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Ansage von Mona Neubaur„Ich lasse mir von Friedrich Merz nicht auf der Nase herumtanzen“

Lesezeit 5 Minuten
Mona Neubaur (Die Grünen) ist die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen sowie stellvertretende Ministerpräsidentin.

Mona Neubaur (Die Grünen) ist die Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen sowie stellvertretende Ministerpräsidentin. 

Welche Auswirkungen hat der Regierungswechsel in Berlin auf die Politik in NRW? Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur  (Grüne) erklärt, was sie vom neuen Bundeskanzler Friedrich Merz hält, mit welcher Strategie ihre Partei wieder auf die Erfolgsspur kommen soll - und ob ein Comeback von Rot-Grün mit Bärbel Bas als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl 2027  denkbar wäre.

Die Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler ist zu einem Drama geraten. Im Land NRW werden die Ministerposten erst nach der Wahl des Regierungschefs vergeben – um zu verhindern, dass es enttäusche Abweichler gibt. Wäre es nicht schlauer gewesen, wenn Merz sich das Verfahren abgeguckt hätte?

Es entspricht nicht meinem Verständnis von Demokratie, dass man sich Mehrheiten sichert, indem man Menschen Ämter oder Funktionen verspricht. Die Kunst besteht doch darin, eine stabile Regierung zu bilden, trotz mancher Enttäuschungen, die es in diesen Prozessen zwangsläufig immer gibt. Merz hätte es gelingen müssen, schon im ersten Wahlgang Stabilität herzustellen. Er hat die Enttäuschung, die er auch im eigenen Lager produziert hat, womöglich völlig unterschätzt.

Die Grünen haben Merz geholfen, den zweiten Wahlgang noch am Dienstag durchführen zu können. Waren Sie in die Entscheidung eingebunden?

Nein, das haben die Fraktionsspitzen im Bundestag ausgehandelt. Die Grünen haben in einer kritischen Situation einmal mehr staatspolitische Verantwortung übernommen. Die Entscheidung war ohne Zweifel richtig.

Grüne regieren im Bund nicht mehr mit. Was bedeutet das für die Grünen in NRW?

Wir bleiben ja hier in der Regierungsverantwortung, aber natürlich verschiebt sich auch etwas. Es gibt in Berlin jetzt eine neue Bundesregierung und damit neue Rahmenbedingungen und Ansprechpartner. Mir ist grundsätzlich erst einmal wichtig, dass wir trotz dieser veränderten Gegebenheiten pragmatisch und im Sinne des Landes weiter zusammenarbeiten. Dort wo notwendig, werden wir die Interessen Nordrhein-Westfalens, wie in der Vergangenheit auch, deutlich hinterlegen. Ein Punkt wäre beispielsweise die Transformation unserer Industrie, die nicht nur aus klima- oder wettbewerbspolitischen Gründen, sondern auch angesichts einer veränderten geopolitischen Lage notwendig ist. Dieser ganze Bereich ist im Koalitionsvertrag eher zaghaft formuliert – das führt bei den Vertretern von Mittelstand, Handwerk und Industrie zu Verunsicherung.

Das Foto zeigt Mona Neubaur (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie von Nordrhein-Westfalen sowie stellvertretende Ministerpräsidentin, und Ministerbräsident Hendrik Wüst (CDU) Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Mona Neubaur und Hendrik Wüst im Landtag:„ Mir ist grundsätzlich erst einmal wichtig, dass wir trotz dieser veränderten Gegebenheiten pragmatisch und im Sinne des Landes weiter zusammenarbeiten.“

Wie meinen Sie das?

Unsere Wirtschaft braucht langfristig Planungssicherheit. Deshalb ist das Interesse groß, dass wir auf dem Pfad bleiben, den wir hier in NRW erfolgreich eingeschlagen haben. Das gilt für den Ausbau der Erneuerbaren, die Schaffung einer dezentralen Energieversorgung, die Planung von Leitungen und den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Da darf jetzt nicht umgeschwenkt werden. Die, die sich auf den Weg gemacht haben, müssen weiter unterstützt werden. Konkret zum Ausbau der Windenergie, die den Unternehmen, aber auch den Bürgern günstige Energie liefert: Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir unser Versprechen, 1.000 neue Windräder zu ermöglichen, eingelöst haben.

