Kölner Ärztin im GesprächCorona und Co.: Was die Infektionswelle für Weihnachten bedeutet

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Ein Corona-Schnelltest liegt auf einem Holztisch. Eine Hand hält die kleine Testampulle.

Die Corona-Zahlen steigen wieder, aber auch das RS-Virus und Grippe zirkulieren derzeit – Wie ist die Lage?

RS-Virus, Corona, Grippe – derzeit zirkulieren wieder viele Infekte. Wer sich testen sollte und was an Weihnachten zu beachten ist.

Derzeit kennt fast jeder jemanden, der mit einer Erkältung, Grippe oder Corona flachliegt. In den letzten drei Jahren waren Begriffe wie FFP2-Maske, Schutzverordnung, 3G, Lockdown, Inzidenz und Quarantäne für jeden in Deutschland geläufig. Schon seit dem Frühjahr ist der rechtliche Rahmen für die Corona-Schutzmaßnahmen ausgelaufen – Corona aber nicht automatisch verschwunden. Das zeigt auch das Abwassermonitoring des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Abwassermonitoring: So steht es um die Verbreitung des Coronavirus

Laut dem RKI-Abwassermonitoring sei seit Oktober ein kontinuierlicher Anstieg der Corona-Viruslast im Kölner Abwasser nachweisbar. Da Covid-19 und andere Viren in menschlichen Exkrementen nachgewiesen werden können, enthalten Kläranlagen aussagekräftige Informationen über vergangene und bevorstehende Ausbrüche. Erhebungen von Praxen, Kliniken und Laboren, die ihre Daten an das RKI übermitteln, bestätigen ebenfalls steigende Corona-Infektionen.

Aber nicht nur Corona gehe derzeit in der Bevölkerung um, sagt Clara Lehmann. Die Infektiologin der Uniklinik Köln erzählt, womit wir es aktuell zu tun haben und wie man sich während der Krankheitswelle verhalten sollte – insbesondere auch an Weihnachten.

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Frau Lehmann, hat sich das Coronavirus seit Pandemie-Beginn verändert?

Das Coronavirus ist etwas milder geworden, wir haben in der Bevölkerung aber auch eine relativ gute Immunität aufgebaut, da viele von uns die Krankheit mindestens einmal oder mehrfach durchgemacht haben. Es handelt sich nicht mehr um die extrem aggressive Erkrankung, die zu Beginn der Pandemie viele Todesfälle verursacht hat.

Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln.

Clara Lehmann, Infektiologin an der Uniklinik Köln.

Schlagen die Corona-Schnelltests bei neuen Varianten noch an?

Die Varianten des Coronavirus verändern sich zwar, aber die Hauptproteine, die durch den Schnelltest identifiziert werden, bleiben gleich. Es ist wichtig, sich über die Grenzen der Schnelltests im Klaren zu sein. Sie können nur einen Ausschnitt der möglichen anderen respiratorischen Viren identifizieren, die man weitergeben kann.

Corona, RS-Virus, Grippe: Kölner Infektiologin appelliert an Eigenverantwortung

Sollte man sich bei Erkältungssymptomen noch auf Covid-19 testen?

Persönlich sehe ich keinen zwingenden Grund dafür, da das Ergebnis keine direkten Konsequenzen hat. Unabhängig von der Art der Infektion, sei es Covid-19, RS-Virus oder Influenza, besteht immer das Risiko, andere anzustecken. Dies gilt insbesondere, wenn man mit Erkältungssymptomen zur Arbeit geht oder öffentliche Orte besucht.

Das heißt, es gibt auch keinen Handlungsbedarf, wenn mein Corona-Schnelltest positiv ist?

Von rechtlicher Seite aus nicht. Ich appelliere aber an die Eigenverantwortung der Menschen. Wer Erkältungssymptome hat, sollte sich auskurieren und so verhalten, dass man andere nicht ansteckt, unabhängig davon, ob es sich um Covid-19 oder eine andere Atemwegsinfektion handelt.

Für Risikogruppen können aber das RS-Virus und Influenza genauso gefährlich sein wie Corona, wenn nicht sogar gefährlicher
Clara Lehmann

Wie sieht das bei älteren und immungeschwächten Menschen aus?

Sie bilden die Ausnahme. Menschen mit Immunschwäche oder ältere Menschen haben ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf und sollten sich bei Erkältungssymptomen auf Corona testen. Bei einem positiven Test sollten sie so schnell wie möglich mit antiviralen Medikamenten wie Paxlovid behandelt werden. Für Risikogruppen können aber das RS-Virus und Influenza genauso gefährlich sein wie Corona, wenn nicht sogar gefährlicher.

Corona-Infektion: Was das für Weihnachten und die Feiertage bedeutet

Wie sollte man sich im Hinblick auf die derzeitige Infektionswelle an Weihnachten und den Feiertagen verhalten?

Viele Menschen finden sich an Weihnachten mit ihrer Familie zusammen, wo mitunter ältere oder immungeschwächte Menschen dazugehören. Dabei sollte jeder folgendes bedenken: Erkranke ich an Corona und habe einen milden Verlauf, kann ich theoretisch am Weihnachtsfest teilnehmen. Ich riskiere aber dann, zum Beispiel meine Oma anzustecken, die hingegen einen schweren Krankheitsverlauf haben könnte. Auf der einen Seite besteht das infektiöse Risiko, auf der anderen Seite ist es wichtig, ein Gleichgewicht zu finden und die Familie zu sehen, was besonders für ältere Menschen an Weihnachten von großer Bedeutung ist.

Ist das Immunsystem durch die Corona-Pandemie schwächer geworden?

Dadurch, dass wir während der Pandemie Masken getragen haben, sind die Zahlen von Atemwegsinfektionen insgesamt stark gesunken. Dies zeigte, dass Masken tragen, Abstand halten und die anderen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, zur Infektionskontrolle sehr gut funktioniert haben. Daher wurde unser Immunsystem nicht trainiert. Es ist jedoch nicht schwächer geworden, es wurde einfach nicht so stark trainiert.

Wie ist die Situation auf den Intensivstationen der Krankenhäuser? Wird jeder Corona-Patient noch so isoliert wie zu Pandemie-Zeiten?

Ja, und auch Patienten mit Influenza und RS-Virus werden isoliert. Man kann nicht riskieren, dass etwa Patienten auf chirurgischen Intensivstationen oder Krebsstationen eine Infektion bekommen – das könnte schwerwiegende Folgen für sie haben.

Kann das Abwasser-Monitoring also auch einen Anstieg von RS-Viren belegen?

Ja und ganz generell ist Abwasser-Monitoring ein äußerst wertvolles Instrument zur Überwachung der öffentlichen Gesundheit. Es ermöglicht uns, zu erkennen, welche Viren gerade zirkulieren und auf welche wir uns konzentrieren müssen. Deutschland hat relativ spät mit diesen Untersuchungen begonnen, während andere Länder, wie Italien, viel früher damit begonnen haben. In Italien konnte man rückwirkend zum Beispiel SARS-CoV-2 schon einige Monate vor Beginn der Pandemie nachweisen.

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