenn die Gerichte die Hochstufung bestätigen, sollte man über ein Parteiverbotsverfahren nachdenken.“ Der Maßstab für ein Parteienverbot könnte vor dem Verfassungsgericht könnte zudem etwas strenger ausfallen als der, den der Verfassungsschutz für eine Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ anlegt.
Hochstufung könnte auch NRW-AfD in Bedrängnis bringen
In den letzten Jahren radikalisierte sich die AfD. Skandalträchtige Politiker wie Matthias Helferich und Maximilian Krah konnten nach der Bundestagswahl problemlos der AfD-Fraktion beitreten. „Punktuell tauchen AfD-Mitglieder auch im Zusammenhang mit Rechtsterrorismus auf“, sagt Ogorek. Eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete sitzt wegen Umsturzplänen in Haft, als im November eine Gruppe mutmaßlicher Rechtsterroristen in Sachsen verhaftet wurde, waren darunter AfD-Mitglieder. „Es wäre aber überzogen, die Partei deshalb strukturell in der Gewaltszene zu verorten“, so der Jurist.
In Nordrhein-Westfalen werden nur die aufgelöste „Junge Alternative NRW“ und der „völkisch-nationalistische Zusammenschluss“ (ehemals Flügel) vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtet. Der AfD-Landesverband wurde bisher noch nicht eingestuft. Die Voraussetzungen, den Landesverband der AfD in NRW öffentlich zu bewerten, liegen weiterhin nicht vor, so ein Sprecher des NRW-Verfassungsschutzes. Aber: „Der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen hat alle Entwicklungen eng im Blick und wird sich dazu äußern, sobald die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen.“
Die Hochstufung der Bundespartei könnte indirekt Auswirkung auf eine mögliche Einstufung des NRW-Landesverbands als Prüffall haben. Wenn sich der Landesvorstand um Vincentz nicht von der Mutterpartei abgrenze, lasse dies auch Rückschlüsse auf die NRW-AfD zu, sagte Markus Ogorek. Sollten die Statements von AfD-Politikern aus NRW zudem einen Beitrag zur Hochstufung geleistet haben, könnte dies auch den Landesverband in ein schlechteres Licht rücken. „Den Landesämtern liegt das neue Gutachten selbstverständlich vor, da sie mit ihren Zulieferungen an der Erstellung mitgewirkt haben“, sagt Ogorek.
Martin Vincentz, Vorsitzender der AfD in NRW, kündigt juristische Schritte seiner Partei an. Der Verfassungsschutz schädige mit der Hochstufung die Demokratie, kritisiert Vincentz. „Eine abgewählte Regierung, die noch vier Tage im Amt ist, kriminalisiert die größte Oppositionspartei, die zudem in aktuellen Umfragen stärkste Partei der Republik ist.“ Der Ruf nach einem Verbot sei „grotesk, undemokratisch und falsch“.