Der frühere Wirtschaftsminister Robert Habeck war als Parteifreund, ein enger Vertrauter von Ihnen. Wie gut kennen Sie seine Nachfolgerin Katherina Reiche, die aus NRW stammt?

Ein Unterschied ist sicherlich, dass ich Katherina Reiche nicht auf unseren Parteitagen treffen werde. Als wichtige Vertreterin der nordrhein-westfälischen Energiewirtschaft, die auch im deutschen Wasserstoffrat tätig war, kenne ich sie natürlich schon lange und wir haben ein persönlich gutes Verhältnis. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung, um gemeinsam Lösungen zu finden. Mich haben auch ihre Worte an Robert Habeck bei der Amtsübernahme beeindruckt, als sie ihm für seine „fast übermenschliche Leistung“ zu Beginn des russischen Angriffskriegs gedankt hat. Sie hat damit eine gewisse Größe bewiesen, die ich mir auch von anderen wünschen würde.

Friedrich Merz sah NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst lange als Rivalen im Rennen um die Kanzlerschaft – und er ist kein Freund der Grünen. Was bedeutet das für den Einfluss von NRW in Berlin?

Nach meiner Wahrnehmung pflegen die beiden ein partnerschaftliches Verhältnis. Für mich ist wichtig, dass sich das Zusammenspiel zwischen den politischen Ebenen wieder verbessert. Die Länder müssen im Bundesrat auf Augenhöhe mitgestalten können. Wir werden uns mit den anderen Bundesländern eng abstimmen. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, die Mittel aus dem Sondervermögen richtig einzusetzen. Politik kann Vertrauen zurückgewinnen, wenn die Menschen merken, dass sie in ihrem Umfeld profitieren.

Können die Pläne von Merz auch zu Spannungen in der NRW-Koalition führen?

Als Ministerin vertrete ich die Interessen des Landes, so interpretiere ich mein Amtsverständnis. Das tut Hendrik Wüst als Ministerpräsident übrigens ganz genauso. Deswegen werden wir uns für diese Interessen auch weiterhin in Berlin starkmachen. Ich werde mir jedenfalls von Friedrich Merz nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Als Erfüllungsgehilfin einer neuen Koalition auf Bundesebene stehe ich nicht zur Verfügung.

Das Bild zeigt Robert Habeck (l), Bundeswirtschaftsminister, und NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (beide Grüne), beide stehen vor Windrädern zur Stromerzeugung. Foto: Federico Gambarini/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Mona Neubaur mit Parteifreund Robert Habeck: „Bis zum Ende der Legislaturperiode werden wir unser Versprechen, 1.000 neue Windräder zu ermöglichen, eingelöst haben.“

Im Bund arbeiten CDU und SPD zusammen. 2027 stehen in NRW Landtagswahlen an. Glauben Sie, dass Wüst Schwarz-Grün treu bleiben wird, wenn sich auch die SPD als Partner anbietet?

Die Grünen waren 2022 in der Lage, eine Ampel zu bilden oder eine Koalition mit der CDU einzugehen. Wir haben uns nach einer intensiven Abwägung für die CDU entschieden, weil wir überzeugt waren, in dieser Konstellation mehr Ziele erreichen zu können. Vor dieser Abwägung werden die Parteien auch 2027 stehen. Inhalte zählen - und nicht, ob mir die Nase des einen oder des anderen besser passt. Als Teil der Landesregierung liefern die Grünen in NRW erfolgreiche Arbeit ab. Ich bin mir sicher, dass das die Grundlage für ein starkes Wahlergebnis 2027 sein wird.

