Problem in NRW-GefängnissenHandy-Verbot löst Fachkräfte-Krise aus

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Ein Flur in der JVA-Ossendorf: gelbe Wände, graue Türen und Steinplattenboden. Von hinten zu sehen ist ein Vollzugsbeamter, der in Richtung einer Glastüre am Ende des Gangs geht.

Ein Flur in der JVA-Ossendorf

Fachkräftemängel im Knast: Wegen der von vielen als unattraktiv empfundenen Arbeitsbedingungen fehlen den NRW-Gefängnissen Mitarbeiter.

Sie sorgen für die Sicherheit in den 18 Gefängnissen in NRW. Ohne den zuverlässigen Einsatz der JVA-Bediensteten gerät der Vollzug aus den Fugen. Jetzt erklärte das NRW-Justizministerium auf Anfrage, dass 892 Planstellen nicht besetzt sind. „Viele Haftanstalten kämpfen aufgrund des Personalmangels damit, den normalen Alltag und den täglichen Ausgang der Gefangenen aufrechtzuerhalten“, sagt Werner Pfeil, Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW im Rechtsausschuss, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Situation sei „dramatisch“.

In den Gefängnissen fehlen die Fachkräfte. Das hat für die Gefangenen schwerwiegende Folgen. „Aufgrund des fehlenden Behandlungsangebots verbleiben zwangsläufig psychisch Kranke in den JVAs, wo sie nicht die erforderliche Behandlung erhalten können und anderweitig dringend benötigtes Personal binden“, sagt Pfeil. Die hohen Belastungen führten wiederum dazu, dass der Strafvollzug große Probleme hat, das Personal zu verstärken und Nachwuchs zu gewinnen. 

In den Pandemiezeiten waren wir gut besetzt
Angela Wotzlaw, Chefin der JVA in Köln-Ossendorf

Angela Wotzlaw ist seit zwölf Jahren Chefin der JVA in Köln-Ossendorf. „Wir haben große Probleme, geeignetes Personal zu finden“, sagte die JVA-Leiterin unserer Zeitung. „In den Pandemiezeiten waren wir gut besetzt. Nachdem Corona gefühlt vorbei ist, suchen sich die Leute offenbar wieder vermeintlich attraktivere Arbeitgeber“, so Wotzlaw.

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Bewerber müssen teamfähig sein

Die JVA Köln führt monatlich Einstellungsgespräche durch, um Personal zu rekrutieren. Die Tests fallen aber meisten ernüchternd aus. „Von 20 Leuten, die eingeladen wurden, kommen dann oft nur sechs, von denen häufig lediglich einer am Ende geeignet ist. Wir können aber bei der Qualität keine Kompromisse eingehen“, so die Leiterin der Kölner Haftanstalt.

Wer in einem NRW-Gefängnis im Vollzugsdienst arbeiten will, benötigt laut Wotzlaw einen Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Erstausbildung oder einem weiterführenden Schulabschluss. Die Bewerber sollten zumindest eine Meldung in korrektem Deutsch schreiben können, teamfähig sein, vorurteilsfrei auf Menschen zugehen können, aber auch sportlich, durchsetzungsfähig sowie konsequent sein und darf keine Angst haben. Auch Bewerber, „die nur Macht ausüben und ihr Mütchen an den Gefangenen kühlen“ wollten, könne man nicht gebrauchen.

Mobiltelefone sind ein Sicherheitsrisiko

In den NRW-Gefängnissen sind rund 9800 Menschen beschäftigt. Nach der Ausbildung erhalten Vollzugsbedienstete rund 2500 Euro brutto im Monat. „Die Bezahlung ist aus meiner Sicht in Ordnung“, so Wotzlaw. Aber der Schichtdienst und die Arbeit am Wochenende sei oftmals ein Problem. Da müsse „man eben mal auf eine Party verzichten“, wenn man für den Dienst eingeteilt sei.

„Wenn bei den KVB Fahrer fehlen, fallen eben Busse aus. Wir müssen den Betrieb aber rund um die Uhr an 365 Tagen gewährleisten. Das geht nur mit verlässlichen und engagierten Mitarbeitern, die sich mit den besonderen Arbeitsbedingungen arrangieren können“, erklärt die JVA-Chefin. „Für viele junge Bewerber stellt aber zum Beispiel das Handyverbot in der JVA oftmals schon ein unüberwindbares Hindernis dar. Wir können jedoch in der JVA keine Mobiltelefone zulassen. Das Sicherheitsrisiko wäre zu groß.“

Viele Häftlinge sind psychisch auffällig

Für den Bund der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) in NRW stellen die Rahmenbedingungen des Landes eine Ursache für die Personalnot dar.  „Viele Beschäftigte arbeiten 14 Tage am Stück und haben dann zwei Tage frei. Das ist natürlich völlig inakzeptabel“, kritisiert der Landesvorsitzende Ulrich Biermann. Die schwarz-grüne Landesregierung müsse eine neue Arbeitsverordnung schaffen: „Wenn wir nicht genug Personal haben, um die Gefangenen zu resozialisieren, schaffen wir uns damit ein gesellschaftliches Problem.“

Von den etwa 14.000 Gefangenen sind laut BSBD rund 20 Prozent psychisch auffällig. „Ohne einen ausreichenden Personalschlüssel bleibt die Behandlung der besonders problematischen Täter auf der Strecke“, moniert auch Biermann.

Das NRW-Justizministerium sagte Anfrage, die hohe Zahl an freien Stellen erkläre sich insbesondere dadurch, dass in der letzten Legislaturperiode mehr als 1000 Planstellen für die Justizvollzugseinrichtungen neu geschaffen worden seien. Der überwiegende Teil könne erst besetzt werden, wenn die Mitarbeiter die Ausbildung abgeschlossen haben.

„Ganz allgemein bestehen Probleme mit der Stellenbesetzung allein schon deshalb, weil durch den demografischen Wandel die Zahl der Bewerberinnen und Bewerber absolut gesunken ist und weiter sinken wird“, so ein Sprecher von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Um den Beruf für Azubis attraktiver zu machen, sei die Anwärtervergütung auf 2114,65 Euro angehoben worden. Zudem wurde demnach die Ausbildungskapazität der Justizvollzugsschule durch einen zweiten Standort auf 370 Plätze erweitert.

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