Der Grüne Balken schrumpfte bei den letzten Wahlen kontinuierlich. Viele junge Leute fühlen sich von den Linken und ihrer Frontfrau Heidi Reichinnek angesprochen. Müssen die Grünen ihr linkes Profil stärken?

Der Alltag vieler Menschen ist von großer Verunsicherung geprägt, das müssen wir ernst nehmen. Es ist deshalb auch aus der Opposition heraus unsere Pflicht, Antworten zu geben. Zwischen Rechtsradikalen und Linkspopulisten sollten wir im Bundestag aber die Stimme der Vernunft bleiben. Wir wollen Zukunft mitgestalten - immer nur dagegen zu sein, ist für mich kein Konzept.

Wie ist Ihr Blick auf den Erfolg von Heidi Reichinnek?

Die Zeiten sind ernst, und sie verlangen eine ernsthafte Politik. Die Menschen erwarten von uns politische Angebote, und keine populistischen Phrasen. Gerade, wenn es um Gerechtigkeit und sozialen Frieden geht. Ich gönne Heidi Reichinnek ihren medialen Erfolg. Es wäre grundfalsch und strategisch brandgefährlich, diesen Politikstil zu kopieren.

Beim Thema Migration nehmen viele Menschen den Grünen nicht ab, dass die Partei den Zuzug von Flüchtlingen ernsthaft stoppen will. Ärgert Sie das?

Mich ärgert, dass das Thema oft nur eindimensional betrachtet wird. Es muss doch darum gehen, die Fragen von Sicherheit und Integration gemeinsam zu beantworten. Zuwanderung ist gerade für NRW eine große Chance, weil wir dringend Fachkräfte brauchen. Aber die Prozesse müssen geordnet und rechtssicher ablaufen. Eine ungesteuerte Migration kann Kommunen und Menschen an vielen Stellen überfordern – und das hilft den Populisten dabei, mit fremdenfeindlichen Parolen auf Stimmenfang zu gehen.

Das Bild zeigt Mona Neubaur und Cem Özdemir im Gespräch vor dem Spanischen Bau. Links im Bild MDL Berivan Aymaz. Foto: Max Grönert

Mona Neubaur schätzt an Berivan Aymaz ihre „grundehrliche, positive und im besten Sinne streitbare Art“.

In Köln ist Henriette Reker, die von den Grünen vorgeschlagen wurde, seit 2015 OB. Wie bewerten Sie die Chancen, dass Berivan Aymaz bei der OB-Wahl in Köln gewinnt?

Ich kenne Berivan Aymaz schon lange und mag ihre grundehrliche, positive und im besten Sinne streitbare Art. Als Oberbürgermeisterin wäre sie eine erstklassige Besetzung, sie trägt die Stadt definitiv im Herzen und hat Lust, was zu verändern. Köln ist eine tolle Metropole, aber es gibt noch so viel Potenzial zu heben. Berivan wird im Wahlkampf deutlich machen, wie sie für mehr Lebensqualität, mehr Sicherheit, mehr sozialen Ausgleich sorgen wird. Und dann, das ist meine feste Überzeugung, hat sie sehr gute Chancen, Köln in eine Ära zu führen.

Die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas kommt aus Duisburg und ist als Spitzenkandidatin der NRW-SPD bei der Landtagswahl 2027 im Gespräch. Könnte es mit Bas zu einem Comeback von Rot-Grün in NRW kommen?

Grüne Politik gehört ins Zentrum, wir werben für unsere Ideen und führen schon lange keine Koalitionswahlkämpfe mehr. Mehrheiten sind für uns kein Selbstzweck, sondern Voraussetzung, um den kommenden Generationen eine gute Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben zu schaffen. Ich schätze Bärbel Bas und wünsche ihr als Arbeitsministerin eine glückliche Hand, beteilige mich aber nicht an Personalspekulationen. Sie ist eine überzeugte Demokratin und damit grundsätzlich Gesprächspartnerin.